Deutschland und England – ziemlich beste Brüder

von MARX DE MORAIS

Niemals haben sie sich gehasst und dennoch Kriege gegeneinander geführt. Wenige andere Staaten verbindet soviel wie Deutschland und Großbritannien. Als von einer deutschen Nation noch keine Rede sein konnte, haben die Briten einen Deutschen erwählt, um ihre Nation zu führen. Der Hannoveraner Georg I, bei uns auch als Ludwig bekannt, hat wesentlich zur Bildung des britischen Parteiensystems beigetragen. Unter ihm wurde Robert Walpole quasi erster Premierminister des Landes. Das politische System, wie wir es heute kennen, und das Großbritannien zu einer der ältesten Demokratien machte, fand hier seinen Anfang. Mit Prinz Albert, dem deutschen Gatten von Queen Victoria, bekamen die Briten ihren Vater der Industrialisierung. Victorias Enkel wurde dann als Wilhelm II deutscher Kaiser mit bekannten Folgen. Die Briten haben Deutschland zweimal befreit und darüber haben unsere Staaten auf eine Weise zusammen gefunden die einzigartig ist. „Special Relations“ sagt man den Briten zu den USA nach, aber die speziellste Beziehung führten seitdem Großbritannien und Deutschland. Man verstand sich, nahm die Eigenarten des anderen an, hatte eigene Interessen, gestand sie aber auch dem anderen zu. Das, ohne das man gezwungen war in ständiger Bekundung die Zuneigung zur Schau zu stellen. Man musste nicht Hand in Hand über Mohnfelder spazieren, nicht mit der Queen bei einer Tasse Tee schöne Bilder machen oder sich gegenseitig hochjubeln.

Die Deutschen wie die Briten lieben Ordnung, Regeln und Fleiß. Die einen machen damit bis heute erfolgreiche Weltpolitik und sind führender Dienstleister. Die anderen bauen Autos und Maschinen und führen damit die weltweite Exportliste an. Beide sind die erfolgreichsten Nationen Europas. Seit dem BREXIT wird in Europa, und unvernünftiger Weise auch in Deutschland, mit einem Ton der Schadenfreude gedroht. Nach dem Motto, man bräuchte das Inselreich eigentlich garnicht. Das mag für die Proseccoexporte der Italiener gelten, wie der dortige Industrieminister Carlo Calenda kürzlich gegenüber dem britischen Außenminister Boris Johnson meinte. Aber gilt das auch für Deutschland? Nein! Mit dem BREXIT verliert die E.U. ihren zweit größten Nettozahler und das trotz dem, zum geflügelten Wort gewordenen, Britenrabatt. Das Berliner Finanzministerium geht von einer jährlichen Mehrbelastung des deutschen Steuerzahlers von 4,5 Milliarden Euro aus. Kann und vor allem sollte sich Deutschland noch mehr leisten? Mit keinem anderen Land erzielen wir einen so großen Handelsüberschuss wie mit Großbritannien und inklusive dem Dienstleistungssektor, ist umgekehrt Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner der Insel. Dazu kommen Direktinvestitionen von zusammengenommen etwa 170 Milliarden jährlich. Fassen wir es zusammen, wirtschaftlich gesehen sind beide Länder für einander und Europa unerlässlich.

Aber auch auf anderem Gebiet sind beide Länder eng miteinander verbunden. Beinahe eine sprichwörtliche Familiengeschichte verbindet sie. Ausser in den USA leben nirgends sonst so viele Deutsche wie auf der Insel. Allein in London sind es eine viertel Million und in Deutschland über 100.000 Briten. Für beide gilt, dass es sich überdurchschnittlich um Fachkräfte handelt, oft mit Partner aus dem jeweiligen Land und langfristigen Perspektiven. Wie verbunden die Menschen mit ihrer neuen Heimat sind zeigt sich wenn man einen Blick auf das kulturelle Leben wirft. In einzigartiger Selbstverständlichkeit sind hier wie da Menschen im Kulturbetrieb ihrer neuen Heimat tätig. Ob Berliner Philharmonie oder British Museum, Humboldforum oder Institut of Contemporary Art. Selbst in der Politik sind sie gegenseitig angekommen. Im britischen Parlament gibt es sechs in Deutschland geborene Abgeordnete. Eine davon, die Labour Abgeordnete Gisela Stuart aus Bayern, ist die Führerin der Leave Kampagne die zum „Brexit“ führte. In Deutschland hatten wir mit David McAllister einen Niedersachsen mit durchaus positiver Bilanz. Am Ende noch ein Wort zur Sprache, Deutsche lieben Anglizismen, der Name dieser Zeitung ist einer. Ja sie kreieren sogar neue Worte, die sie glauben englisch sein müssten. Schonmal einen Briten getroffen, der weiß was ein „Handy“ ist oder einen zum „Public Viewing“ eingeladen? Viel Spass mit irgendwas mit Händen auf einer Leichenschau. Die Briten stehen dem nicht nach. „German expression“ ist ihnen eine Leidenschaft wie das Vögel zählen und Cricket spielen. The Hausfrau cleans the Dreck for the Gemütlichkeit. With Wanderlust and Lederhosen lets go to the Oktoberfest.

Die Frage ist nicht mehr, ob wir uns brauchen. Wir gehen schon längst, seit ein par hundert Jahren, einen gemeinsamen Weg. Mit Tiefen zwar, aber wir haben auch immer wieder zurückgefunden zu den Höhen. Man kann sagen, keiner liebt die Deutschen so wie die Briten und niemand versteht die Briten besser als die Deutschen. Der „Brexit“ ist Fakt und er wird unseren beiden Ländern, auch um Europas Willen, einiges abverlangen. Aber uns verbinden auch Gemeinsamkeiten die darüber hinausgehen. Togetherness anstatt division.

 

Bildquelle:

  • Union_Jack: pixabay

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