von FELIX HONEKAMP
Als Freund des Autors eine Rezension zu schreiben birgt Risiken: Bin ich objektiv genug, um eine nachvollziehbare und stimmige Bewertung vorzunehmen? Bin ich kritisch genug, einem Freund mit der Rezension auch auf die Füße zu treten? Und bin ich dennoch bereit, Positives zu schreiben, auch wenn geargwöhnt werden könnte, es sei nur ein Gefälligkeitstext? Darum habe ich tatsächlich kurz nachgedacht, ob ich eine Bewertung zu Klaus Kelles neuem Buch „Bürgerlich, christlich, sucht … – Biete Meinung statt Mitte“ schreibe. Mache ich aber hiermit, mache ich gerne und aus gutem Grund!
Bei dem Werk handelt es sich – abweichend von Klassifizierungen im Buchhandel – gar nicht so sehr um ein politisches Sachbuch. Ich möchte es eher mit etwas anderem vergleichen: Als Freund Klaus Kelles habe ich den Vorteil ab und zu mit ihm und anderen Freunden über politische und gesellschaftliche Themen zu diskutieren. Dazu ein gutes Glas Wein oder Bier, eine feine Zigarre – da kann es dann auch schon mal hoch her gehen und die Themen gehen nicht so schnell aus. Aus solchen meist sehr spontan entstehenden „Kamingesprächen“ gehe ich immer schlauer hervor, auch und besonders wenn man nicht immer einen Konsens findet, abgesehen von dem, keine Einigkeit erzielen zu können: Wenn ein konservativer Bürgerlicher und konservativer Libertärer zusammen sitzen, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Aber dieser Widerspruch, die Auseinandersetzung mit einer anderen Meinung ist genau das, was jeden Teilnehmer einer politischen Diskussion wachsen lässt.
Und solch ein „Kamingespräch“, gepresst zwischen zwei Buchdeckel, ist „Bürgerlich, christlich, sucht … – Biete Meinung statt Mitte“ geworden. Bei solchen Gesprächen wird natürlich nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, nicht jedes Faktum mit einer Quellenangabe hinterlegt – es werden Meinungen ausgetauscht. Focus-Online beschreibt Klaus Kelle als einen der „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“ – das bestätigt dieses Buch.
Deshalb geht es darin nicht darum, irgendeine bahnbrechende investigative Sensation zu liefern; bei manchen Andeutungen wie zum Beispiel zum zukünftigen Führungspersonal der CDU in der Nach-Merkel-Ära wird die Zurückhaltung in dieser Hinsicht besonders deutlich. Den Wert des Buches stellt stattdessen die Festlegung eines „bürgerlichen“ Koordinatensystems dar. Dabei streift Klaus Kelle eine Menge Themen: Freiheit als solche, Flüchtlings- und Migrationspolitik, Familienpolitik und Gender Mainstreaming, innere Sicherheit, die Preisgabe konservativer Positionen durch die CDU und – natürlich – den Einfluss der Medien, die in ihrer Mehrzahl mit dem Begriff des Bürgerlichen nichts mehr anzufangen wissen.
Wollte man dieses Potpourri und seine Verästelungen detailliert analysieren, wäre das Ergebnis ein sterbenslangweiliges politisches Fachbuch, das bleischwer in den Regalen liegen bleiben müsste. Und langweilig wird es in „Bürgerlich, christlich, sucht …“ wirklich nicht. Von Fukushima bis zur Kölner Silvesternacht, von möglichen und unmöglichen Verschwörungstheorien bis zum Spagat zwischen Freiheit und Sicherheitspolitik, von der Pressekonferenz im Oval Office bis zum Zustand des öffentlichen Fernverkehrs in Deutschland – Klaus Kelle mutet seinen Lesern einen Parforceritt durch all die Themen zu, die ihn beschäftigen, manchmal auch ärgern, die mich beschäftigen, und von denen wir vermutlich beide der Ansicht sind, dass sie jeden beschäftigen sollten. Vermengt ist das Ganze mit ein paar bemerkenswerten Anekdoten aus dem Werdegang des Journalisten, vom JU-Mitglied in Ostwestfalen mit diversen nationalen und internationalen Stationen zum Medienunternehmer im Rheinland. Und er skizziert seine Vorstellungen davon, wie eine bürgerliche Politik, eine bürgerliche Gesellschaft, in wesentlichen Fragen aussehe sollte – auch wenn der Titel des letzten Kapitels mit „König von Deutschland – was ich ändern würde“ ein wenig, na, sagen wir mal ambitioniert daherkommt.
Die meisten Medien (besonders die von Klaus Kelle nicht gerade sanft angegriffenen „Staatssender“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) kranken an der mangelnden Differenzierung zwischen Information und Meinung. Positiv formuliert: Im Bemühen, Informationen in einen Kontext einzuordnen, vermischen sich Nachricht und Kommentar in einer Form, die den „Mainstreammedien“ den Vorwurf der „Lügenpresse“ eingehandelt hat. Klaus Kelle macht diese Differenzierung erst gar nicht: Hier geht es nur um Meinung – das ganze Buch ist auf knapp 250 Seiten gedruckte Meinung. Das wiederum ist nicht nur legitim sondern in der bürgerlichen Form, die seitens der Hauptmedien sträflich vernachlässigt wird, zwingend und dringend notwendig. Freundschaft hin, Objektivität her: „Bürgerlich, christlich, sucht …“ wird jeden faszinieren, der sich selbst als Bürgerlichen versteht oder sich einen Einblick in die nur scheinbar aussterbende Art des Bürgerlichen verschaffen will. Oder der sich einfach nur einen bürgerlich-christlichen Kaminabend gönnen möchte.
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