Bedingt sondierungsfähig? Wachsende Fliehkräfte in der Union

ARCHIV - Die Frage, ob Armin Laschet (CDU) in der Union nach der Wahlschlappe den Takt angibt, wird immer häufiger gestellt. Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN/MÜNCHEN – Es ist wieder nicht Armin Laschet, der zwei Tage vor Beginn der vorentscheidenden Gespräche über ein mögliches Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP den Takt vorgibt.

«Wir sind bereit zu Jamaika. Wir sind bereit zu schnellen Gesprächen, zu kompakten und auch vor allem zu sehr konzentrierten Gesprächen» – diese Sätze sagt am Freitag nicht der CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat. Sie kommen von Markus Blume, dem Generalsekretär der CSU. Der ergänzt nach einer Schalte des CSU-Präsidiums noch: «Wir als CSU wollen alles dafür tun, dass die Möglichkeit, die besteht, auch genutzt wird.»

Gut möglich, dass Blumes Worte in den Ohren von manchen in der CDU-Spitze wie Hohn klingen. Zwar sprach CSU-Chef Markus Söder noch am Wahlabend vom «klaren Ziel», dass Laschet Kanzler werde. Doch in den Tagen danach sind von dem mächtigen Bayern ganz andere Töne zu hören. «Die besten Chancen, Kanzler zu werden, hat derzeit Olaf Scholz – eindeutig», sagte er am Dienstag. Für etliche in der CDU wirkt der CSU-Chef wieder so, als wolle er Laschet schwach und unsicher aussehen lassen, wie schon in den Wahlkampfmonaten.

Blumes Auftritt zeigt vor allem eines: Die CSU will und muss – erst recht nach dem Hin und Her bei der Terminfindung – unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, den Jamaika-Sondierungen am Sonntag mit der FDP und am Dienstag mit den Grünen nicht die nötige Bedeutung beizumessen. Denn klar ist: Sollte es nicht zum angepeilten Bündnis kommen, soll die Schuld daran nicht bei der CSU hängen bleiben. Denn CSU-intern glaubt eine Mehrheit nicht mehr an Jamaika.

Stabil und verlässlich ist bei der Union eines: der Schwesterzwist

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Donnerstag mit Blick auf die Gespräche mit CDU/CSU gesagt: «Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig.» Auch intern sollen Grüne und FDP der Union signalisiert haben, zunächst müsse geklärt werden, wie stabil eine gemeinsame Regierung überhaupt sein könne. Denn stabil und verlässlich scheint bei der Union seit der Wahl nur eins: der Schwesternzwist. Und bei der CDU wachsen die Fliehkräfte.

Offenbar bereiten sich in der CDU viele intensiver darauf vor, einen der wenigen in der Opposition verbleibenden machtvollen Posten zu bekommen, als auf mögliche Jamaika-Verhandlungen. So gerieten im Ringen um den Fraktionsvorsitz am Dienstag der Wirtschaftsexperte Friedrich Merz und der amtierende Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) aneinander. In kleiner Runde: Neben Laschet, Merz und Brinkhaus waren nach einem auch der Deutschen Presse-Agentur bestätigten «Spiegel»-Bericht der Außenpolitiker Norbert Röttgen und CDU-Vize Jens Spahn, der Gesundheitsminister, dabei.

Alle kommen wie Laschet aus Nordrhein-Westfalen, alle wollen in einer Nach-Laschet Zeit weiter eine wichtige Rolle in der Partei spielen. Im Verlauf des Wortwechsels, schreibt der «Spiegel», habe Merz sogar ein Glas mit Orangensaft auf den Tisch geknallt. Es läuft mal wieder nicht freundschaftlich unter den CDU-Parteifreunden. Und nach stabiler CDU sieht das auch nicht aus.

Am Freitag macht Merz, den Laschet in der Wahlkampf-Schlussphase in sein «Zukunftsteam» geholt hatte, dann auch noch öffentlich seinem Ärger über das desaströse Wahlergebnis Luft. «Die CDU ist denkfaul geworden», ätzt er in den Funke-Zeitungen. Die CDU habe «das thematische Arbeiten verlernt». Er richte sich darauf ein, «ein normaler und hoffentlich guter Abgeordneter zu sein». Das klingt nicht so, als traue Merz es Laschet zu, doch noch ein Jamaika-Bündnis zu schmieden. Denn eigentlich wäre Merz wohl gerne Minister geworden.

Wie lange sich Laschet noch halten kann, ist offen. Ihm bleibt im Moment nur eines: Er muss auf die Gespräche mit FDP und Grünen setzen – trotz aller internen Querschüsse. Obwohl etliche in der CDU-Spitze glauben, dass es zuerst nur Koalitionsgespräche der SPD mit Grünen und FDP geben werde, hofft Laschet wohl, dass diese am Ende wegen unüberbrückbarer inhaltlicher Differenzen noch scheitern könnten. Dann wäre die Union wieder im Spiel.

Söder und Laschet bei Stoibers Geburtstagsfeier

Und Söder? Der hatte schon zu Wochenbeginn betont, was man jetzt mache, stelle die Weichen für die bayerische Landtagswahl in zwei Jahren. Dann muss er liefern, dann ist er allein der Verantwortliche. Klar ist: Die Wahlergebnisse seines langjährigen Mentors, des früheren CSU-Chefs und Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, wird Söder wohl nie wieder erreichen können. Stoibers Spitzenwert bei einer Landtagswahl lag jenseits der 60-Prozent-Marke.

Wie es der Zufall will: Am Freitagabend wollte die CSU Stoibers 80. Geburtstag feiern. Angekündigt waren Söder – und Laschet. Zur Erinnerung: Angela Merkel hatte Stoiber 2002 die Kanzlerkandidatur überlassen – der CSU-Mann scheiterte knapp. 38,5 Prozent holte die Union mit Stoiber damals, nur 6000 Stimmen weniger als die SPD. Mit Laschet kam die Union diesmal auf nur 24,1 Prozent.

Bildquelle:

  • Laschet: dpa

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