von HEINZ BÜSE
Dortmund – Thomas Tuchel war aufgedreht wie einst Jürgen Klopp. Beim 1:0 (1:0) seines Dortmunder Teams über RB Leipzig ließ selbst der als weniger lebhaft bekannte Fußball-Lehrer seinen Emotionen freien Lauf.
Mit Freudensprüngen, die an die wilden Auftritte seines Vorgängers erinnerten, feierte Tuchel den Siegtreffer von Pierre-Emerick Aubameyang. Am Ende der Zitterpartie ließ er sich gar zu einer spöttischen Geste Richtung Leipziger Bank hinreißen. «Wenn diese spezielle Energie da ist, wenn Druck drauf ist, dann packt es mich eben auch», kommentierte der Coach, gab sich aber reumütig. «Das kann man sich natürlich komplett sparen.»
Tuchels ungewohnt heftiger Gefühlsausbruch verriet, welche große Last auf ihm lastete. Nach den Schlagzeilen um sein angespanntes Verhältnis zur Vereinsführung, seine Rolle beim Wintertransfer von Alexander Isak und seinen Umgang mit Weltmeister Mario Götze, tat das Erfolgserlebnis gegen den Tabellenzweiten not. Die Kampfansage seines Teams an den in Dortmund besonders ungeliebten Gegner versetzte Tuchel ins Schwärmen. «Das fühlt sich überragend an. 4:0 verkleidet als 1:0, super Spiel, super Energie, mit hoher Energie verteidigt. Wir haben nur vergessen, den Deckel drauf zu machen», sagte er mit Verweis auf den fahrlässigen Umgang seines Teams mit Torchancen.
Erst nach der hektischen Schlussphase, in der den Gästen der vermeintliche Ausgleich von Federico Palacios-Martinez wegen einer Abseitsstellung verweigert wurde, beruhigten sich die Gemüter. Auch Ralph Hasenhüttl verzichtete nach Sichtung der TV-Bilder auf weitere Proteste gegen die richtige Entscheidung von Schiedsrichter Tobias Stiele. Trotz der dritten Auswärtsschlappe seines Teams in Serie wirkte der RB-Trainer am Ende erstaunlich gelassen. Angesichts des Fehlens von gleich vier Stammkräften konnte er das 0:1 verschmerzen. «Ich war schon oft stolz auf mein Team. Heute bin ich es besonders. Wir haben einen heißen Kampf geboten – egal, wie gebeutelt wir waren.»
Dass seine Mannschaft die große Chance verspielte, den Abstand auf den Tabellenführer Bayern München auf einen Zähler zu verkürzen, interessierte Hasenhüttl nur am Rande. Immerhin scheint der Vorstoß des Aufsteigers in die Champions League bei noch immer satten acht Punkten Vorsprung selbst auf ein so hochgehandeltes Team wie das aus Dortmund nicht wirklich in Gefahr. «Eine Niederlage in Dortmund wird uns nicht zurückwerfen. Es war eine tolle Erfahrung, vor allem für die jungen Spieler», befand der RB-Trainer.
Weniger toll verlief der Fußball-Abend für Götze. Wie schon beim 1:1 der Borussia vor einer Woche in Mainz hoffte der Weltmeister vergeblich auf eine Einwechslung. An der Seite seines diesmal ebenfalls nicht eingesetzten Leidensgenossen und Nationalmannschaftskollegen André Schürrle verfolgte er das Geschehen von der Ersatzbank aus. Damit leistete sich Tuchel den Luxus, auf zwei zusammen über 50 Millionen Euro teuren Neuzugänge zu verzichten. Auf Fragen nach der erneuten Ausbootung von Götze reagierte Tuchel gereizt. «Nach dem Spiel ist kein guter Zeitpunkt, um darüber zu reden.»
Für weitere unliebsame Schlagzeilen sorgten die Ausschreitungen vor dem Anpfiff. Nur ein massiver Polizeieinsatz verhinderte, dass die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fangruppen weiter eskalierten. Erst nach einigen Minuten hatte sich die angespannte Lage wieder beruhigt. Ihren Protest gegen das Geschäftsmodell von RB Leipzig setzte der BVB-Anhang danach mit zahlreichen Spruchbändern auf der Südtribüne des Stadions fort.
Bildquelle:
- Euphorisch: dpa