Bundestag und Bundesrat stimmen über Ganztag in der Grundschule ab

Ein Erstklässler wird mit seiner Schultüte in Sachsen-Anhalt eingeschult. Der Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule ist beschlossene Sache. Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/ZB

BERLIN – Der Bundestag stimmt heute über das Vermittlungsergebnis zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab. Bund und Länder hatten sich am Montagabend nach langem Streit über die Finanzierung des Vorhabens im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat buchstäblich in letzter Minute geeinigt.

Beide Häuser müssen dem nun formal noch zustimmen. Das soll an diesem Dienstag bei der letzten in dieser Legislaturperiode angesetzten Bundestagssitzung ohne weitere Aussprache passieren. Voraussichtlich am Freitag ist dann der Bundesrat dran. Nach anschließender Unterschrift durch den Bundespräsidenten kann das «Ganztagsförderungsgesetz» schließlich in Kraft treten.

Letztes großes Groko-Vorhaben

Der Rechtsanspruch ist ein letztes großes Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD, das die scheidende große Koalition noch umsetzt. Geplant ist, dass jedes Kind, das ab dem Schuljahr 2026/2027 eingeschult wird, in den ersten vier Schuljahren Anspruch auf einen Ganztagsplatz bekommt. In einigen Bundesländern – vor allem im Osten, in Hamburg und Berlin – gibt es schon eine dichte Ganztagsbetreuung. In anderen Ländern, etwa Baden-Württemberg, müssen noch viele neue Plätze geschaffen werden. Geschätzt wird, dass ein Bedarf von insgesamt 600.000 bis 800.000 Plätzen besteht.

Langer Streit über Kosten

Über die Finanzierung des Projekts hatten Bund und Bundesländer lange gestritten. Die Länder hatten vom Bund eine deutlich stärkere Beteiligung an den Investitions- und den späteren Betriebskosten gefordert, das Vorhaben vor dem Sommer im Bundesrat gestoppt und in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat verwiesen. Unklar schien danach, ob es überhaupt noch umgesetzt wird.

Zuletzt hatte vor allem Baden-Württemberg unter dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann noch einmal Druck gemacht und auf mehr Geld vom Bund gepocht. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sagte: «Uns Grünen war es wichtig, dass das zentrale Thema ganztägige Bildungs-und Betreuungsangebote nicht auf den letzten Metern unter den Tisch fällt.»

Einigung in letzter Minute

Ohne Einigung im Vermittlungsausschuss hätte das Gesetz vor der Bundestagswahl voraussichtlich nicht mehr verabschiedet werden können und wäre verfallen: Gesetze, die nicht abschließend in einer Legislaturperiode behandelt werden, unterliegen der sogenannten Diskontinuität. Sie müssen in einem neu gewählten Bundestag noch einmal ganz neu eingebracht und verhandelt werden. Der Vermittlungsausschuss stand am Montagabend unter zusätzlichem Zeitdruck: Eine Einigung bis Mitternacht war nach Angaben von Verhandlungsteilnehmern nötig, um formale Fristen für die Befassung im Bundestag am Tag darauf einzuhalten.

Bunde legt «Schippe drauf»

Der Bund wird sich nun, wie zuvor bereits zugesagt, mit bis zu 3,5 Milliarden Euro an den Investitionskosten für Ganztagsplätze beteiligen: Das kann Geld für den Bau neuer Räumlichkeiten an Grundschulen sein, aber auch für Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten, etwa in Ländern, die schon viele Ganztagsplätze haben. «Eine Schippe draufgelegt», wie es hieß, wurde vor allem bei den laufenden Kosten für den Betrieb der Ganztagsplätze. Hier will Berlin die Länder nun langfristig mit 1,3 Milliarden Euro pro Jahr unterstützen. Das sind gut 300 Millionen mehr pro Jahr, als zuletzt zugesagt.

Alle Seiten froh

Vertreter aus Bundes- und Landespolitik zeigten sich nach den rund dreistündigen Verhandlungen erleichtert und sprachen von einem guten Tag für Kinder und Familien. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Rechtsanspruch auf Ganztagsplätze an Grundschulen sei ein Meilenstein für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU) sagte: «Nach der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kita-Kinder schließen wir jetzt endlich die „Betreuungslücke“, die vor allem zahlreiche Frauen in den westdeutschen Bundesländern mit der Einschulung ihrer Kinder in die berufliche Teilzeit zwingt.»

Auf der SPD-Seite betonte Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD), mit dem Gesetz sorge man dafür, «dass alle Kinder gute Chancen haben, unabhängig von ihrer Herkunft und dem Geldbeutel ihrer Eltern». Neben der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Fachkräftesicherung für Unternehmen, hatte die Koalition auch mit dem Argument der größeren Chancengerechtigkeit für den Ganztagsausbau geworben. Bei Kindern, die nach Schulschluss unbeaufsichtigt vor dem Fernseher säßen oder am Handy zockten, verschenke man deren Potenzial, hatte die ehemalige Familienministerin Franziska Giffey (SPD) gesagt.

Bildquelle:

  • Einschulungen in Sachsen-Anhalt: dpa

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