von PETER WINNEMÖLLER
Der Bischof von Passau, Stefan Oster, ist bekannt dafür, auch mal öffentlich anders zu denken. Einen Sachverhalt mutig gedanklich gegen den Strich zu bürsten, ist für den ehemaligen Journalisten und früheren Theologieprofessor der Normalfall. Für Katholiken ist das interessant. Das Interesse der Medienöffentlichkeit ist bei kirchlichen Themen dagegen doch sehr verengt. Damit er die Öffentlichkeit dennoch erreicht, führt er ein eigenes Weblog. Darin werden seine Artikel, Predigten, Ansprachen und vieles andere mehr verbreitet. So gelingt es ihm, auch da in den Diskurs einzugreifen, wo es schwer ist, in die Medien zu kommen. Auf diese Weise kommt es am Ende doch noch zu einer guten Präsenz in den herkömmlichen Medien, obwohl der Bischof gegen den Mainstream schwimmt und nicht wirklich in eine Schublade paßt.
In einem Interview mit dem Merkur hat der junge Bischof angeregt, über Segnungen vor der eigentlichen Trauung nachzudenken. Zugleich hat er einschränkend und beruhigend betont, daß es keine konkreten Pläne im Bistum Passau in diese Richtung gibt. Dennoch macht es Sinn, diesen Gedanken einmal aufzugreifen und weiter zu denken.
Das Erschrecken war groß. Die Frage, ob ausgerechnet Bischof Oster dem Eheskrament den Gnadenstoß geben will, wurde in den sozialen Netzwerken besonders in konservativen Kreisen sofort diskutiert. Nichts davon ist der Fall. Es ging um eine Segnung als Auftakt auf dem Weg zum Ehesakrament. In der Regel kommen die Brautleute zum Pfarrer, wenn alles andere schon geklärt ist. Der Saal,das Essen, das Kleid, der Anzug und die Einladungen sind nicht selten schon vorbereitet. Dann braucht man ja auch noch die Kirche. Es soll ja romantisch werden.
Ob es dann katholisch oder evangelisch wird, ist häufig eher Zufall. Wenn es katholisch werden soll, dann ist die Ehe nun einmal ein Sakrament. Sie ist unauflöslich, sie ist offen für Kinder und sie ist an Bedingungen geknüpft. Die meisten Brautleute haben davon keine Ahnung. Unserer Welt ist das eher ein Ärgernis. Im Vorfeld bekommt man schon von irgendwem gesagt, was man dem Pfarrer antworten muß, damit der beim Vorgespräch die Trauung nicht ablehnt. Das kann nämlich passieren!
Dann wird dem jungen Paar noch ein Wochenende in einem katholischen Bildungshaus aufs Auge gedrückt, wo man gefühlt hauptsächlich darüber redet, ob man die Pille nun nehmen darf oder nicht. Das nennt sich dann Ehevorbereitung.
Nach fünf Jahren Scheidung. Und dann ist Auweia. War die Ehe gültig geschlossen, ist der Ofen aus mit einer neuen Ehe. Das hat man natürlich nicht gewußt. Was bildet sich die Kirche da überhaupt ein? Zu dieser Frage gab es sogar eine Bischofssynode und ein päpstliches Schreiben. Entgegen allen Unkenrufen der Veröffentlichten Meinung ging es dabei nicht primär um die Kommunion für zivil erneut verheiratete Geschiedene. Es ging um die Familie und wie sie zu stärken ist. Die Ehe ist der Ursprung und Kern der Familie. Wer die Ehe stärkt, stärkt die Familie.
Neue Zeiten brauchen neue Wege, um die Wahrheit zu den Menschen zu bringen. Das katholische Eheverständnis ist den Menschen verloren gegangen. Es gelangt sicher nicht zu den Menschen, indem man sie an einem Wochenende in einem Bildungshaus langweilt. Das ist der Gedanke hinter der Idee, junge Paare zunächst einmal zu segnen und dann einen Weg mit ihnen zu gehen.
Es ist eine Illusion zu glauben, junge Menschen würden nicht unverheiratet zusammen leben, nur weil es die Kirche fordert. Wohl denen, die das so machen und so machen können. Es ist eine verschwindend geringe Minderheit. Die Mehrheit lebt schon längst zusammen, wenn sie heiraten. Bislang nimmt die Kirche das einfach so hin. Sie nimmt es auch einfach so hin, daß das Wissen über die Ehe schwindet. Das kann so nicht bleiben. Das haben die Bischöfe auch bei ihrer Synode zum Thema Familie mehrfach gesagt.
Die Mehrheit der Bischöfe in unserem Land schweigt sich jedoch darüber aus. So eine richtig zündende Idee hat keiner. Das Kind ist längst in den Brunnen gefallen. Da kommt die Idee von Bischof Oster im Grunde zur richtigen Zeit. Man sollte sie nun nicht in Bausch und Bogen verdammen. Denken wir doch mal darüber nach, ob nicht zunächst einmal ein Verlobungssegen oder so etwas am Beginn des Weges hin zur Ehe stehen kann. Wer in ein Kloster eintritt, hat ein Postulat und ein Noviziat mit umfangreicher geistlicher Ausbildung. Die Ehe kennt so etwas nicht. Es wird Zeit, in diese Richtung zu denken. Unsere Zeit macht es erforderlich.
Es spräche doch nichts dagegen, ein Verlobungsjahr mit einem tiefgreifenden Ehevorbereitungskurs der Trauung vorzuschalten. Und wenn ein Paar mehr Zeit braucht, dann sollte es die Zeit bekommen. Niemand wird dann ernsthaft annehmen, die Kirche akzeptiere und segne ein Konkubinat. Das ist doch Unsinn. Es ist deutlich besser, den Menschen den Weg aus dem Irrtum anzubieten und dabei zu akzeptieren, daß dieser Weg seine Zeit braucht. Das ist allemal besser, als die Menschen im Irrtum zu belassen. Und es ist viel besser als sie irrend in eine Situation laufen zu lassen, aus der es nur schwere oder keine Auswege gibt.
Der Gedanke von Bischof Oster, der ihn mit Blick auf die Volkskirche sogar selber erst einmal erschreckt hat, sollte festgehalten und weiter gedacht werden. Wenn es eines gibt, was unsere Gesellschaft unbedingt braucht, dann sind es starke Familien. Starke Familien wachsen aber nur aus starken Ehen. Dazu braucht es eine Kirche, die die Menschen mutig an die Hand nimmt und ihnen Wege in eine starke Ehe aufzeigt.
Also bitte mutig weiterdenken, Herr Bischof.
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