BONN – In dem milliardenschweren «Cum-Ex»-Steuerskandal hat der bekannteste Verfechter der dubiosen Aktiendeals zu Lasten der Staatskasse, Hanno Berger, ein Teilgeständnis abgelegt. Der der besonders schweren Steuerhinterziehung in drei Fällen angeklagte 71-jährige Anwalt räumte am Montag vor dem Landgericht ein, ab 2009 mit bedingtem Vorsatz gehandelt zu haben.
In dem Jahr hatte das Finanzministerium in einem Berger bekannten Schreiben massive Bedenken gegen die vom Anwalt propagierte Methode der Steuergestaltung deutlich gemacht. Bergers Verteidiger Richard Beyer betonte am Rande des Verfahrens, vor 2009 sehe er kein vorsätzliches Handeln seines Mandanten.
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums im Jahr 2009 hätte man wahrscheinlich «als Zäsur betrachten sollen», sagte Berger in seiner rund zweistündigen Einlassung. «Das hätte ich besser wissen müssen.» Doch stattdessen hätten er und seine Mitarbeiter sich auf die Formalien und die verbliebenen Lücken konzentriert. Ein ehemaliger Bundesanwalt habe ihn in dieser Zeit sogar gewarnt: «Die Zeit der Steuergestaltung ist vorbei, sagte er. Das hätte mir zu denken geben sollen.»
Profite durch Steuerhinterziehung
In dem Bonner Strafprozess werden Berger drei Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung im Zeitraum 2007 bis 2013 vorgeworfen. Der Angeklagte soll die Privatbank M.M. Warburg zur Aufnahme von «Cum-Ex»-Geschäften bewogen und maßgeblich geholfen haben, die nötigen Strukturen einzurichten. Zudem soll er gutgläubige Investoren eingeworben haben. Dem Fiskus soll damit ein Schaden von 278 Millionen Euro entstanden sein, davon soll auch Berger profitiert haben (Aktenzeichen 62 KLs 2/20).
Bei dem Geschäftsmodell, das seine Hochphase von 2006 bis 2012 hatte, schoben Banken, Händler und Investoren Aktien mit («cum») und ohne («ex») Ausschüttungsanspruch in einem Kreisgeschäft hin und her – es war ein Verwirrspiel rund um den Dividendenstichtag, bei dem der Fiskus keinen Überblick mehr hatte und Kapitalertragssteuer erstattete, obwohl die Investoren die gar nicht gezahlt hatten. Der deutsche Staat büßte Schätzungen zufolge einen zweistelligen Milliardenbetrag ein. Im vergangenen Jahr entschied der Bundesgerichtshof, dass «Cum-Ex» eine Straftat waren.
Vor Gericht beschrieb der Jurist seinen Weg vom Bankenprüfer für die hessische Steuerverwaltung zum Berater für Steuersparmodelle für Banken und wohlhabende Investoren, vom Beamten mit Besoldungsstufe A15 zum vielfachen Millionär. Gelockt hätten ihn nicht nur das Geld, sondern auch die juristischen Herausforderungen als Steueranwalt.
Berger: «Moral spielt für mich schon eine Rolle»
Heute sei Steuergestaltung, wie er sie als Anwalt seinen Mandanten empfohlen habe, verpönt, räumte der 71-Jährige ein. Doch lange Zeit sei das anders gewesen. Von seinen Mandanten habe er immer die gleichen Fragen gestellt bekommen: Wie kriege ich mein Einkommen steuerfrei? Wie kriege ich mein Vermögen steuerschonend auf die nächste Generation übertragen? «Deutschland hat hier Riesengestaltungsoptionen eröffnet», sagte er. Einfach weil das Steuerrecht zu kompliziert sei. Und wenn an einer Schraube gedreht werde, tue sich an anderer Stelle eine neue Lücke auf.
Unmoralisch findet der Jurist sein Handeln nicht. «Moral spielt für mich schon eine Rolle», sagte er vor Gericht. Als Anwalt müsse er aber seine Mandanten auf Lücken im Steuerrecht aufmerksam machen. Ob der Mandant diese nutze, sei dann dessen Entscheidung. «Wir müssen an die Mandanten denken. Das war mein Credo. Das hab ich durchgezogen.»
Der 71-Jährige hatte sich 2012 in die Schweiz abgesetzt, im Februar 2022 war er an Deutschland ausgeliefert worden. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.
Berger steht nicht nur in Köln, sondern parallel auch in Wiesbaden vor Gericht. Dort wirft ihm die Generalanwaltschaft Frankfurt vor, von 2006 bis 2008 falsche Bescheinigungen über gut 113 Millionen Euro nie gezahlter Steuern erlangt zu haben (Aktenzeichen 6 KLs – 1111 Js 18753/21). Dabei seien mit weiteren Angeklagten Dax-Aktien im Volumen von 15,8 Milliarden Euro über ein komplexes System gehandelt worden.
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- Hanno Berger: dpa