von ESTHER VON KROSIGK
MÜNCHEN – Wenn die Unzufriedenheit wächst, gibt es oft nur einen Gedanken: weg. Denn vielleicht ist es woanders leichter, schöner und günstiger, den Lebenstraum zu verwirklichen. Während immer mehr Menschen einen solchen Gedanken hegen, haben ihn rund eine Viertelmillion Deutsche im Jahre 2021 verwirklicht und ihr Heimatland verlassen. Das sind mehr als 100.000 Menschen mehr als noch zehn Jahre zuvor. Insgesamt sind es in dem gesamten Zeitraum fast zwei Millionen Deutsche, die in ein anderes Land abgewandert sind. Mehr als jeder 80. Bundesbürger hat inzwischen einen Wohnsitz im europäischen Ausland.
Karriere, Politikverdrossenheit, Fernweh – die Gründe sind vielfältig
Die Motive, sein Glück woanders zu suchen, sind unterschiedlich. Häufig sind sie beruflich bedingt, doch nicht etwa die Loser verlassen das Land. Die meisten deutschen Auswanderer haben vielmehr einen akademischen Abschluss, sie sind jünger, gesünder und gebildeter als jene, die nicht migrieren. Das hat eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung offengelegt, die mit mehreren tausend Teilnehmern durchgeführt und in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Sie zeigt auch: „Digitale Nomaden“, die vom Beachclub aus virtuell für deutsche Firmen arbeiten, entsprechen nicht dem typischen Bild des deutschen Expats.
Den Trend, aus Karrieregründen die Heimat zu verlassen, bestätigt eine Studentin, die Biologie in Süddeutschland studiert. Sie sagt: „Viele meiner Kommilitonen in den Naturwissenschaften sehen keine Zukunft in Deutschland, sie wollen nach dem Studium in die USA.“
Vermehrt spielt aber auch der Unmut mit den hiesigen politischen Verhältnissen eine Rolle
Ein deutscher Geschäftsmann mit neuem Wohnsitz in der Schweiz sagt uns: „Ein wesentlicher Grund war für mich die Verlogenheit im Rahmen der Flüchtlingskrise 2015. Es handelte sich um Wirtschaftsflüchtlinge und das wurde nicht benannt, um die Bevölkerung nicht zu erschrecken. Getoppt wurde das noch durch die Einschränkungen der Grundrechte während Corona, die bis heute nicht aufgearbeitet werden. Ich kann nur zustimmen: Deutschland schafft sich ab und ist im Niedergang, wie es auch in jedem Wirtschaftsmedium, bei jedem Wirtschaftsprüfer und jedem Steuerberater offen gesagt wird. Die Energiekosten sorgen für den absoluten Garaus, es kommt zu einer De-Industrialisierung bei gleichzeitiger Migration in die Sozialsysteme.“
Doch auch bloßes Fernweh und die Suche nach mehr Freiheit spielen beim Wechsel ins Ausland eine Rolle.
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Die Reisejournalistin Christine Neder schildert in ihrem jüngst erschienenen Buch „Weniger ist Meer“ (Ullstein Verlag) ihr persönliches Auswander-Abenteuer mit Mann, Kind und Kegel nach Portugal. Für sie war wichtig: Weg von Lärm und Stress der Großstadt und mehr „slow living“ in der unberührten Natur des südeuropäischen Landes.
Die Wasserknappheit in Südeuropa kann problematisch werden
Auf die Frage, warum Auswandern derzeit so populär sei, antwortet die Autorin in einem Interview: „Viele, die ich kenne, möchten gerne raus aus der Stadt, können sich aber ein Leben auf dem Land in Deutschland nicht vorstellen, wo man zwar Natur hat, aber auch graues Wetter, oft misslaunige Menschen und verwaiste Straßen.“
Aber ist es woanders tatsächlich so viel besser?
Da, wo die Sonne immer scheint und die Laune der Nordländer aufhellt, wird die Wasserknappheit vielfach zum Problem. Die portugiesische und die spanische Regierung müssen künftig wegen anhaltender Dürre deutlich mehr in Bewässerungstechnik und -infrastruktur investieren, damit bei den Immigranten weiterhin das Wasser aus der Dusche fließt.
Für die Einheimischen bedeutet der Zuzug von wohlhabenden Ausländern auch nicht immer Gutes: In Lissabon verteuern sich die Mieten derart, dass viele Einheimische die Mietkosten nicht mehr tragen können und aufs Land ausweichen. Ohnehin hat die Bevölkerung mit niedrigen Gehältern, ständiger Inflation und hoher Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen.
Aber vielleicht übersieht man die inländischen Probleme mit dem sehnsuchtsvollen Blick aufs Meer.
Hohe Lebensqualität und niedrige Kosten machen das Ausland attraktiv
Zwar gehört Südafrika nicht zu den Big Five der Auswanderziele – das sind Schweiz, Österreich, USA, Spanien, Frankreich – doch das Land ist sehr beliebt bei den Deutschen. Trotz Armut, Kriminalität und Korruption bereisen jährlich Tausende Deutsche die Region am Kap – und bleiben auch. Eine Frankfurterin, die sich gerade in Kapstadt ein Haus sucht, erzählt die Gründe für ihre Wahl:
„Die Lebensqualität ist einfach eine andere, mit dem, was ich in Deutschland verdiene, kann ich hier sehr gut leben. Die Nebenkosten sind niedrig, die medizinische Versorgung sehr gut. Gleichzeitig zahle ich für die private Krankenversicherung nur ein Drittel von dem, was ich monatlich in Deutschland aufbringen muss. Ich bin nicht mehr bereit, mein schwer erarbeitetes Geld in unser Sozialsystem zu stecken.“
Bildquelle:
- Portugal_2: pixabay