„Dann erhältst Du einen Gnadenerlass“: Niedersachsens AfD nach aufgeflogenem Geheimtreffen wie paralysiert

Tischdeko Iin der niedersächsischen AfD Foto: Daniel Karmann/dpa

BERLIN/HANNOVER – Drei führenden AfD-Politikern aus Niedersachsen droht der Parteiausschluss. Sie hatten an einem geheimen Treffen von rund 20 Parteimitgliedern – darunter Abgeordnete – teilgenommen, mit dem Parallelstrukturen des rechtsextremen „Flügel“-Netzwerkes wiederbelebt werden sollten. Ziel sei es, die Macht in der Landespartei vorbei an den Kreisverbänden zu übernehmen. Dumm gelaufen, denn einer der Teilnehmer zeichnete das Treffen heimlich auf und reichte die Aufnahmen an mehrere Redaktionen weiter.

Der Bundesvorstand der AfD beriet nach Bekanntwerden des Skandals in einer Telefonkonferenz und beschloss nach Kenntnisnahme der Mitschnitte gegen drei Teilnehmer Parteiausschlussverfahren. Es handelt sich nach unseren Informationen um den Landtagsabgeordneten Stefan Bothe, den stellvertretenden Landesvorsitzenden Uwe Wappler und den Beisitzer im Landesvorstand Thorsten Althaus.

Stefan Bothe kündigte inzwischen an, er wolle das gegen ihn gerichtete Ausschlussverfahren nicht hinnehmen. Bei dem Geheimtreffen im Februar habe es sich um ein privates Unterstützertreffen gehandelt. Dass dabei ohne Wissen der Teilnehmer ein Mitschnitt angefertigt worden sei, habe er inzwischen zur Anzeige gebracht.

Der niedersächsische Landesverband gilt als „Battleground State“ zwischen dem rechten Flügel und den gemäßigten Realos in Deutschland.

Offen ausgebrochen war der erbitterte Kampf mit dem Sturz der gemäßigten früheren Landesvorsitzenden Dana Guth auf einem Parteitag in Braunschweig. Die Gemäßigten zogen danach geschlossen von dannen und überließen dem neuen Vorsitzenden, dem weit rechts stehenden Bundestagsabgeordneten Jens Kestner, das Feld. Viele Beobachter auch in der AfD hielten das damals für einen Fehler, ebenso wie den Auszug von Dana Guth und zwei weiteren Abgeordneten aus der Landtagsfraktion, der dazu führte, dass die AfD in dem Landtag keine Fraktion mit allen Rechten und üppigen finanziellen Mitteln mehr hat. Viele Mitarbeiter der Fraktion verloren danach ihre Jobs. Guth hatte dem Bundesvorstand zuvor angeboten, die Fraktion zu erhalten, aber ohne zwei „Flügel“-Leute in der Parlamentarierrunde.

Tatsächlich dürfte das Geheimtreffen im Februar aber stattgefunden haben, weil bei der Aufstellungsversammlung für die Bundestagswahl im Dezember plötzlich die Gemäßigten eine deutliche Mehrheit organisierten und ganz andere Bundestagskandidaten auf die Liste setzen, als es sich das Kestner-Lager gewünscht hatte. Unter Verweis auf mögliche Formfehler versucht der Landesvorstand seitdem, eine Wiederholung der Listenaufstellung durchzusetzen. Nun werde zeitnah eine neue Aufstellungsversammlung organisiert, teilte der Landesvorstand am Montag mit.

Als Spitzenkandidat in Niedersachsen nominiert wurde im Dezember der frühere Luftwaffen-General Joachim Wundrack, ein Gemäßigter, der den rechten Putin-Freunden im Flügel schon deshalb verhasst ist ebenso wie andere Offiziere, die in der Partei Karriere machten wie Uwe Junge aus Rheinland-Pfalz oder Georg Pazderski aus Berlin. Allein die Wortwahl, mit der Wundrack von den Flügelleuten geschmäht wurde, lässt ein erschreckendes Maß an persönlicher Feindseligkeit erkennen. Das wird nur noch getoppt vom Hass auf die frühere Landesvorsitzende Dana Guth, die beim Treffen durchgehend als „Verräterin“ bezeichnet wurde. In einem schriftlichen Protokoll des Geheimtreffens lesen sich Aussagen, die von Wappler stammen sollen, so:

„Wir müssen generalstabsmäßig diese Leute identifizieren, und wir müssen sie stellen. Wir müssen auch, quasi wie die heilige römische Inquisition, Leute vorladen und sagen: Du, mein Freund, ich weiß genau, Du hast mit dem was vereinbart. Entweder Du gestehst jetzt, weil der hat schon gestanden, und das schreiben wir jetzt gemeinsam auf. Und dann gehe ich danach mit dem Zettel zu ihm und sage: So, mein Freund, Dein Kumpel, der hat schon gesungen. Wenn Du jetzt auch singst, erhältst Du einen Gnadenerlass und zwei Jahre Ämtersperre – und dann ist wieder gut.“ Stasi-Chef Erich Mielke hätte das 1989 nicht besser formulieren können.

In der Telefonkonferenz mit dem Bundesvorstand kam Uwe Wappler gestern auch zu Wort und beklagte, dass er – Stand jetzt – nicht in den Bundestag kommen werde und somit – wörtlich – „einen Einnahmeverust von 500.000 Euro“ zu beklagen habe. Genau genommen hat er aber gar keinen „Einnahmeverlust“, weil er ja weder im Bundestag ist, noch einen sicheren Listenplatz bekommen hat. Er schlug dem Bundesvorstand deshalb – wörtlich – ein „Reisverschlussverfahren“ für die Aufstellung einer neuen Landesliste der niedersächsischen AfD für den Bundestag vor, auf der abwechselnd Gemäßigte und Rechte einvernehmlich auf die sicheren Plätze gewählt werden sollten. Dann klappt’s auch mit dem Einkommen wieder….

Bildquelle:

  • AfD-Fähnchen: dpa

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