Das neue Wahrzeichen New Yorks ist immer noch nicht ausgelastet

von LUKAS MIHR

NEW YORK – Wohl jeder erinnert sich, wo er oder sie am 11. September 2001 war. Die Terroranschläge auf das World Trade Center und das Pentagon markierten eine Zeitenwende. Etwa 3000 Menschen starben, als Islamisten auf Geheiß des al-Qaida-Führers Osama bin Laden Flugzeuge entführten und als Geschosse verwendeten. Das World Trade Center, markanter Bestandteil der New Yorker Skyline und Inbegriff des amerikanischen Kapitalismus, existierte danach nicht mehr.

US-Präsident Bush rief den „Krieg gegen den Terrorismus“ aus und ließ die US-Armee erst in Afghanistan und dann im Irak einmarschieren. Hunderttausende Tote später verkündete Amtsnachfolger Joe Biden, die Truppen bis zum 11. September 2021 abzuziehen. 20 Jahre Krieg ohne kein echts Ergebnis, ohne jede Verbesserung.

Der Westen hat zumindest nicht gewonnen – und nicht einmal die Rekonstruktion des World Trade Centers in New York ist eine Glanzleistung.

Schnell wurde beschlossen, dass New York seine Skyline zurückhaben solle. Das geringste Problem war es noch, die Trümmer abzuräumen. Im Mai 2002 war wenigstens dieses Ziel erreicht.

Einigkeit bestand zunächst nur darüber, dass aus Respekt vor den Verstorbenen einerseits die frühere Grundfläche unbebaut bleiben und andererseits keine exakte Kopie des ursprünglichen World Trade Centers entstehen sollte. Der Vorschlag des Baulöwen Donald Trump, genau das zu tun, und lediglich die ursprüngliche Höhe von 410 auf 450 Meter zu erhöhen, verfing daher nicht.

Man sollte meinen, eine Tragödie von nationaler Tragweite hätte dafür gesorgt, dass der Staat selbst tief in die Tasche greifen würde, um die Wunde symbolisch zu heilen, doch weit gefehlt.

Immobilieninvestor Larry Silverstein, der erst wenige Wochen vor den Terroranschlägen Pächter des Gebäudes geworden war, sah sich mit dem finanziellen Ruin konfrontiert. Nicht nur brachen ihm mit den legendären Twin Towers auch die gesamten Einnahmen weg – er musste zudem die fällige Miete aus dem Pachtvertrag weiter zahlen.

Mehrere Jahre lang prozessierte Silverstein vor Gericht, um Entschädigungszahlungen von den Versicherungen zu erhalten. Etwa 100 Millionen Dollar konnte er erstreiten, da er Airlines und Flughäfen wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen eine Verantwortung für die Flugzeugentführungen vorwerfen konnte.

Für den Aufbau der Gebäude hätte dies aber bei weitem nicht gereicht. Mit einem simplen Trick gelang es Silverstein jedoch, die Entschädigungssumme seiner Versicherung auf mehre Milliarden hochzujazzen. Die wollten für ein „unvorhergesehenes Ereignis“ nur einen bestimmten Betrag auszahlen. Silversteins Anwälte setzten sich schließlich mit ihrer Lesart durch, zwei Flugzeugattacken seien eben genau zwei solcher Ereignisse gewesen.

Eine Ausschreibung für die Rekonstruktion wurde 2003 vom amerikanischen Architekten Daniel Liebeskind gewonnen, der zuvor das Jüdische Museum in Berlin entworfen hatte. Er erschuf die Vision des Freedom Towers, der 1776 Fuß (ca. 540 m) in den Himmel ragen sollte. (1776 hatten die USA sich für unabhängig erklärt.) Die Spitze des Gebäudes hätte aus einer Gerüstkonstruktion bestanden, in der auch Windräder Platz finden sollten. Der spätere US-Präsident Donald Trump hatte sich scharf gegen diese Pläne ausgesprochen. Würde man das World Trade Center in Form eines „Skeletts“ wiedererrichten, so argumentierte er, hätten die Terroristen doch noch gewonnen.

Letztlich gaben wirtschaftliche Bedenken den Ausschlag. Libeskinds Entwurf hatte zu sehr die Spitze des Gebäudes betont, dementsprechend hätte weniger Nutzfläche bestanden. Silverstein fürchtete, dass der Freedom Tower wirtschaftlich nicht tragbar gewesen wäre. Er wandte sich an den Architekten David Childs, den er schon vor den Terroranschlägen für eine Renovierung des World Trade Center einmal konsultiert hatte. Er sollte zusammen mit Liebeskind dessen Entwurf überarbeiten. Nachdem sich beide Architekten zerstritten hatten, ging das Kommando auf Childs über. Von den ursprünglichen Planungen blieb nur noch die symbolträchtige Höhe erhalten, auch der Name wurde fallen gelassen. Das One World Trade Center ist an das Originalgebäude angelehnt, verschlankt sich jedoch nach oben hin.

Und was ist mit der Sicherheit? Wie kann ein erneuter Flugzeugangriff bei einem nicht auszuschließenden nächsten Mal verhindert werden?

Kein Gebäude könnte solcher Wucht standhalten. Allerdings sind die unteren Stockwerke mit zusätzlichem Beton verstärkt, um Schutz vor Autobomben zu bieten. Außerdem sind die Treppen breiter, damit sich das Gebäude im Katastrophenfall schneller evakuieren lässt.

2015 wurde das One World Trade Center eröffnet, doch nicht alle Nebengebäude sind fertiggestellt. Gebäude 2 wurde ebenfalls neu entworfen und befindet sich noch in einer frühen Bauphase, mit Gebäude 5 wurde noch nicht begonnen. Die Zukunft des Projekts ist weiterhin offen, denn bislang sind die fertiggestellten Gebäude noch nicht ausgelastet.

Die große Immobilienkrise des Jahres 2007 bedeutete das Aus für viele ambitionierte Wolkenkratzer in den USA. Die Pläne für ein Gebäude mit über 600 Metern Höhe, das in Chicago entstehen sollte, verschwand wieder in den Schubladen der Architekten.

Mittlerweile spielt die Musik woanders. Das höchste Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, steht mit über 800 Metern Höhe in Dubai.

Bildquelle:

  • Freedom_Tower_New_York: pixabay

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