von CHRISTIAN KUNZ & ULRIKE JOHN
München – Gute Nacht, Fußballdeutschland? Nach der Abrechnung von St. Paulis Sportchef Andreas Rettig mit dem TSV 1860 München und dessen eigenwilligem Investor Hasan Ismaik greift die Deutsche Fußball Liga nicht wie vom Hamburger Zweitligisten gewünscht durch.
Die DFL ging nicht auf Rettigs Forderungen und den Zoff auf der VIP-Tribüne beim Zweitliga-Spiel ein, nahm aber zu den Konflikten des bayerischen Zweitligisten mit Medienvertretern Stellung. Die Dach-Organisation mahnte den Club, dass ein professionelles Miteinander nicht in Frage gestellt werden sollte.
Den «Löwen» mit ihrem jordanischen Mehrheitsgesellschafter an der Spitze reagierten auf die Attacke aus dem Norden verwundert. «Die Löwen sind über den Stil des FC St. Pauli höchst erstaunt. Solch ein Interview auf den vereinseigenen Medien zu veröffentlichen, zeugt weder von kollegialem Umgang noch von gegenseitigem Respekt. Die unterschiedlichen Auffassungen der beiden Clubs sind kein Thema für die Medien, sondern sollten auf direktem Weg besprochen werden und intern bleiben», rügten die Münchner am Montagabend. Von «der Wiedergabe von falschen Informationen» war die Rede.
Laut Rettig waren Pauli-Funktionäre beim 2:1 am Samstag in München nach ihrem Jubel auf der Tribüne erst zur Mäßigung aufgefordert worden und später dazu, ihre Plätze zu verlassen und sich umzusetzen. Die Delegation hatte in Ismaiks Nähe gesessen – und sich verständlicherweise über die eigenen Tore gefreut. Beide Teams müssen sich noch Sorgen um den Klassenverbleib machen.
«Das Verhalten der Löwen-Verantwortlichen der letzten Wochen sollte auch dem letzten Fußballfan in Deutschland die Augen geöffnet haben und sollte all denen, die nach Investoren schreien, Mahnung und Warnung zugleich sein», kritisierte Rettig. «Wenn auf dem Altar des vielen Geldes Meinungsfreiheit und respektvoller Umgang mit Mitarbeitern, Medien und anderen Clubs auf der Strecke bleiben, dann gute Nacht Fußballdeutschland. Hier würde ich mir auch ein konsequenteres Eingreifen der Verbände wünschen. Jedes Spruchband wird sanktioniert, und hier ist man auf beiden Augen blind», ergänzte der frühere DFL-Geschäftsführer in einem auf der Vereins-Homepage veröffentlichten Interview am Sonntagabend.
Vorkommnisse wie zwischenzeitliche Hausverbote für Journalisten, dem Entzug von Dauerakkreditierungen oder nun der Posse im Ehrengastbereich sorgen immer wieder für Schlagzeilen. «Mit einem großen Schmunzeln» erlebte Karl-Heinz Rummenigge die neuesten Entwicklungen um den Lokalrivalen. «Mich überrascht nichts mehr bei 1860», sagte der Vorstandschef des FC Bayern. «Der scheint agil zu sein, der Herr Ismaik.»
Im Dauerzwist mit den Medien sieht die DFL auch nach dem jüngsten Ausschluss einer Reporterin keine rechtliche Handhabe. «Angesichts der Tatsache, dass die Clubs sowohl auf ihrem Trainingsgelände als auch im eigenen Stadion Hausrecht ausüben und die DFL in diesem Fall nicht direkt berührt ist, besitzt die DFL hier keine statuarische Grundlage, weitergehend tätig zu werden», so die DFL.
Dagegen kritisierte der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) den Traditionsclub hart. «Der Verein missbraucht das Hausrecht dafür, missliebige Berichterstattung zu unterbinden», sagte Geschäftsführerin Jutta Müller. Die «Löwen» betonten, an ihrer restriktiven Medienpolitik festhalten zu wollen.
Ismaik und seine Entourage denken also erwartungsgemäß nicht um. Der «1860-Wüstling», als den ihn die «Bild» (Montag) nach dem Tribünen-Ärger titulierte, wendet sich sowieso am liebsten ohne den Zwischenweg der Medien direkt über ein soziales Netzwerk an Follower und Fans. Nach der Pauli-Pleite mäkelte er dort etwa an Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus herum, nach dem 0:2 gegen Union Berlin an «katastrophalen Platzbedingungen».
«In Deutschland gibt es keinen anderen Verein, wo es so zugeht wie bei Sechzig. Das tut mir einfach nur weh», sagte der langjährige «Löwen»-Trainer Werner Lorant bei «Sport1.de» (Montag).
Bildquelle:
- Hasan Ismaik_1860 München: dpa