PEKING – Erstmals seit der russischen Invasion in die Ukraine vor mehr als einem Jahr hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert.
In dem Gespräch kündigte Chinas Präsident an, einen Sonderbeauftragten nach Kiew und in andere Länder schicken zu wollen, um sich mit allen Parteien über eine politische Lösung auszutauschen. Wie chinesische Staatsmedien berichteten, warnte Xi Jinping in dem Telefonat auch eindringlich vor einer atomaren Eskalation des Konflikts und mahnte alle Parteien zur Besonnenheit.
«Es gibt keine Gewinner in einem Atomkrieg», sagte Xi Jinping. Im Umgang mit der Atomfrage sollten sich alle Beteiligten ruhig verhalten und Zurückhaltung zeigen, sich auf ihre Zukunft und ihr Schicksal und das der ganzen Menschheit konzentrieren und gemeinsam mit der Krise umgehen. Rationales Denken nehme bei allen Parteien zu, deswegen sollte die Gelegenheit ergriffen werden, um günstige Bedingungen für eine politische Lösung der Krise zu schaffen.
«Ich hatte ein langes und bedeutsames Telefongespräch mit Präsident Xi Jinping», teilte Selenskyj anschließend im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Der 45-Jährige hofft, dass dieser Kontakt den bilateralen Beziehungen einen «starken Impuls» verleihen wird.
Die US-Regierung hat das Telefonat begrüßt. «Wir denken, das ist eine gute Sache», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Die US-Regierung habe schon seit geraumer Zeit gesagt, dass es wichtig für Xi und die chinesische Regierung wäre, sich die ukrainische Perspektive auf den russischen Angriffskrieg anzuhören. Ob das zu einer bedeutsamen Entwicklung hin zu Frieden führen könne, das sei noch unklar.
In dem Telefongespräch bekräftigte Xi Jinping laut Staatsfernsehen, dass der Respekt der Souveränität und territorialen Integrität die politische Grundlage für die Beziehungen zwischen China und der Ukraine sei. Die «komplizierte Entwicklung der Ukraine-Krise» habe starken Einfluss auf die internationale Lage. «China steht immer auf der Seite des Friedens und seine Schlüsselposition ist die Förderung von Frieden und Verhandlungen», sagte Xi Jinping. «China hat die Ukraine-Krise nicht geschaffen und ist darin keine Partei.»
China will kein «Feuer ins Öl gießen»
Als ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und verantwortliches großes Land werde China «weder Feuer von weitem zusehen, noch Öl ins Feuer gießen oder die Möglichkeiten zu seinem Vorteil ausnutzen», sagte Xi Jinping laut Staatsfernsehen in dem Telefonat. China handelt nach seinen Worten «fair und ehrlich». «Dialog und Verhandlungen sind der einzig machbare Ausweg», sagte Chinas Präsident.
Im Februar hatte China ein Zwölf-Punkte-Positionspapier zum Krieg in der Ukraine vorgelegt, das international auf Skepsis gestoßen war. Darin rief China zu einem Waffenstillstand und Verhandlungen auf, schien aber zugleich russische Argumentationen zu übernehmen.
Peking besteht weiterhin auf Frieden und Verhandlungen
Chinas Präsident äußerte in dem Telefonat seine Hoffnung, dass alle Parteien eingehend über die Krise nachdenken und zusammenarbeiten, um durch Dialog einen Weg für langfristigen Frieden und Stabilität in Europa zu suchen. «China wird auf der Förderung von Frieden und Verhandlungen bestehen und seine eigenen Anstrengungen unternehmen, den Krieg zu stoppen, die Kampfhandlungen einzustellen und so schnell wie möglich Frieden wiederherzustellen.»
China werde nicht nur seinen Sonderbeauftragten für eurasische Angelegenheiten entsenden, sondern sei auch bereit, weitere humanitäre Hilfe «innerhalb seiner Möglichkeiten» für die Ukraine zu leisten, zitierten Staatsmedien den chinesischen Präsidenten.
Nach chinesischen Angaben hob Selenskyj hervor, dass China eine großen Rolle auf der Weltbühne spiele. Er habe «seine Sicht der gegenwärtigen Krise in der Ukraine» vorgestellt und China für die humanitäre Unterstützung gedankt, berichtete das chinesische Staatsfernsehen. Auch habe der ukrainische Präsident die «wichtige Rolle Chinas bei der Wiederherstellung von Frieden und der Lösung der Krise durch diplomatische Mittel begrüßt».
Bildquelle:
- Chinas Staatschef Xi: dpa