„Cancel Culture“: Wie man versucht, einen unbequemen Wissenschaftler zum Schweigen zu bringen

Opfer der Cancel Culture: Prof. Ulrich Kutschera, Kassel.

Kassel – Das sogenannte „Autonome Lesben- und Schwulenreferat der Universität zu Köln“ versuchte im Jahr 2009 massiv, einen Vortrag der Religionsphilosophin Edith Düsing zu verhindern. Die sei „homophob“. Dabei wollte Frau Düsing eigentlich über „Schillers Konzept des ‚höheren Selbst‘ in Nietzsches Umdeutung“ sprechen. Aber die neuen Bücherstürmer unserer Zeit wollen entscheiden, wem man zu welchem Thema in „ihrer Uni ein Forum bietet“.

Der mittlerweile verstorbene und auch international vielfach ausgezeichnete Philosoph Robert Spaemann stellte damals fest, dass die Meinungsfreiheit in Deutschland „generell schon auf katastrophale Weise eingeschränkt“ sei „im Vergleich zu den 50er Jahren“. Und inzwischen ist es nicht besser geworden.

Der Evolutionsbiologe Prof. Ulrich Kutschera musste ähnliche Erfahrungen machen. Sein Buch „Klimawandel im Notstandsland. Biologische Realitäten widerlegen Politische Utopien“ wurde von vier Verlagen abgelehnt, bevor es bei Amazon Media gedruckt wurde, aber nach wenigen Monaten aus dem Angebot des Versandhändlers gelöscht. Kutschera fand trotzdem einen Weg, sein Buch über ein „Book on Demand“-Verlagshaus in Hamburg wieder auf den Markt zu bringen.

Herr Professor Kutschera, teilen Sie das damalige Urteil des Philosophen Spaemann im Fall Düsing?

Das Kölner Vorlesungsverbot bezüglich Frau Prof. Düsing im Dezember 2009 leitete eine Serie weiterer Zensur-Aktionen an deutschen Universitäten ein. Die waren fast immer ohne sachliche Begründung und rein ideologisch motiviert. Von einer offenen Debatten-Kultur, wie sie in den USA noch bis Ende 2020 üblich war, kann hierzulande keine Rede mehr sein.

Sie sind Ziel ähnlicher Kampagnen von Gegnern der freien Meinung. Was sind das für Gruppen, die freien Diskurs beschneiden wollen?

Seit ich mich Anfang 2015 offen gegen die Gender-Ideologie
ausgesprochen habe, bin ich zum Feindbild geworden. Im November 2015 gab es Proteste an der Uni Bremen. Ich musste damals einen Vortrag zum Thema Evolution in Privaträume verlegen. 2016 durfte ich in Marburg nicht zum Themenkomplex Evolution und Kreationismus dozieren, und so ging es weiter. Es sind selbsternannte Moralwächter aus Studentengruppen wie dem AStA, die sich anmaßen, über Professoren zu urteilen. Vermutlich sind diese bemitleidenswerten Nachwuchs-„Studierte“ ideologisch indoktriniert und biowissenschaftlich ungebildet. Rational kann ich mir deren Verhalten nicht erklären.


Ihr Buch wurde vom Online-Händler Amazon aus dem Programm genommen. Hat man Ihnen gesagt weshalb?


Mein Buch „Klimawandel im Notstandsland. Biologische Realitäten widerlegen Politische Utopien“ wurde vorab vier Mal abgelehnt. Die Verlage wollten diese politisch inkorrekte Kampfschrift nicht vertreiben. Bei Amazon Media ging der Text dann problemlos in den Druck. Nach zehn Monaten und über 100 positiven Rezensionen wurde das Buch aber Anfang März gelöscht, ohne Begründung. Seit 12. April 2021 ist das Werk in ergänzter Neuauflage bei Tredition, Hamburg, in inzwischen 2. Auflage erschienen. Und danach tauchte es dann auch bei Amazon wieder auf.. Ich bin gespannt, wie lange es im Programm bleiben wird.


Ihr Buch „Klimawandel im Notstandsland“ befasst sich ja weniger mit evolutionsbiologischen Fragestellungen. Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?

Ihre Interpretation möchte ich relativieren. Die Evolution des Menschen steht in Kapitel 1, und wird immer wieder thematisiert. Sie können die Massenzuwanderung großer Menschengruppen aus arabischen und afrikanischen Ländern nur im Lichte der Evolution verstehen – daher mein Begriff „Homo-sapiens-Zeitsprung Experiment“. Auch die Frage Rassismus ist nur im evolutionären Kontext zu sehen. Das habe ich biowissenschaftlich korrekt, aber politisch ungewünscht, ausführlich dargelegt.

Wer sich über Ihre wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Kassel, an deren Institut für Biologie Sie ja bisher als Professor tätig waren, informieren will, stößt auf gähnende Leere. Was ist da passiert?

Ich habe 1993, nach Stationen in Freiburg, Stanford, Michigan State University (beide USA) und der Uni Bonn (Habilitation) ein Rufangebot auf einen Lehrstuhl an die Uni Kassel angenommen und dort produktiv gearbeitet. Nebenbei war ich seit 2001 in Kooperation u. a. an der Uni Jena, meiner Postdoc-Uni in Stanford und anderswo tätig. Seit April 2021 arbeite ich per Vertrag in einem Stanford-Projekt, lokalisiert in meiner Wahlheimat San Francisco, aber derzeit nur im Homeoffice, ab 2022 zeitweise dort präsent.

Ich bin der Uni Kassel zu großem Dank verpflichtet, da es mir dort möglich war, über harte Arbeit und viele Papers, Fachbücher usw. zum „Stanford-Scientist“ aufzusteigen. Der Ärger mit dem AStA ist bedeutungslos, verglichen mit den für mich einmaligen Möglichkeiten, die ich dort vorfand.

Sind Sie und Ihr Buch Opfer zeitgenössischen Methode der Bücherverbrennung oder wie man heute sagt „Cancel Culture“? Oder geht es auch um Ihre Person an sich?

Als fanatischer Biologe seit früher Kindheit und Autor von über 300 wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, Entdecker zahlreicher Tierarten, hohem internationalem Research Gate-Ranking – und Person mit eigener, atheistischer Meinung – bin ich logischerweise ein ungewünschter Eigenbrödler im deutschen Uni-System. Wer sich nicht dem Mainstream anpasst, wird bekämpft, das war vermutlich schon immer so. Dieser Trend hat sich aber leider verstärkt. Die Cancel Culture – Vernichtung von biologischen
Fachbüchern, die nicht in den politischen Kram passen – gibt es seit Charles Darwins Hauptwerk zum Ursprung der Arten, 1859. Biologische Fakten sind die Erzfeinde der Politik. Daher habe ich das gelöschte und jetzt wieder verfügbare, verfluchte Klimawandel-Notstandsbuch publiziert und mir viel Ärger eingehandelt.

Was raten Sie anderen Menschen, die selbst Opfer der demokratiefeindlichen „Cancel Culture“ sind, zu tun?

Nicht aufgeben! Ich werde weiterhin meine sachlich korrekten Aussagen, in der 2. Auflage auch zum problematischen PCR-Test, mit Aufklärung zum Inzidenzwert vertreten. Weiterkämpfen lautet meine Parole. Das sollten auch andere Selbstdenker tun und dann aber eben auch Nachteile in Kauf nehmen. Als „Bio-Bösewicht und Darwinist“ beschimpft habe ich kein Problem, solange man mich auch weiterhin duldet. Außenseiter gab es schon immer, und die Ablehnung von Personen wie mich kann ich sogar verstehen.

Das Gespräch führte Kurt J. Heinz.

U. Kutschera: „Klimawandel im Notstandsland. Biologische Realitäten widerlegen Politische Utopien“, 2. Auflage, Tredition, Hamburg 2021

Weitere Informationen hier

Bildquelle:

  • Prof._Ulrich_Kutschera: privat

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