von THOMAS PHILIPP REITER
MÜNCHEN – Joseph Ratzinger, Benedikt XVI., Heiliger Vater, Papa emeritus: für den deutschen Papst gibt es viele Formen der Anrede. Am vergangenen Wochenende waren sie alle im Schloss Nymphenburg, einer früheren Sommerresidenz der Wittelsbacher, zu hören. Zahlreiche geladene Gäste hatten dort aus Ratzingers bayerischer Heimat, ganz Deutschland und sogar aus anderen europäischen Ländern zusammengefunden, um den Jubilar nachträglich anlässlich seines 95. Geburtstags am 16. April zu würdigen.
Die eindringlichste Rede hielt der aus Rom angereiste Erzbischof Dr. Georg Gänswein, der dem Gefeierten als langjähriger Privatsekretär sicher am nächsten steht. Dabei waren es weniger Gänsweins Worte, die den Saal atemlos zurückließen, als vielmehr sein Schweigen. Über mehrere Minuten wurde der Präfekt des Päpstlichen Hauses von Tränenausbrüchen übermannt und musste sich sammeln. „Nie hätte ich geglaubt, dass die letzte Wegstrecke vom Monastero Mater Ecclesiae bis zur Himmelstür des Heiligen Petrus so lang ist“, habe ihm Papst Benedikt anvertraut. Inzwischen sei der im Kopf noch völlig klare und wache Mann äußerlich jedoch sehr gebrechlich und seine Stimme sei immer unverständlicher geworden.
Eingeladen hatten die „Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung“ und das „Institut Papst Benedikt XVI.“ in den Hubertussaal der Orangerie von Schloss Nymphenburg. In ihrem früheren Besitz war mit dem IT-Unternehmer Ludwig Heinrich Prinz von Bayern auch das vormals regierende Haus vertreten, die im Schloss immer noch ihre herzogliche Verwaltung untergebracht hat. Mit Altministerpräsident Edmund Stoiber, der seine Frau Karin mitgebracht hatte, sowie Peter Gauweiler war zumindest auch die CSU zugegen.
Fast interessanter war jedoch, welche Institutionen nicht anwesenden waren: Vertreter der amtierenden bayerischen Staatsregierung oder der Stadt München suchte man vergeblich, von der früheren oder der heutigen Bundesregierung ganz zu schweigen. Aber auch die Medienbegleitung dieses doch hochrangigen Events war bezeichnend: sie war nämlich ausschließlich katholisch. Der Bayerische Rundfunk zum Beispiel interessiert sich nicht mehr für den weltweit vermutlich prominentesten Bayern. Dafür war die katholische Kirche auf allen Ebenen präsent. Papst Franziskus hatte seinen Apostolischen Nuntius, den kroatischen Erzbischof Dr. Nikola Eterović aus Berlin, entsendet und auch die beiden Bistümer München-Freising und Regensburg, in denen Joseph Ratzinger wirkte, waren durch ihre Bischöfe Rupert Graf zu Stolberg und Dr. Rudolf Voderholzer präsent. Aber auch Menschen wie der heute in Ottobeuren im Ruhestand lebende Pfarrer Otto Fink, der immerhin als Sekretär für Ratzinger gewirkt und darüber das Buch „Zwischen Pileolous und Schreibmaschine“ geschrieben hat, waren unter den Gästen.
Der Heilige Vater soll sich „wie ein Kind“ über die Veranstaltung ihm zu Ehren gefreut haben, ließ Erzbischof Gänswein verlauten. Da sie durch den katholischen Fernsehsender EWTN live übertragen wurde, habe Benedikt die Matinee am Bildschirm verfolgt. Er wird sich über die Ausführungen der Ratzinger-Preisträgerin des Jahres 2018 gefreut haben: Professor Dr. Marianne Schlosser war aus Wien angereist und hat den Gästen die Kernthese von Benedikts Wirken und Schaffen verständlich gemacht. Eine seiner Enzyklikas trägt sie als Titel: „Deus Caritas Est“ – Gott ist Liebe. Eine Liebe, die entgegen dem Eindruck, den die meisten Medien in Deutschland zu schaffen versuchen, sehr viele Menschen für den sicher außergewöhnlichsten Theologen und Kirchenmann am Beginn des 21. Jahrhunderts bis heute innig empfinden.
Bildquelle:
- Bischof_Gänswein_München: tpr