BERLIN-WAHL: Die CDU ist wieder da – FDP zittert, AfD legt leicht zu – bleibt aber unter 10 Prozent

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner freut sich: Seine Partei ist klar stärkste Kraft in Berlin. Foto: Fabian Sommer/dpa

von LENA KLIMPEL & TORSTEN HOLTZ

BERLIN – Bei der Wahl in Berlin ist die CDU erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten wieder stärkste Kraft geworden. Nach ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF vom Sonntag liegen die Christdemokraten mit Spitzenkandidat Kai Wegner deutlich vor SPD und Grünen, die sich ein enges Rennen um Platz zwei liefern. Die Sozialdemokraten von Regierungschefin Franziska Giffey stürzen auf ein historisches Tief.

Auf Platz vier landet die Linke, die mit SPD und Grünen seit 2016 in der Hauptstadt regiert. Die AfD ist sicher wieder im Abgeordnetenhaus vertreten, die FDP muss dagegen um den Einzug bangen.

Wegen schwerwiegender Wahlpannen hatte das Landesverfassungsgericht die Wahl des Landesparlaments vom September 2021 und die Bezirkswahlen für ungültig erklärt – und eine Wiederholung angeordnet. Damals hatten lange Warteschlangen vor Wahllokalen sowie fehlende, vertauschte oder kopierte Stimmzettel bundesweit Schlagzeilen gemacht.

FDP könnte unter 5 Prozent landen

Den Hochrechnungen zufolge gewinnt die CDU bei der Wiederholungswahl fast zehn Prozentpunkte hinzu und kommt auf 27,5 bis 27,8 Prozent (2021: 18,0 Prozent). Die SPD von Bürgermeisterin Franziska Giffey liegt bei 18,1 bis 18,4 Prozent (21,4). Die Grünen landen ebenfalls bei 18,1 bis 18,4 Prozent (18,9). Die Linke rutscht leicht auf 12,6 bis 12,8 Prozent ab (14,1). Die AfD legt dagegen auf 9,0 bis 9,1 Prozent der Wählerstimmen zu (8,0). Die FDP verliert leicht und muss mit 4,5 bis 5,0 Prozent fürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern (7,1).

Wahlberechtigt zur Abgeordnetenhauswahl waren etwa 2,4 Millionen Menschen. Die Wahlbeteiligung lag laut den Prognosen bei 63,5 bis 65,0 Prozent. 2021 waren es 75,4 Prozent, doch wurde in dem Jahr gleichzeitig auch der Bundestag gewählt.

CDU-Spitzenkandidat Wegner sprach von einem «phänomenalen» Erfolg und sagte: «Unser Auftrag ist es, eine stabile Regierung zu bilden.» Berlin habe den Wechsel gewählt. Er kündigte an, SPD und Grüne zu Sondierungen einzuladen.

Bürgermeister-Frage völlig offen

Doch ob er ein Regierungsbündnis schmieden kann, ist offen. SPD und Grüne hatten angedeutet, dass sie ihre Koalition mit der Linken auch im Fall eines CDU-Siegs fortsetzen wollen – wofür die Mehrheitsverhältnisse auch reichen würden.

Giffey erkannte den CDU-Sieg an. Die Wähler wünschten sich, «dass Dinge anders werden». Ihr Ziel bleibe aber, stärkste Kraft in der neuen Landesregierung zu werden. Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach sich für eine Fortsetzung der Koalition mit SPD und Linken aus. «Die jetzige Regierungskoalition hat eine klare und stabile Mehrheit», sagte sie in der ARD.

Eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot wäre eine Kampfansage an Wegner, der die CDU nun wieder nach vorn geführt hat. Der 50-Jährige ist gebürtiger Berliner, verheiratet, Vater dreier Kinder und lebt im Bezirk Spandau. Außerhalb der Stadt ist der Hertha-BSC-Fan wenig bekannt.

Auftrieb für die CDU im Bund?

Giffey punktete im Wahlkampf mit ihrem Amtsbonus kaum. Die 44-jährige SPD-Landeschefin, die östlich von Berlin aufwuchs, war Bürgermeisterin im Bezirk Neukölln und stieg 2018 zur Bundesfamilienministerin auf. Wegen einer Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit trat Giffey im Mai 2021 aus dem Kabinett zurück.

Die 54-jährige Umweltsenatorin Jarasch hat – sollten die Grünen zweitstärkste Kraft werden – die Option, erste Grünen-Regierungschefin in Berlin zu werden und Giffey abzulösen. Die gebürtige Augsburgerin steht für eine Verkehrswende weg vom Verbrenner-Auto und einen ehrgeizigen Kampf gegen die Erderhitzung – was die politische Schnittmenge mit FDP und CDU verkleinert.

Der Erfolg der Berliner CDU dürfte der Bundespartei und dem Vorsitzenden Friedrich Merz Auftrieb geben, denn in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen in Bremen, Hessen und Bayern an. Für die SPD im Bund ist das Ergebnis ein Dämpfer, weil Giffey ihren Posten als Regierungschefin in Berlin verlieren könnte. Die Bundes-FDP muss sich nach einer Reihe empfindlicher Wahlschlappen darauf vorbereiten, möglicherweise ein weiteres Mal aus einem Landesparlament zu fliegen.

Großes Thema des kurzen Wahlkampfs war neben der Mieten- und Verkehrspolitik eine scharfe Debatte über die Silvesternacht, in der Krawallmacher Polizei und Rettungskräfte attackiert hatten. Auch bundesweit wurde aufgeregt über Jugendgewalt, Täter mit Migrationshintergrund und Integrationsprobleme diskutiert. Besonders stark polarisierte die Landes-CDU, die die Vornamen von Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit erfragte.

Kürzere Regierungszeit

In der Mieterstadt Berlin heizte fehlender bezahlbarer Wohnraum den Parteienstreit zusätzlich an. Dabei geht es auch um einen Volksentscheid, bei dem 2021 fast 60 Prozent für die Enteignung großer Wohnungskonzerne stimmten. Giffey positionierte sich zuletzt dagegen und liegt damit auf einer Linie mit der CDU. Auch FDP und AfD lehnen Enteignungen ab. Die Linke fordert hingegen die schnelle Umsetzung des Volksentscheids, die Grünen sehen Enteignungen nur als letztes Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Umstritten war auch der vom Bund angekündigte Weiterbau der Stadtautobahn A100. Die Koalition aus SPD, Grünen und Linke lehnt ihn ab. CDU, FDP und AfD befürworten die Verlängerung der Trasse.

Nach der Pannenwahl 2021 rückten auch Missstände in der Berliner Verwaltung stärker in den Fokus. Berlinerinnen und Berliner sind etwa mit wochenlangen Wartezeiten für Bürgeramtstermine konfrontiert – ein seit Jahren schwelendes Problem.

Weil es keine Neuwahl ist, ändert sich nichts an der Legislaturperiode: Sie endet 2026, also fünf Jahre nach der Wahl 2021.

Bildquelle:

  • Kai Wegner: dpa

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