Deutschlands holpriger Start in die Cyber-Verteidigung

Droht uns ein Krieg der Hacker im virtuellen Raum?

von FRANK DUCZMAL

BERLIN – Als der ehemalige Volks- und Realschullehrer und spätere Professor für Erziehungswissenschaft am 19. Juli 2002 das Amt des Bundesverteidigungsministers antrat, ahnte Peter Struck noch nicht, dass uns im Zusammenhang mit seiner Person nicht nur der markante Schnauzbart des passionierten Pfeifenrauchers in Erinnerung bleiben sollte.

Es war hingegen ein einziger, noch im Antrittsjahr des damaligen Ministers gefallener Satz, der auch noch 19 Jahre später kein Verfallsdatum zu kennen scheint: „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“ Rein sachlich gibt es an dieser Darstellung nichts zu rütteln, denn es sind tatsächlich nicht nur wirtschaftliche Interessen, die es für Deutschland, besonders in Asien, mutmaßlich zu verteidigen und auszubauen gilt. Das digitale Schlachtfeld im global vernetzten „Cyber- und Informationsraum“ ist immerhin frei von Schießpulver, physischen Panzern und schwerem Marschgepäck. Es verlangt jedoch modernstes Gerät und ebensolche Infrastrukturen. Voraussetzungen also, die bislang immer noch keine herausstechende Stärke der Bundeswehr sind.

Die deutschen Streitkräfte selbst stellen zunächst einmal einen vitalen Cluster und somit ein attraktives Hochwertziel für viele internationale Antagonisten dar. Sie ist mit Mann und Gerät durch alle Bereiche hindurch national sowie international mit dem Cyberraum vernetzt und steht damit natürlich auf der Ziellieste von Hackern weit oben als. Für potentielle Cyber-Angreifer sind im Allgemeinen alle Daten interessant, da theoretisch jedes Byte und jede einzelne Datenstruktur für eine erfolgreiche Auftragserfüllung des Gegners nützlich sein können. Besondere Vorsicht ist dabei nicht nur bei digital gesteuerten Waffensystemen oder kritischer IT-Infrastruktur geboten, sondern – ähnlich wie in zivilen Wirtschaftsbereichen auch – der immer noch unterschätzte Operationssektor des Social Engineerig, bei dem der Versuch unternommen wird, durch beteiligte Personen sowie unter gezieltem Einsatz psychologischer Interventionen und digitaler Hochtechnologie, an streng vertrauliche Informationen heranzukommen.

Schauen wir einmal etwas genauer hin. Der strategische Rahmen für den Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr lässt sich regelmäßig aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) entnehmen. Demnach ist es unveränderte Aufgabe der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die territoriale Unversehrtheit sowie die Souveränität Deutschlands und seiner Verbündeten zu wahren. Neben den klassischen Dimensionen Land, Luft und See, spielt nun der Cyberbereich für die Bundeswehr mit der neuen und mit hoher Agilität geplanten Teilstreitkraft „Dimension CIR“, eine immer größere Rolle – auch im geostrategischen Kontext supranationaler Akteure.

Um Deutschlands kritische Infrastrukturen, insbesondere die des Militärs oder auch zahlreicher Wirtschaftseinrichtungen gegen Cyberangriffe besser aufstellen zu können, hob das Verteidigungsministerium im April 2017 das Kommando CIR (KdoCIR) aus der Taufe und etablierte damit gleichzeitig den neuen CIROrganisationsbereich, in welchem erwartungsgemäß auch die in Deutschland noch junge Cyber Dimension ihren Platz findet. Inzwischen umfasst dieser Teil der Truppe über 14.000 Soldaten – eine ganze Menge, sollte man meinen. Deren Aufgabenfeld zur Cyber Verteidigung ist ambitioniert. Es reicht vom Schutz und Betrieb des gesamten IT-Systems der Bundeswehr im Inland als auch im weltweiten Einsatz. Darüber hinaus sollen die Fähigkeiten zur Aufklärung und Wirkung im globalen Cyber- und Informationsraum gestärkt und weiterentwickelt werden. Auch das Geoinformationswesen der Bundeswehr soll dabei aktiv unterstützt und einbezogen werden.

So weit, so gut. Während etwa die USA mit ihrem USCYBERCOM  (United States Cyber Command) schon seit 2010 auf dem Sektor der elektronischen Kriegsführung sowie der Internetsicherheit punktgenau agieren und nachhaltig forschen, hat man sich in Deutschland erst viel später zu der Einsicht durchringen können, den militärischen Nutzen und dessen schierer Notwendigkeit frühzeitig zu erkennen und den verschlafenen Erfahrungsvorsprung zum alliierten Partner und dem anderer Staaten aufzuholen.

Bildquelle:

  • Cyber-Krieg: pixabay

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