Der Krieg in der Ukraine: Das ist die Lage am Montag

Ein Soldat der ukrainischen Armee bewacht eine Stellung in Irpin. Foto: Diego Herrera/EUROPA PRESS/dpa

KIEW – Zwölf Tage nach Beginn der russischen Invasion in die Ukraine verschlimmert sich die Lage Hunderttausender Menschen in den angegriffenen Städten. Die ukrainische Regierung mahnt eine sofortige Evakuierung aus den Städten an.

Die Angriffe und Gefechte dauerten in der Nacht zum Montag an. Berichte über den Beschuss eines Forschungsreaktors in Charkiw lösten neue Sorgen über eine radioaktive Verschmutzung aus.

Russland: Evakuierungen aus ukrainischen Städten stocken

Die geplante Rettung von Zivilisten aus umkämpften ukrainischen Städten kommt erneut nicht voran. Moskau gab Kiew die Schuld. Die ukrainische Seite habe noch keine einzige Bedingung für die Einrichtung humanitärer Korridore erfüllt, teilte das russische Verteidigungsministerium laut Agentur Tass am Montag mit. Zuvor hatte das Ministerium für vier Städte solche Fluchtrouten angekündigt, darunter die nordostukrainische Millionenstadt Charkiw und die Hafenstadt Mariupol im Süden.

Die ukrainische Regierung zeigte sich empört, dass die am Montag angebotenen Fluchtrouten vor allem in die Nachbarländer Russland und Belarus führen sollten. Bereits am Wochenende waren zwei Anläufe für eine Evakuierung von Einwohnern der zwei Städte gescheitert. Beide Seiten warfen einander vor, die Feuerpause ignoriert zu haben.

Das russische Verteidigungsministerium behauptete, ukrainische «Nationalisten» hielten die Bevölkerung unter Androhung von Gewalt zurück und setzten den Beschuss russischer Stellungen trotz der Feuerpause fort. Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der Separatisten. «Die Menschen kommen im Moment noch nicht raus», sagte der Sprecher der prorussischen Kräfte im Gebiet Donezk, Eduard Bassurin, im russischen Staatsfernsehen. Nach Tass-Angaben überquerte ein Bus mit Geflüchteten aus Mariupol die russische Grenze.

Ukraine: Russland beschießt absichtlich Zivilisten

Die Ukraine hat Russland mit Blick auf die Lage in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol erneut Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Die ukrainische Regierung tue alles, um humanitäre Korridore für eine Evakuierung zu ermöglichen, schrieb Verteidigungsminister Oleksij Resnikow am Montag. Doch versuchten russische Truppen, die Stadt mit einer humanitären Krise zu «ersticken». Das strategisch wichtige Mariupol am Asowschen Meer ist eine der umkämpftesten Städte.

«Die russischen Terroristen halten ihr Wort nicht. Es gibt keine Gnade, nicht einmal für Kinder und Frauen, für Verwundete. Sie beschießen Wohnviertel. Sie beschießen Zivilisten während der Evakuierung», schrieb Resnikow. Russland betont stets, nur militärische Ziele ins Visier zu nehmen.

Nach Resnikows Angaben sind bisher mehr als 140.000 Ukrainer ins Land zurückgekehrt, Zehntausende hätten sich den Selbstverteidigungskräften angeschlossen. Außerdem hätten sich bereits mehr als 20.000 ausländische Freiwillige gemeldet, um gegen die russischen Truppen zu kämpfen.

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs wurden seit Kriegsbeginn am 24. Februar mehr als 11.000 russische Soldaten getötet. Knapp 300 Panzer und 1000 weitere gepanzerte Fahrzeuge sowie mehr als 100 Kampfflugzeuge und Hubschrauber seien abgeschossen worden. Allein in der Nacht zum Montag hätten ukrainische Truppen bei einem Angriff auf einen Flugplatz nahe der südukrainischen Stadt Cherson etwa 30 russische Helikopter zerstört, teilte das Kommando der Marineinfanterie mit.

Kämpfe in verschiedenen Regionen werden fortgesetzt

In der Nacht zum Montag meldete die ukrainische Seite Angriffe und Kämpfe in verschiedenen Gebieten des Landes. Im Süden sei vom Meer aus ein Raketenangriff auf nicht näher genannte «Objekte der kritischen Infrastruktur» im Dorf Tusly südlich der Hafenstadt Odessa ausgeführt worden, teilte ein lokaler Beamter in einem Video auf Facebook mit.

Im Gebiet Luhansk führe die ukrainische Armee schwere Gefechte mit russischen Truppen, schrieb Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar bei Facebook.

Gemeindevorsteher von Hostomel bei Kiew getötet

Der Gemeindevorsteher von Hostomel ist nach Angaben der örtlichen Behörden getötet worden. Russische Truppen hätten Jurij Prylypko gezielt erschossen, teilte der Gemeinderat am Montag bei Facebook mit. «Er starb bei der Ausgabe von Brot an Hungrige und Arzneien an Kranke.» Mit ihm seien zwei weitere Helfer getötet worden. Von russischer Seite gab es dazu keine Reaktion. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Das nordwestlich der Hauptstadt Kiew gelegene Hostomel mit dem nahen Flugplatz ist seit Beginn des Kriegs umkämpft. Der Großteil der ursprünglich 16.000 Einwohner ist geflohen. Den Verbliebenen droht aufgrund der fortgesetzten Kämpfe eine humanitäre Katastrophe.

Behörden: 133 Zivilisten in Charkiw getötet

In der heftig umkämpften ostukrainischen Großstadt Charkiw sind nach ukrainischen Angaben seit Beginn des russischen Angriffs 133 Zivilisten getötet worden, unter ihnen fünf Kinder. Außerdem seien bei den Kämpfen 76 Angehörige verschiedener ukrainischer Streitkräfte ums Leben gekommen, meldete die ukrainische Agentur Unian am Montag unter Berufung auf die Nationalpolizei des Gebiets Charkiw. Weitere 443 Menschen seien verletzt worden, davon 319 Zivilisten. Unabhängige Angaben aus dem Kriegsgebiet lagen nicht vor.

Charkiw ist seit Tagen schweren Angriffen der russischen Truppen ausgesetzt. Das Portal «Strana.news» berichtete unter Berufung auf einen Sprecher des Charkiwer Stadtrats, dass Hunderte Objekte in der Millionenstadt getroffen und beschädigt worden seien. Darunter seien der zentrale Platz der Stadt, Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude.

Auch der Fernsehturm von Charkiw war nach ukrainischen Angaben bei einem russischen Angriff beschädigt worden. Nach Angaben des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU wurde in Charkiw zudem ein Forschungszentrum mit Atommaterial mit Raketenwerfern beschossen. Moskau beharrt darauf, dass nur militärische Ziele angegriffen würden.

Blinken: Sanktionen treffen Russlands Wirtschaft spürbar

Die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen dessen Einmarschs in die Ukraine zeigen nach Auffassung von US-Außenminister Antony Blinken schon deutlich ihre Kraft. «Sie haben bereits dramatische Auswirkungen», sagte Blinken am Montag in Litauen.

Der Rubel befinde sich im freien Fall, die Kreditwürdigkeit Russlands sei praktisch auf null gesunken und die Börse sei nicht mehr geöffnet. Zudem zeige sich ein «Exodus praktisch aller führenden Unternehmen aus Russland», sagte Blinken nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen Gabrielius Landsbergis in Vilnius. All dies vollziehe sich «in Echtzeit».

Russland befürwortet Gespräche zu Atom-Sicherheit

Aus russischer Sicht könnten schon bald Gespräche mit der Ukraine und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zur Sicherheit der ukrainischen Nuklearanlagen beginnen. Moskau unterstütze den entsprechenden Vorschlag von IAEA-Chef Rafael Grossi, sagte der russische Botschafter Michail Uljanow am Montag in Wien.

Der Generaldirektor der IAEA hatte am Freitag rasche Verhandlungen für Sicherheitsgarantien unter der Schirmherrschaft der IAEA angeregt, um zu vermeiden, dass es im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine zu einem Atomunfall kommt.

Verhandlungen: Russische Delegation fliegt nach Belarus

Zur geplanten dritten Verhandlungsrunde zwischen Russland und der Ukraine ist die russische Delegation am Montag ins Nachbarland Belarus geflogen. Das meldete die Staatsagentur Tass. Offen war zunächst der Beginn der Gespräche. Nach Angaben aus Kiew sollten die Gespräche um 15.00 Uhr MEZ beginnen. Das schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Mittag auf Twitter. Podoljak twitterte dazu ein Selfie vor einem Militärhubschrauber. Bei den vorherigen Runden hatte es immer mehrere Stunden von der Ankunft der Vertreter bis zum Beginn der Gespräche gedauert.

Biden berät mit Scholz und anderen Verbündeten

US-Präsident Joe Biden berät am Montag mit europäischen Verbündeten wie Deutschland über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. An der Videoschalte um 16.30 Uhr MEZ werden Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson teilnehmen, wie aus Bidens aktualisiertem Tagesprogramm hervorging, das das Weiße Haus verbreitete. Thema seien «die neuesten Entwicklungen in Bezug auf Russland und die Ukraine». Auf dem ursprünglichen Programm Bidens für Montag war der Termin zunächst nicht vermerkt gewesen.

Türkei erwartet Außenminister von Ukraine und Russland

Die Außenminister der Ukraine und Russlands wollen sich zu Gesprächen in der Türkei treffen. Beide Seiten hätten zugestimmt und würden am 10. März in Antalya erwartet, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Montag. Die Gespräche sollten gemeinsam mit Cavusoglu im Dreier-Format stattfinden. Das russische Außenministerium in Moskau bestätigte Agenturen zufolge, ein Treffen von Ressortchef Sergej Lawrow und seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba sei am Rande des Diplomatie-Forums in Antalya geplant. Ein Sprecher des ukrainischen Außenministeriums sagte der Agentur Unian: «Die Möglichkeit eines solchen Treffens wird geprüft.»

Bildquelle:

  • Irpin: dpa

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