WIEN – Aufgewachsen war Dietrich Mateschitz, rundherum liebevoll „Didi“ genannt, im beschaulichen St. Marein im Mürztal in der Steiermark, etwa 50 Autominuten nördlich von Graz. Bereits zum Studium verschlug es ihn in die vergleichsweise große Welt, nach Wien, wo er Welthandel studierte und danach eine Laufbahn als Marketingmanager eines Zahnpastaherstellers einschlug.
Der von ihm selbst genährten Legende nach machte er auf einer Dienstreise in Thailand die Bekanntschaft mit einem vor Ort gebräuchlichen Getränk namens Krating Daeng, das Energie gab. Mateschitz witterte das Geschäft, nahm Kontakt zu den Herstellern auf, investierte seine gesamten Ersparnisse. Die Red Bull GmbH war geboren, an der Mateschitz von Anfang an bis zu seinem Tod 49 Prozent hielt. Über sie erfolgte 1987 die Markteinführung des Energydrinks Red Bull. Dies war der Ausgangspunkt für alle weiteren Engagements.
Als Unternehmer war Mateschitz mit den regulatorischen Mühen in vielen Staaten befasst. Vielerorts erhielt Red Bull zunächst keine Marktlizenz, darunter in Österreich und Deutschland, weil die Gesundheitsbehörden die Inhaltsstoffe und deren Wirkung besonders genauen Prüfungen unterzogen. Mateschitz zielte zuerst auf das Premiumsegment, die Mischung „Wodka Red Bull“ ist heute von den Getränkekarten von Bars und Clubs nicht wegzudenken.
Der nächste Schritt war gezieltes Marketing, die Kernkompetenz des Firmengründers.
Red Bull sponserte Extremsportarten und pflegte so wohldurchdacht ein Image, das Kraft, Entschlossenheit, Mut und einen Lebensstil am Limit in sich vereinte. Bekannt wurde so etwa der Base Jumper Felix Baumgartner, der viele Rekorde aufstellte, bevor er im Rahmen des Projekts Red Bull Stratos aus knapp 40km Höhe mit einem Fallschirm absprang, was wiederum diverse Weltrekorde bedeutete. Dass die meisten Europäer diesen Sprung im TV live mitverfolgten und das Projekt kennen, aber fast niemand weiß, dass zwei Jahre später der Google Manager Alan Eustace den Höhenrekord brach, spricht Bände über die mediale Relevanz von Red Bull und dessen Bekanntheit.
Medien als großes Betätigungsfeld
2009 übernahm Mateschitz die Sendelizenz des Regionalsenders SalzburgTV, verlegte die Redaktion nach Fuschl am See zur Red Bull-Zentrale und benannte den Sender um in ServusTV. Die ersten Jahre arbeitete ServusTV als Spartenprogramm, 2013 begann der Umbau zum Vollprogramm. Besonders erfolgreich ist der Sender im Sportbereich, wo Formel 1 und Eishockey die Flagschiffe sind. Durchaus für Diskussionsstoff sorgt zeitweise die Politiksparte: Das Motiv, einen Kontrapunkt zu den oft eher nach links neigenden Redaktionen des öffentlichen ORF zu setzen, führte zu Kritik von Links.
Befürworter führen zurecht ins Feld, dass die auf ServusTV geäußerten Ansätze und Kommentare zumindest eine legitime Erweiterung des medialen Spektrums darstellen und ein audiatur et altera pars darstellen. Im Zuge der Covid-19-Pandemie ausgestrahlte Fehlinformationen führten allerdings zu Kritik auch von konservativer Seite, die argumentierte, dass hierdurch die legitime Kritik an der Pandemiepolitik der österreichischen Bundesregierung geschwächt werde. Positiv hervorzuheben war jedenfalls die kritische Auseinandersetzung in dieser Frage.
Deutlich weniger Kritik von allen Seiten erhielt ein anderes Medienprojekt, hinter dem Mateschitz gestanden war. Die eigens dafür gegründete Privatstiftung Quo vadis veritas rief 2017 die Rechercheplattform Addendum ins Leben, die diverse Themenbereiche in einer beeindruckenden Tiefe aufbereitete, darunter etwa Asyl, Migration, Bildung und Finanzen. Anstatt durch Zeitdruck und Platzlimit eingeschränkt zu sein, konnten größere Rechercheteams Aspekte dieser Themen detailreich, ausführlich und mit großen graphischen Mitteln aufbereiten, dafür arbeiteten bis zu zehn Redakteure bis zu sechs Wochen an einzelnen Publikationen. Für die Leser war Addendum als Informationsquelle höchst hilfreich darin, sich eine eigene Meinung mit Fakten unterlegt zu bilden. Leider machten davon zu wenige Menschen Gebrauch, weshalb Mateschitz das Projekt 2020 mit Verweis auf zu geringe Reichweiten wieder einstellte.
Engagement im Breitensport
Im Jahr 2005 übernahm Red Bull die Bundesligalizenz des sportlich schwächelnden Traditionsvereins Austria Salzburg und trat fürderhin als FC Red Bull Salzburg an. 13 nationale Meistertitel in 18 Saisonen, vier Champions League-Gruppenphasenteilnahmen (Achtelfinale 2022) sowie der Vorstoß ins Halbfinale der Europa League bescheren Österreich seither verlässlich wertvolle Punkte für die UEFA-Rankings. Das 2009 gegründete Schwesterprojekt in Leipzig kann sich mit Blick auf die erzielten Erfolge ebenfalls sehen lassen (DFB-Pokalsieg 2022), zudem existieren erfolgreiche Teams in New York sowie Bragança Paulista (Brasilien), die erfolgreich mit den europäischen Schwestern kooperieren.
Weltweit bekannt sind die Erfolge der Formel 1-Teams von Red Bull. Herausragend sind vor allem die sechs Fahrer- und vier Konstrukteursmeistertitel von Red Bull Racing, die dafür sorgen, dass Österreich nicht nur bei den Fahrern (Jochen Rindt 1965 sowie Niki Lauda 1975, 1977 und 1984), sondern auch bei den Teams über Formel 1-Weltmeister verfügt. Die Übernahme des Rennkurses in Spielberg (Steiermark) rettete der Alpenrepublik zusätzlich einen Platz im Formel 1-Kalender, wobei Red Bull großzügig Renovierungen auch an den Privatunterkünften der Region finanzierte – zum einen wohl, um die lokale Bevölkerung für das Projekt zu gewinnen, aber auch, damit das internationale Publikum einen besseren Eindruck von der Schönheit des Murtales (Steiermark) erhielt – in einem eher traditionellen Stil, von dem es stets hieß, dass er dem Gründer mehr zusagte als moderne Architektur.
Ein bleibendes Erbe
Dietrich Mateschitz war bekannt als ein streitbarer Mensch, der unbeirrbar seinen Weg ging – auch dann, wenn er politisch damit aneckte. Sein Lebenswerk ist beeindruckend: Red Bull ist die wertvollste Soft Drink-Marke Europas (noch vor Nescafé und Lipton) und liegt unter den wertvollsten Marken Europas regelmäßig in den Top 20. Seit 2012 ist Red Bull mit 50 % am Betreiber der österreichischen Unwetterzentrale beteiligt. Das Red Bulletin ist heute das meistverkaufte Monatsmagazin Österreichs (mit Schwesterblatt in Bayern). Mit einem geschätzten Privatvermögen von 25,1 Mrd. Euro lag Mateschitz auf Platz 1 der reichsten Österreicher und weltweit auf Platz 51.
Sein Firmenimperium wird ihn überdauern, seinem Land und wahrscheinlich ganz Europa wird er fehlen. Die Österreicher und viele andere haben jedenfalls guten Grund, ihm dankbar zu sein und ihn in freundlicher Erinnerung zu behalten. Er hat die Welt zweifellos verändert und geprägt.
Bildquelle:
- Dietrich Mateschitz: dpa