von DIETRICH KANTEL
BERLIN – Hanns-Seidel-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Friedrich-Nauman-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung. So unterschiedlich in der politischen Ausrichtung ihrer Mutterparteien, eint diese sogenannten „parteinahen“ Stiftungen eins: ein ständig wachsender, Kritiker sagen ungenierter Griff in die Staatskasse. Tendenz: seit Jahren steil steigend.
Die Steuerfinanzierung der politischen Stiftungen ist ein Wirrwar in gesetzlicher Grauzone. Es speist sich aus den Töpfen mehrerer Ministerien. Die Gelder kommen im Wesentlichen aus dem Bundesinnenministerium (BMI), dem Auswärtigen Amt (AA), dem Bundesumweltministerium (BMU), dem Entwicklungsministerium (BMZ), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Unterschieden wird nach Globalzuschüssen und Projektzuschüssen.
In einem Untersuchungszeitraum von 2000 bis 2017 explodierte das Zuschussvolumen geradezu: kassierten die Stiftungen im Jahr 2000 noch 295 Millionen Euro, waren es im Jahr 2011 schon 423 Millionen und im Jahr 2017 über 580,05 Millionen Euro. Binnen 17 Jahren ist das eine Steigerung von fast 100 Prozent.
Hinzu kommen schwer überschaubare Zuschüsse in den Bundesländern. Der Trick: Die Landesverbände der Parteien unterhalten „parteinahe“ Stiftungen auf Länderebene. Die firmieren jedoch unter anderen Namen. Beispiele: Karl-Arnold-Stiftung (CDU NRW), August-Bebel-Institut (SPD Berlin) oder Petra-Kelly-Stiftung (GRÜNE Bayern). Insgesamt gibt es bundesweit 21 solcher regionalen Parteitöchter. So fließen Schätzungen von Kennern der Szene wohl weitere 100 bis 200 Millionen Euro in Richtung der deutschen Parteienlandschaft.
Wie schon bei der aufgeblähten Parteienfinanzierung zeigt sich auch hier, dass die politisch-parlamentarische Klasse sich an Steuergeldern gerne selbst bedient. Das klappt, weil die institutionelle Finanzierung der politischen Stiftungen gesetzlich gar nicht geregelt ist. Vor Jahrzehnten einmal begonnen, befand dann später das selber nach Parteiproporz zusammengesetzte Bundesverfassungsgericht, dass das Wirken dieser Stiftungen wohl im öffentlichen Interesse sei, also jedenfalls nicht verboten. So werden seither jährlich einfach per Haushaltsgesetz die Mittel festgesetzt, die an die Parteistiftungen fließen. Das regelten die Fraktionen im Bundestag immer sehr einvernehmlich. So schustern die politischen Parteien über ihre Bundestagsfraktionen ihren Stiftungen immer höhere Finanzmittel zu.
Formale Trickserei
Nur aus formalrechtlichen Gründen sind die politischen Stiftungen juristisch getrennt von ihren jeweiligen Mutterparteien. Daher rührt auch die gestelzte Bezeichnung als nur „parteinah“. Dabei ist jedermann bewusst, dass die Stiftungen den Parteien unverkennbar zuzuordnen und sie lediglich deren verlängerter Arm sind. Bezeichnender Weise liegt die Verwaltung der jeweiligen Parteiarchive durchweg bei den zugehörigen Stiftungen.
Ohne eine formale Trennung gäbe es rechtliche Probleme hinsichtlich der zulässigen Finanzierung der Parteien nach dem Parteiengesetz. Dort ist gesetzlich eine Obergrenze festgeschrieben. Ein vergleichbares Parteistiftungsgesetz existiert dagegen nicht. So können die Parteien über den einfachen und nicht leicht durchschaubaren Weg über die jährlichen Haushaltsgesetze Zuschüsse nach Belieben aufstocken. Wegen der faktischen Nähe von Partei und Stiftung ist das in objektiver Betrachtungsweise letztlich als Umwegfinanzierung zu werten, die Deckelung des Parteiengesetzes aushebelnd.
Komfortable Versorgungsstationen
Rund 2.100 Mitarbeiter beschäftigen die Parteistiftungen inzwischen im Inland und weltweit. Nämlich auch in über 300 Auslandsvertretungen und Projektbüros. Da werden vorzugsweise Parteisoldaten trefflich versorgt.
Gerne werden auch abgewählte Parteigranden nach Regierungswechseln in Bund oder Land auf Auslandsstationen zwischengelagert. Da wird der ausgeschiedene (Landes-) Minister gerne mal für zwei, drei Jahre nach Kapstadt, Rio oder Jerusalem entsandt, um für die Stiftung dort repräsentativ tätig zu sein. So verliert er nach seiner Abwahl in Deutschland nicht das Selbstbewusstsein und kann auf quasi-diplomatischer Ebene agieren. In der Zwischenzeit findet sich bestimmt eine neue Verwendung in Deutschland, Brüssel, Straßburg oder bei der UNO…
Ausgrenzung der AfD-Stiftung
Vom Geldsegen abgeschnitten ist derweil noch die von der größten Oppositionspartei im Bundestag, der AfD ins Leben gerufene Desiderius-Erasmus-Stiftung unter Vorsitz der früheren CDU-Politikerin Erika Steinbach,. Trotz wiederholter Antragstellungen haben die schon länger im Bundestag anwesenden Parteien die „Steinbach-Stiftung“ (Parteischnack) bisher von Zuschüssen ausgeschlossen. Das hat durchaus ein Geschmäckle von Willkür. Ein dagegen gerichteter Eilantrag auf Globalzuweisung von knapp 1,4 Millionen Euro für die Jahre 2018/19 scheiterte auch vor dem Bundesverfassungsgericht. Allerdings nur vorläufig und aus rein formalen Gründen des Verfahrensrechtes. Würden die Altparteien im Bundestag die AfD, also eigentlich deren Stiftung gleich behandeln, stünden der Desiderius-Erasmus-Stiftung inzwischen kumuliert wohl Zuschüsse von über 40 Millionen Euro zu.
Dringlich: Ein Parteienstiftungsgesetz
Ein Parteienstiftungsgesetz ist überfällig und dringend geboten. Nicht nur wegen willkürlicher Mehrheitsentscheidungen im Bundestag, die einseitig benachteiligen.
Geschätzt 70 Prozent der von den Stiftungen vereinnahmten Bundesmittel fließen in deren zahllose Projekte im Ausland. Hier stellt sich die Frage: Warum müssen die deutschen politischen Parteien über ihre Stiftungen steuerfinanziert neben den deutschen Botschaften im Ausland wirken. Das Grundgesetz hat den Parteien lediglich eine Rolle im Inland zugewiesen. Und die Rolle ist sehr knapp: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit“ (Artikel 21 Grundgesetz).
Angesichts solcher Entwicklungen und Auswüchse erscheint eine gesetzliche Regelung über das Wesen der politischen Stiftungen, deren Aufgaben und deren transparente Finanzierung nebst verbindlichen Obergrenzen dringend geboten. Eine Reduzierung von Art und Umfang der Aktivitäten darf dabei kein Tabu sein. Der Bund der Steuerzahler und Transparency International mahnen dieses schon lange an.
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