Dieses Mal nicht

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was haben die verbliebenen Anhänger der CDU und die tapfere Schar meines Herzensclubs Arminia Bielefeld gemeinsam?

Es ist eine köstliche Selbstironie, die man in beiden Einheiten findet. Irgendwann vor 30 Jahren war Arminia mal einen (Spiel-)Tag lang Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Heimspiel 3:0 gegen Werder Bremen am ersten Spieltag. In Bielefeld druckte man T-Shirts mit der aktuellen Tabelle auf der Rückseite und dem Spruch „Der Tabellenführer gibt sich die Ehre“ vorne. Sensationell, denn am zweiten Spieltag mussten WIR nach München zum FC Bayern. Klaus mittendrin, T-Shirt an, schwarz-weiß-blauen Schal um den Hals bei 28 Grad Celsius. Läuft.

Der „Tabellenführer“ bekam dann sechs Stück eingeschenkt von den Bayern, alles wieder normal.

So ähnlich ist es bei der CDU (und bei der CSU, denn die unterscheidet inzwischen nix mehr voneinander).

Jeden Tag verschickt Paul Ziemiak Durchhalteparolen an Hunderttausende, von denen er annimmt, sie könnten nochmal gedreht werden und wider besseren Wissens mit dem Schreckgespenst von Rot-Rot-Grün animiert werden, die Zeitstimme wieder bei der CDU zu setzen. Ich kenne kaum noch jemanden, den Pauls Botschaft erreichen könnte. Und glauben Sie mir, ich kenne viele Menschen, für die die Union einmal das Maß aller Dinge war. Vorbei. Ich kenne jahrzehntelange Stammwähler der CDU, die würden ihre frühere Partei auch dann nicht mehr wählen, wenn Mutter Teresa Kanzlerkandidatin wäre oder Rot-Rot-Grün Dschingis Khan als Spitzenkandidaten aufstellt. Dieses Mal nicht mehr.

Im neuen CDU-Werbespot zur Bundestagswahl – wie immer handwerklich perfekt, modern, Musik passt, Laschet mit ernstem, staatsmännischen Blick, aus Sorge um Deutschland, und einer Sprecherin mit einer Stimme, dass man sie unbedingt am Abend auf einen Drink einladen möchte – ist inhaltlich außer ein paar Triggerbegriffen nix drin, was jemanden wie mich noch erreichen könnte. Klar, wir sind gegen Extremisten von links, rechts und Islam. Wer ist das nicht, der halbwegs bei Verstand ist? Und Polizeiautos und eine Festnahme sind zu sehen – toll, aber erinnern Sie sich an Anis Amri und seinen Lastwagen auf dem Berliner Weihnachtsmarkt 2016? Oder den achtjährigen Jungen 2019 am Frankfurter Hauptbahnhof, von einem Gast unseres Landes vor den einfahrenden ICE gestoßen. Ein Kind, tot, einfach so. Ein kleines hoffnungsvolles Leben ausgelöscht, eine Mutter, die bis ans Lebensende nie wieder lachen wird. Oder den mit der Machete auf offener Starße in Stuttgart und den mit der Machete im Düsseldorfer Hauptbahnhof und den mit dem Messer im Würzburger Bekleidungstempel, diese „Allahu Akbar“-Kreischer, die alle hier bei uns nichts zu suchen hatten und haben?

Lieber Paul Ziemiak, lieber Armin Laschet, liebes Konrad-Adenauer-Haus, nur damit ich es richtig einordne: Welche Partei, welche Regierung ist für diese Zustände in unserem Land verantwortlich? Wer hat all diese Leute hier hereingelassen?

Ihr kommt mit bunten Werbefilmchen und dem freundlichen Onkel Armin aus dem Rheinland, ein Video, in dem nicht ein einziges Wort zur Familie gesagt wird, zu dem Lebensmodell der überwältigenden Mehrheit der Bürger. Klar, zwei Männer, händchenhaltend, sind drin, denn man soll ja so lieben dürfen, wie man will. Klar soll man das, unbedingt. Aber deshalb CDU wählen? „Die Menschen reden von Familie, und das Adenauer-Haus versteht Diana Kinnert“, sagte mir mal ein CDU-Politiker in Berlin. Falls Sie die Dame nicht kennen – sie trägt gern Basecap. Mehr muss man eigentlich nicht wissen, aber es sind diese neuen Kunstfiguren, die die CDU in den Merkel-Jahren von 40 auf 20 Prozent runtergewirtschaftet haben. Und, als sei das nicht schlimm genug, die anderen, die alten weißen Männer, die einstigen Alphatiere, die vom „Anden-Pakt“ – alles Weicheier, Bratwürste, die nichts unternommen haben, um diesen Irrsinn aufzuhalten.

Ich werde oft gefragt, was ich denke, wie die Bundestagswahl am Sonntag ausgehen wird und was dann folgt. Ich verrate es Ihnen. Das schlimmste Szenario für mich ist nicht Scholz und Rot-Rot-Grün, das wäre das politische Grauen, ohne Frage. Und Frau Baerbock als Außenministerin, die mit Herrn Putin über die Krim verhandelt. Und das Protokoll im Kreml wäre verzweifelt, weil sie den Besuch gar nicht seriös vorbereiten könnte für Putin, weil sich Annalenas Lebenslauf ja ständig ändert. Vielleicht war sie ja mal erste deutsche Astronautin und Putin weiß das dann beim Treffen gar nicht…

Also, mein ganz persönliches Horrorszenario: Armin Laschet und die Union gewinnen am Sonntag vor der SPD mit 0,1 Prozent Vorsprung. Paul Ziemiak tritt vor die Fernsehkameras, dankt den Wählerinnen und Wählern und allen Diversen für das große Vertrauen und den Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern „draußen im Lande bei den Menschen“. Es war eine „fulminante Aufholjagd, die uns niemand zugetraut hätte. Und das ist das Verdienst eines einzigen Mannes. Armin, Du bist ein Menschenfischer, dem man vertraut in Deutschland.“ Und Laschet antwortet dann: „Danke, Paul, aber unser Dank gilt auch meiner Medienberaterin Tanit Koch und Dir für eine exzellente Wahlkampagne.“ Und dann geht alles so weiter wie immer. Aber ganz sicher nicht mit meiner Zweitstimme.

Mit herzlichen Grüßen.

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.