Bestätigt sich jetzt doch, was die Trump-Kritiker vorhergesagt haben?

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser!

Als ich heute gegen 6 Uhr meinen Computer hochfuhr, fand ich eine wahre Flut von Mails und WhatsApp-Nachrichten von Lesern und Freunden vor. Donald Trump habe die Ukraine verraten – wir haben es ja immer gewusst. Und spontan beantwortete ich das bei einigen, die ich persönlich gut kenne, erstmal als übertrieben und Quatsch ab. Leider ist das nicht so.

War der Auftritt von US-Präsident Donald Trump gestern Abend auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago (Florida) tatsächlich die von vielen befürchtete Zeitenwende?

Es gebe in der Ukraine „eine Führung, die einen Krieg zugelassen hat, den es nie hätte geben dürfen.“ Hat er das wirklich gesagt? Und dann: „Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.“

Man steht fassungslos vor dieser Verdrehung der Tatsachen

Das erinnert unwillkürlich an die vergewaltigte Frau, der der Anwalt des Täters vor Gericht vorwirft, sie hätte „es ja zulassen können“, dann hätte er ihr nicht auch noch den Unterkiefer gebrochen oder sie erstochen. Oder 1940 der Luftkrieg Nazi-Deutschlands gegen britische Städte. Selbst schuld – sie hätten ja einen Deal machen können, oder?

Die Aussagen Trumps gestern sind schrecklich, bestätigen sie doch alles, was seine Kritiker vorhergesagt und viele befürchtet haben.

Das Schicksal der Ukraine, übrigens auch des Nahen Ostens, interessiert den neuen Präsidenten nicht wirklich. Er will schnell außenpolitische Erfolge einsammeln, vielleicht einen Friedensnobelpreis einsammeln und dann wieder auf den Golfplatz.

All das wird nicht passieren, sage ich voraus, als jemand, der sich sonst zurückhält mit Kaffeesatzleserei.

Was für ein Spiel läuft da zwischen Trump, Putin und vielleicht auch Xi?

Vor ein paar Tagen habe ich meine Vermutung niedergeschrieben, die USA verfolgten eine disruptive Strategie, um die Partner zu mehr Anstrengungen zu drängen. Das halte ich immer noch für möglich. Wie Putin auch verachtet Trump Schwäche – sei es von konkurrierenden Unternehmen, politischen Gegnern oder Staaten. Europa hat alles, was man braucht, um ein starker Mitspieler zu werden. Nicht ausreichend, aber alles ist im Grunde da. Wenn Trump diesen Kurs weiterführt und eigene Verbündete brüskiert, während er ChiChi mit unseren Feinden macht, dann ist für die Staaten Europas keine Zeit mehr zu verlieren.

Vor vielen Jahren gab es eine amerikanische Stiftung namens „Western Goals“, es war die Zeit des großartigen US-Präsidenten Ronald Reagan. Ein ThinkTank, wie man das heute nennen würde. Genau genommen ein bisschen mehr als das, denn wenn man Geldflüsse für die antikommunistischen „Contras“ in Nicaragua organisiert, oder eine Datensammlung über Kommunisten in den USA anlegt, dann geht man übers Denken ein wenig hinaus. Western Goals legte damals eine Buchreihe auf, in der behauptet wurde, die USA hätten in Korea und dann Vietnam ihre Verbündeten im Stich gelassen.

Interessant damals: Das Magazin „Politico“ fand 2018 heraus, dass für diese amerikanische Stiftung mehr Geld aus (West-)Deutschland gespendet wurde, als in den USA. Es gab damals tatsächlich starke Unterstützung von Politikern und Gönnern in der CSU.

Western Goals jedenfalls brachte in den 80er Jahren mindestens zwei Bücher heraus, die überschrieben waren mit „Ally Betrayed“, also „Verbündete verraten“. Im Kampf gegen den Kommunismus habe man die Menschen in den (mehr oder weniger) demokratischen Teilen Vietnams und Korea verraten. Es soll später noch einen dritten Band gegeben haben zu Nicaragua, aber das konnte ich so schnell nicht verzifizieren heute früh.

Werden die Vereinigten Staaten unter Trump ihre Freunde und Verbündeten verraten?

Ich kann und will das nicht glauben, ja nicht einmal denken. Und Leute wie Marco Rubio, der junge Außenminister, würden die das mitmachen, die ganze Administration in DC? Ich halte das immer noch für eine sich anbahnende neue Verschwörungserzählung.

Aber, leider, kann man es nicht ausschließen nach dem skurrilen Auftritt von Trump gestern in Florida. Der Auftritt von JD Vance in München war klasse, der Druck auf die fußlahmen NATO-Partner war zu erwarten und auch richtig. Selbst der disruptiven Idee von der Côte d’Azur in Gaza kann ich etwas abgewinnen, weil es so herrlich unkonventionell ist, wie Trump in den ersten Wochen agiert hat.

Sein Auftritt gestern in Florida gibt Grund zu echter Besorgnis…

Mit besten Grüßen

Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.