Die deutsche Wirtschaft in der Corona-Krise: Hinter dem Horizont gehts weiter

„Hinterm Horizont geht’s weiter ein neuer Tag
Hinterm Horizont immer weiter zusammen sind wir stark…“ (Udo Lindenberg)

von PROF. DR. PATRICK PETERS

Deutschland galt noch vor 20 Jahren als der kranke Mann Europas. Die Arbeitslosigkeit war hoch, das Wirtschaftswachstum schwach. Dann kam Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 zur Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes von 2003 bis 2005. Diese Reformen haben entscheidend zu einer bemerkenswerten Trendumkehr auf dem deutschen Arbeitsmarkt beigetragen und die Arbeitslosigkeit zwischen 2005 und 2020 nahezu halbiert (von 11,7 auf 5,9 Prozent). Dann kam im Frühling 2020 die Corona-Pandemie über Deutschland und die Welt und hat zu den schwersten wirtschaftlichen Verwerfungen seit Menschengedenken geführt – und zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit.

Die Arbeitslosenquote im Februar 2021 in Deutschland lag bei 6,3 Prozent. In dem Monat waren rund 2,9 Millionen Arbeitslose bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Gegenüber dem Vorjahresmonat stieg die Zahl um 509.000, der aktuelle Corona-Effekt wird für Februar auf 34.000 zusätzliche Arbeitslose beziffert. Das Problem seien laut der Behörde weniger die Entlassungen im Rahmen von Lockdown und Krise, sondern weniger Abgänge aus der Arbeitslosigkeit, weil der Arbeitsmarkt derzeit kaum aufnahmefähig sei. Damit drohe ein neuer Sockel bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Diese ist erneut leicht um zwei Prozent auf 1,01 Millionen gestiegen.

Ist das vielbeschworene und international neidisch betrachtete deutsche Jobwunder damit zum Erliegen gekommen? Nicht unbedingt: Der allgemeine Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit geht fast vollständig auf das Konto der Pandemie, betonte Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, zum Jahresbeginn. Das bedeutet vermutlich: Der exogene Schock der Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen der Wirtschaft werden schließlich früher oder später überwunden. Und dann ist auch der Arbeitsmarkt wieder auf einem guten Weg. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beispielsweise erwartet, dass die Arbeitslosenquote schon 2022 auf 5,3 Prozent fällt und damit fast am Vorkrisenniveau anknüpfen kann. Diese Entwicklung würde somit parallel zur Konjunkturerholung verlaufen. Immerhin sagen die meisten Forscher vorher, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr die Corona-bedingten Rückgänge hinter sich lassen und wieder ins Plus drehen wird.

Dazu passen Ergebnisse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Das IAB-Arbeitsmarktbarometer ist im Februar gegenüber dem Vormonat um 0,7 Punkte auf 100,9 Punkte gestiegen und zeigt damit verhalten günstige Aussichten für die Arbeitsmarktentwicklung im Frühjahr. „Der Arbeitsmarkt hält dem zweiten Lockdown weiter stand“, sagte Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen“, Ende Februar. Die Entlassungszahlen hielten sich weiterhin in Grenzen. Mit Blick auf mögliche Lockerungen und die voranschreitenden Impfungen seien die Arbeitsagenturen in ihren Einschätzungen zur Arbeitsmarktentwicklung wieder optimistischer geworden. Besonders die Beschäftigungskomponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers legte im Februar zu. Nach einem Plus von 1,2 Punkten gegenüber dem Vormonat liegt sie mit 100,3 Punkten erstmals seit Beginn der Corona-Krise nicht mehr im negativen Bereich. Damit werden keine Beschäftigungsrückgänge erwartet. Die Komponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers zur Vorhersage der saisonbereinigten Arbeitslosigkeit stieg im Februar leicht um 0,1 Punkte auf 101,5 Punkte. Die Skala des IAB-Arbeitsmarktbarometers reicht von 90 (sehr schlechte Entwicklung) bis 110 (sehr gute Entwicklung).

Einfach zurücklehnen und die Zeit alle Wunden heilen lassen, wird aber nicht gelingen. Denn die IAB-Forscher haben auch errechnet, dass die deutsche Wirtschaft bis mindestens 2025 die Folgen der Corona-Pandemie spüren wird. Alleine das Bruttoinlandsprodukt müsse in den nächsten fünf Jahren Abstriche um 0,6 Prozentpunkte wegen der Krise hinnehmen, und auf dem Arbeitsmarkt müsse bis 2025 mit einem langfristigen Minus von 200.000 Jobs gerechnet werden. Das gelte laut IAB vor allem für Einzelhandel, Unternehmensdienstleistungen, Gastgewerbe, Verkehr, Luftfahrt und Flugzeugbau. Gerade im Niedriglohnsektor können die Einschnitte erheblich werden. So sind infolge von Corona bereits 530.000 Minijobs abgebaut worden.

Insofern stehen der deutschen Wirtschaft und Politik weiterhin große Herausforderungen ins Haus. Aber das deutsche Jobwunder könnte durchaus wieder Fahrt aufnehmen, wenn die Politik die richtigen Weichen dafür stellt. Die mögliche vorgezogene Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung, der nach geltender Rechtslage 2023 von 2,4 auf 2,6 Prozent steigen soll, gehört nicht dazu, genauso wenig wie die immer wieder aufkeimende Debatte um Steuererhöhungen. Dahingehend äußerte sich bereits Ende November der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest. Er hat sich trotz der hohen Verschuldung im Rahmen der Corona-Krise gegen baldige Steuererhöhungen gewandt. Wichtig sei die wirtschaftliche Erholung, dafür seien Steuererhöhungen ungünstig.

Bildquelle:

  • Sonnenaufgang_3: dpa

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