Die Super League ist gescheitert – vorerst

ARCHIV - Ein Gewinner des Desasters um die gescheiterte Super League: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Foto: Arne Dedert/dpa

von ARNE RICHTER

LONDON – Zwei wilde Fußball-Tage haben Spuren hinterlassen. Die Debatte um die letztlich schnell gescheiterte Super League haben gezeigt, wie fragil das Milliarden-Business sein kann. Die UEFA ist zunächst gestärkt.

Doch die ökonomischen Probleme mehrerer Branchenführer sind nicht aus der Welt. Die Spitzenclubs werden neue Antworten suchen.

Was steckte wirklich hinter den Super-League-Plänen?

Schnöde Geldgier? Visionäre Fußball-Zukunft? Die Initiatoren der Super League um Florentino Perez von Real Madrid und Andrea Agnelli von Juventus Turin planten ihr Projekt von langer Hand. Die schnelle Umsetzung in der Nacht vor der entscheidenden Exko-Sitzung zur Champions-League-Reform war dann ein bewusster Coup. Die erwarteten Änderungen reichten ihnen schlicht nicht. Das Problem: Die Milliardäre haben überreizt, den Faktor Fan- und Fußball-Kultur unterschätzt, der in ihrer Gedankenwelt kaum vorkommt.

Im Nachhinein wird nun klar, was sie vor allem antrieb. Das Geld geht aus in der Beletage. Milliardenschulden drücken. Neue Märkte müssen her. Die Clubs aus England folgten aber nicht aus genereller Überzeugung, sondern als schnöde Mitläufer. Die Angst: Die nationale Konkurrenz könnte ihnen als Super-League-Clubs enteilen.

Ist das Konstrukt einer Super League ein für alle Mal vom Tisch?

Die klare Antwort: Nein. Der krassen Abfuhr folgt sicherlich eine Auszeit. Doch die Idee einer Super League ist ja nicht neu. Schon 1964 schrieb der englische Fußball-Autor Brian Glanville kritisch über ein drohendes Super-League-Szenario. Nach einer Phase der Neuorientierung dürften die Top-Clubs ihren Einfluss wieder geltend machen, vermutlich innerhalb der UEFA-Hierarchie – oder doch mit Rückendeckung anderer Akteure. Die Champions League kommt ab 2024 der Super-League-Idee ohnehin näher. Und die FIFA bereitet sich auf die Umsetzung der globalen Club-WM vor.

Real Madrids Präsident Florentino Peréz gibt noch nicht auf. «Da liegen sie komplett falsch», sagte er in Richtung der Kritiker, die das Projekt für erledigt erklärt haben, in einem am frühen Donnerstagmorgen ausgestrahltem Radio-Interview von SER, über das die Zeitung «Marca» berichtete. Er denke nicht, dass die anderen Fußball-Clubs die Super League verlassen haben. «Es ist klar im Vertrag, dass du nicht gehen kannst», sagte Peréz.

Wie gehen die Fans künftig mit den zwölf Abtrünnigen um?

Größere Proteste wie Fan-Demos in den Straßen Londons dürfte es zunächst nicht mehr geben. Zu eindeutig waren die Reuebekundungen der Bosse. Und im Saisonendspurt geht es jetzt um Titel. Das zieht die Anhänger wohl in den Bann. Doch die organisierten Fan-Gruppen wittern die Chance, noch eindringlicher auf ihre Interessen hinzuweisen. «Der wahre Kampf beginnt jetzt», schrieb das Netzwerk «Football Supporters Europe (FSE)».

Welche Zukunft haben die Initiatoren wie Florentino Perez oder Andrea Agnelli bei ihren Clubs?

Perez ist bei Real Madrid gewählt. Agnelli Teil der Juve-Dynastie. Beide dürften kaum um ihre Posten bangen müssen. In England gibt es aber sehr wohl Stimmen, die eine generelle Abkehr vom Investoren-Geld aus den Emiraten, Russland oder den USA fordern. Club-Legende Jamie Carragher mahnte eine neue Club-Struktur für Liverpool an. Nicht umsonst machten die Eigner einen tiefen Verbal-Bückling. Ohnehin nur begrenzt vorhandenes Vertrauen muss neu gewonnen werden.

Müssen die zwölf Mitgründer Strafen fürchten?

Danach sieht es derzeit nicht aus. Der Einflussverlust bei UEFA und European Club Association ist erstmal Strafe genug. Und die UEFA will ihre laufenden Wettbewerbe wie Champions League und Europameisterschaft auch nicht beschädigen. Das Halbfinale der Königsklasse soll wie geplant mit den Partien von Real Madrid gegen Chelsea und Manchester City gegen Paris Saint-Germain stattfinden. Für die EM wird kein Superstar gesperrt.

Bekommt der deutsche Fußball künftig mehr Einfluss?

Der deutsche Fußball ist auf jeden Fall ein Krisengewinner. Mit Karl-Heinz Rummenigge kehrt ein Big Player auf die Funktionärsbühne zurück. Und UEFA-Boss Aleksander Ceferin hat den Bayern-Vorstandschef und Nasser Al-Khelaifi von Paris Saint-Germain für ihre Treue schon ausdrücklich gelobt. Ob und wie sich das im Fußball-Alltag auszahlt, könnte sich schnell zeigen, wenn die UEFA über den deutschen EM-Spielort München entscheidet

Was passiert jetzt mit München als EM-Gastgeber?

Es bleibt ein Politikum. Doch ein Rauswurf Münchens aus dem Kreis der EM-Spielorte hätte jetzt einen ganz bitteren Beigeschmack. Längst munkelt man, dass Rummenigge mit seiner Super-League-Absage und dem folgenden Einzug ins UEFA-Exekutivkomitee einen cleveren Schachzug pro München gemacht hat. Eine Zuschauergarantie wird es in der Corona-Pandemie nicht geben. Aber die UEFA dürfte für die neuen dicken Freunde ihres Chefs Ceferin eine diplomatische Lösung finden. Sonst wäre der deutsche Fußball doch ein großer Verlierer einer dramatischen Woche.

Ein EM-Standort darf sich schon als Verlierer fühlen. Die lokalen Organisatoren von Bilbao teilten am Mittwochabend mit, dass laut UEFA-Entscheidung in der spanischen Stadt keine Spiele angepfiffen werden.

Bildquelle:

  • Karl-Heinz Rummenigge: dpa

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