von SUSANNE WENZEL
LONDON/WINDSOR – Als die Herzogin von York heute vor 95 Jahren im Haus ihrer Eltern im vornehmen Londoner Stadtteil Mayfair die kleine Elizabeth Alexandra Mary zur Welt brachte, war das keine große Nachricht: Albert, Duke of York, und seine Frau Elizabeth, seit drei Jahren verheiratet, bekamen ihr erstes Kind. Albert, genannt Bertie, war der zweite Sohn von König George V. und seiner Frau Königin Mary, die kleine Elizabeth deren drittes Enkelkind. Der Thronfolger und Berties älterer Bruder, David, mit 27 Jahren immer noch Junggeselle. Damit stand die kleine Elizabeth zwar in der Thronfolge an dritter Stelle, doch rechnete wohl damals niemand ernsthaft damit, dass sie wirklich einst zur Thronerbin würde.
Die ersten zehn Jahre ihres Lebens verbrachte die kleine Lilibeth entweder in London oder auf dem Land. Ihre Eltern lebten, von einigen royalen Terminen abgesehen, wie alle anderen wohlhabenden Familien die „british season“ zwischen Flowershow, Pferderennen und anderen Sportereignissen im Frühling und Sommer und der Jagd- und Ballsaison im Herbst und Winter. So hätte es für sie weitergehen können, wäre da nicht der verhängnisvolle Tag im Dezember 1936 gewesen, an dem ihr Onkel Edward VIII. noch vor seiner Krönung wieder abdankte, um die geschiedene amerikanische Schauspielerin Wallis Simpson heiraten zu können. Albert saß fortan als König George VI. auf dem Thron. Und beinahe sofort übernahm die Königinwitwe Mary die Vorbereitung Elizabeths auf ihre Rolle als künftige Königin. Sie brachte Elizabeth und ihre vier Jahre jüngere Schwester Margaret an alle geschichtlich bedeutenden Orte des Königreiches, damit beide so viel wie möglich über die Geschichte und die Traditionen des Vereinigten Königreiches erfuhren und verinnerlichen konnten.
An Elizabeths 21. Geburtstag im Jahr 1947, als sie ihre Eltern gerade auf einer „Royal Tour“ durch den afrikanischen Kontinent begleitete, wurde von Südafrika aus ihre bedeutende Rede weltweit übertragen, in welcher sie ihr ganzes Leben „ob es kurz oder lang sein mag“ in den Dienst des britischen Volkes und des Commonwealth stellte.
Vor nunmehr fast 70 Jahren am 6. Februar 1952 folgte die junge Elizabeth ihrem Vater George VI auf auf den Thron. So Gott will, darf sie nächstes Jahr The Platinum Jubilee feiern. Seither übt Elizabeth ihr Amt mit einer großen und bewundernswerten Disziplin aus. Sie ist wahrscheinlich die am meisten fotografierte Frau der Welt. Monarchin, Mutter, Großmutter, Urgroßmutter. Eine Frau mit Charme, Witz und Verstand. Sie kannte nahezu alle großen Staatenlenker der Nachkriegszeit und hat in ihren Dienstagsaudienzen seit dem Beginn ihrer Amtszeit 14 Premierminister empfangen und beraten, was sie wahrscheinlich zu einem der am besten informierten Menschen der Welt macht.
Sie beschäftigt 1.200 Menschen, doch sie füttert ihre Corgies selbst und behandelt sie mit Naturheilmedizin aus ihrer privaten „Hausapotheke“ wenn sie krank sind. Sie ist eine erfolgreiche Pferde- und Hundezüchterin. Bis vor einigen Jahren absolvierte sie ein Wochenarbeitspensum von 40 Stunden, während andere in ihrem Alter längst in Rente waren. Alles ohne je auch nur den Anschein von Ermüdung oder Schwäche zu zeigen.
In unserer sich immer schneller ändernden Welt steht „die Queen“, wie sie überall respektvoll genannt wird, für Stabilität und Kontinuität. Sie ist eine lebendige Ikone. Ein einziges Mal hat sie geirrt, stand ihr Ansehen bei ihrem Volk auf der Kippe. 1997 nach dem Unfalltod von Diana in Paris. Sie entschied sich für ihre Familie, wollte ihre Enkelsöhne William und Harry, damals 15 und 12 Jahre alt, schützen vor der distanzlosen Boulevard-Presse und blieb im fernen Schottland auf Schloss Balmoral. Die Briten haben ihr das längst verziehen, denn sie war fähig, mit Würde und Größe die Situation für die Monarchie zu retten. Ein Begräbnis mit allen Ehren für die „Prinzessin des Volkes“, die beinahe gegen jede Regel verstoßen hatte, die es gab und doch das Volk auf ihre Seite gezogen hatte gegen die königliche Familie. Niemand wird die knappe Verneigung der Königin vor dem vorbeiziehenden Sarg vergessen. Mit der Fernsehansprache zu Dianas Tod nutzte sie die Gelegenheit, sich zu erklären, dass ihrer Familie, vor allem den beiden Enkeln in diesen schweren Stunden ihre Sorge galt. Sie sprach auch als „Großmutter“, wie sie sagte. Und die Briten verstanden sie. Der ehemalige britische Außenminister Douglas Hurd, schreibt in seinem Buch über sie: „Elizabeth war von Natur aus keine Reformerin, geschweige denn eine Revolutionärin, aber sie hatte gelernt, sich zu bewegen, wenn Bewegung nötig war.“
Sie fühlt sich in ihrem Amt getragen von Gott. „Von Gottes Gnaden Königin des Vereinigten Königreiches“ lautet ein Teil ihres Titels. Das ist für sie mit Leben gefüllt, daraus leitet sie ihre Verantwortung ab. Sie weiß, dass jemand über ihr steht und hat Seine Güte und Gnade auch erfahren. In ihrer Weihnachtsansprache 2002, dem 50. Jahr ihrer Regentschaft, sagte sie: „Ich weiß, wie sehr ich mich auf meinen Glauben verlassen kann, der mich durch gute und schlechte Zeiten führt. Jeder Tag ist ein neuer Anfang. Ich weiß, dass der einzige Weg, mein Leben zu leben, darin besteht, zu versuchen, das Richtige zu tun, langfristig zu denken, mein Bestes zu geben in allem, was der Tag bringt, und mein Vertrauen in Gott zu setzen… Ich schöpfe Kraft aus der Botschaft der Hoffnung im christlichen Evangelium.“
Es wurde in der Vergangenheit aus unterschiedlichen Gründen spekuliert, ob sie irgendwann zurücktritt. Auch jetzt, nach dem Tod ihres geliebten Prinzgemahls Philip, dem Duke of Edinburgh, der vor etwas mehr als zwei Wochen verstarb. Ihre „Stärke“ und ihr „Halt“, wie sie ihn anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit am 20. November 1997 bezeichnete, musste sie nach mehr als 73 Ehejahren verlassen. Sie wird nicht zurücktreten, gleichwohl sie nun „eine große Lücke“ in ihrem Leben fühlt, wie ihr Sohn Andrew sie vor einigen Tagen zitierte. Sie wird ihr Amt bis zum Schluss mit derselben Disziplin und Stärke ausführen, mit der sie durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens gegangen ist. Bilder wie von der des Lebensmutes beraubten Königin Victoria wird es von Elizabeth nicht geben. In diesen Tagen der Trauer, die sie heute sicher ganz besonders spürt, erfährt sie auch noch einmal, wie sehr ihr Volk sie verehrt, ja liebt, und mit ihrer Familie, aber vor allem mit ihr selbst um ihren geliebten Philip trauert.
Sie kann für Frauen ein Vorbild sein, auch wenn nicht jede von uns eine Königin ist. Für mich ist sie es zweifellos. Und ich wünsche ihr von Herzen alles Gute und Gottes reichen Segen zu ihrem 95. Geburtstag. Happy birthday, Your Majesty! God save the Queen!
Bildquelle:
- Queen_Elisabeth_II_Krönung_1963: getty images