Die AfD in NRW: „Es ist ein langer Weg, den wir noch vor uns haben“

Klaus Esser ist Landesgeschäftsführer der AfD in Nordrhein-Westfalen.

SIEGEN – An zwei aufeinander folgenden Wochenenden hat die nordrhein-westfälsche AfD ihre Liste für die Bundestagswahl im September bechlossen. kritiker sprachen danach von einem Rechtsruck des Landesverbandes und von viel zu wenigen Frauen. TheGermanZ sprach mit dem AfD-Landesgeschäftsführer Klaus Esser darüber.

Herr Esser, Sie haben einen turbulenten Listenparteitag in Siegen erlebt mit fast 500 Delegierten Es gab einige Überraschungen, zum Beispiel einen Gegenkandidaten für Ihren Landesvorsitzenden und bisher schon Abgeordneten. Der Herausforderer hat dann gleich 47 Prozent der Stimmen erhalten. Das bietet nicht das Bild einer geschlossenen AfD in Nordrhein-Westfalen, oder?

In unserer jungen Partei sind Wahlergebnisse über 80 oder 90 Prozent, wie etwa bei der CDU, eher unüblich. Es prallen noch wirkliche Unterschiede aufeinander, viele Wahlen sind für die Delegierten Richtungsentscheidungen. Zudem arbeiten die verschiedenen Interessensgruppen in unserer Partei natürlich vor einer Wahlversammlung, treffen Absprachen und schließen Bündnisse. Manche Wahlergebnisse sind das Ergebnis solcher Bündnisse. Unsere Partei in NRW ist jedoch fernab dieser Details viel geschlossener, als es in diesen Momenten scheint.

Aus meiner persönlichen Sicht wird unsere Partei – ähnlich wie es vor vielen Jahren bei den Grünen gelaufen ist – noch einige Jahre benötigen, um in ein ruhiges Fahrwasser zu kommen.
Die Delegierten haben Rüdiger Lucassen, unseren Landessprecher, auf den Spitzenplatz unserer Bundesliste gewählt. Dass der Destruktivismus von zwei Rändern unserer Partei abgewehrt werden konnten, ist ein Zeichen der Stabilität und bestätigt den Kurs der Mitte in unserem Landesverband, der sowohl die Professionalisierung unserer Partei vorantreibt und dabei unterschiedliche Strömungen „atmen“ lässt. Harald Weyel ist ein achtbarer Kandidat. Als MdB ist er gemeinsam mit unserem Landessprecher Rüdiger Lucassen Teil der aktuellen AfD Landesgruppe NRW im Bundestag. Das war auch der Grund für die Delegierten, Herrn Weyel zu einem späteren Zeitpunkt auf einen Listenplatz für die kommende Legislatur zu wählen. Beide Kandidaten, Lucassen wie auch Weyel, sind Männer mit Format und Charakter. Das erkannte man später auch daran, dass beide gemeinsam eine Listenkandidatin vorgeschlagen haben.

Nordrhein-Westfalen ist der größte Landesverband und galt bisher als Trutzburg der Bürgerlichen in der ganzen AfD. Nun sind erkennbar Kandidaten aufgestellt worden, die sich deutlich rechts positionieren. Ein Zeichen, dass sich in ihrem Landesverband die Machtverhältnisse gerade verschieben?

Dieser Aussage würde ich zunächst widersprechen wollen. Wahlversammlungen bringen für verschiedene Gruppen innerhalb einer Partei immer Siege oder Niederlagen mit sich. In der CDU feiert beispielsweise momentan auf Seiten der WerteUnion auch niemand, da man innerhalb der CDU an die Wand gedrückt wurde und keinerlei politische Perspektive hat. In der AfD NRW hatten die Ränder der Partei bislang ein größeres Gewicht. Es gibt eine Verschiebung der Machtverhältnisse hin zu einer stabilen Mitte – ein gutes Zeichen für unsere Partei in NRW. Diese Entwicklung ist, mit neutralem Auge betrachtet, übrigens bundesweit in der AfD zu erkennen.

Was besonders auffällt ist, dass die ersten 13 Plätze der Landesliste von Männern besetzt wurden, auf Platz 14 dann mit Uta Opelt die erste Frau, die ganze fünf Anläufe benötigte, um endlich Platz 14 zu erhalten. Werden Frauen bei Ihnen nicht wertgeschätzt, oder haben sie einfach nicht genug qualifizierte Frauen in der NRW-AfD?

Diese Frage kann man recht einfach und schnell beantworten. Wir haben sehr qualifizierte Frauen in unserer Partei, die zum großen Teil noch jung sind und am Anfang eines politischen Werdeganges stehen. Für die Bundesliste der AfD NRW haben leider nur drei Frauen kandidiert, von denen dann zwei in aussichtsreiche Positionen gewählt wurden. Wir können niemanden zu einer Kandidatur zwingen.

Viele Beobachter haben den Eindruck, dass sich die AfD in diesen Wochen insgesamt deutlich nach rechts bewegt. Ausdruck dieser Einschätzung ist vielleicht auch, dass Ihre Partei mit Alice Weidel und Tino Chrupalla als Spitzenkandidaten von der Basis nominiert wurden, was der rechte „Flügel“ unterstützt und gefeiert hat. Wo sind eigentlich noch die bürgerlichen Köpfe in den Bundesländern? Viele markante Streiter sind ja inzwischen auch raus, wenn Sie etwa an Dana Guth und Uwe Junge denken…

Da Sie diese beiden Namen ansprechen: Beide Rücktritte hätten unterschiedlicher nicht sein können. Uwe Junge hat in Rheinland-Pfalz viel erreicht und begibt sich bewusst in den politischen Ruhestand, während Dana Guth eher rücksichtslos und unversöhnlich aus der Partei ausgetreten ist und eine ganze Landtagsfraktion gesprengt hat. Beide „bürgerliche Köpfe“ haben leider, sicherlich auch aus persönlicher Kränkung und Verletztheit heraus, verkannt bzw. persönlich nicht abwarten können, dass sich eine Partei über Jahre hinweg langsam entwickelt. Diese Austritte unter dem Reflex des Beschimpfens anderer Parteimitglieder oder des Orakelns über einen angeblichen Rechtsruck in der Partei helfen weder weiter noch sind sie besonders „bürgerlich“.

Ich sehe das insgesamt viel gelassener, das gilt auch für die Wahl des Spitzenduos für die kommende Bundestagswahl per Online-Mitgliederentscheid. Frau Weidel und Herr Chrupalla werden die Partei gut vertreten, Frau Cotar und Herr Wundrack sind ebenfalls ein würdiges Spitzenduo und werden in anderen Funktionen der AfD gut tun. Bei diesem Mitgliederentscheid hat sich am Ende erwartbar das deutlich bekanntere Duo durchgesetzt, das war bei einer Mitgliederbefragung zu erwarten.

Ende September wird ein neuer Bundestag gewählt. Es sieht so aus, dass sie nicht damit rechnen können, dass am 27. September irgendjemand von den anderen Parlamentsparteien bei der AfD anrufen wird, um ein Gespräch zu vereinbaren. Welche Machtperspektive haben Sie eigentlich, irgendwann mal Mehrheiten für ihre Ziele in Deutschland zu finden?

Wir werden erkennbar weiterhin von allen anderen Parteien geblockt. Ob dies ein gutes, demokratisches Verhalten ist, müssen diese Parteien für sich entscheiden. Es ist jedenfalls ein Zeichen an Millionen Wähler, dass man ganz bewusst und aus politstrategischen Überlegungen heraus diese Wähler(-stimmen) nicht beim demokratischen Diskurs mitberücksichtigen will. Die AfD wird ihre Arbeit weitermachen, die eigenen Strukturen ausbauen und professionalisieren sowie seriöse Oppositionsarbeit leisten. Deutschland braucht eine politische Alternative und solange sich die anderen Parteien so bewegen, wie sie es aktuell tun, bietet eine Alternative nur die AfD.

Ihre Frage nach einer politischen Beteiligung oder Machtperspektive lässt sich nur schwer konkret beantworten. Die AfD stellt momentan ein Korrektiv zu den anderen Parteien und deren Politikgebahren dar. Eine Beteiligung der AfD wird durch seriöse, langfristige Arbeit kommen und zwar in einzelnen Landesparlamenten, Beteiligung im Bundesrat und irgendwann auch im Bundestag. Wir haben eine Stammwählerschaft – im Osten mehr, im Westen weniger – und der Traum mancher etablierten Parteien, die AfD würde irgendwann von alleine wieder verschwinden, wird sich nicht erfüllen. Es ist ein langer Weg den wir vor uns haben, aber wir sind bereit diesen Weg zu gehen. Andere Parteien mussten diesen langen Weg auch gehen.

Bildquelle:

  • Klaus_Esser_LGF_AfD_NRW: afd nrw

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