von KLAUS BERGMANN & CHRISTOPH LOTHER
MÜNCHEN – Der ausgerufene «Neustart» beim FC Bayern München nach dem Doppel-Rauswurf von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic wird fürs Erste von alten Bekannten gestaltet.
Die Bayern präsentieren sich quasi als Retro-Bayern: mit dem ewigen Vereinspatron Uli Hoeneß (71), Rückkehrer Karl-Heinz Rummenigge (67), Präsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer (68) sowie Jan-Christian Dreesen (55), der den Verein eigentlich nach zehn Jahren verlassen wollte und nun zum neuen Vorstandsvorsitzenden befördert wurde.
«Ich bin nicht der Neue, sondern ich bin maximal der neue Alte», sagte Dreesen bei seiner Präsentation am nicht mehr erwarteten Münchner Meister-Wochenende. Das könnten auch Hoeneß und Rummenigge sagen, die ihr eigenes Erbe ein weiteres Mal gestalten müssen.
Der Verein soll befriedet und beruhigt werden. Und auch sportlich muss er nach zwei verlorenen Jahren neu ausgerichtet werden – auf mehr Titel, auf Dominanz, kurzum wieder auf «Mia san mia». Der bisherige Finanzvorstand Dreesen übernimmt Kahns Job. Er will eine Art Anti-Kahn sein, ein nahbarer Teamworker. Der Ostfriese Dreesen sprach von mehr «Füreinander» und «Miteinander» an der Säbener Straße – «und ein bisschen Freude sollte auch noch mit dabei sein». Ein Nachfolger für Salihamidzic ist die personelle Baustelle, die noch geschlossen werden muss. Das soll aber ohne Zeitdruck geschehen.
Erinnerungen an 2016
«Wir haben so etwas schon mal gehabt», erinnerte Dreesen an 2016, als Matthias Sammer aus gesundheitlichen Gründen beim FC Bayern ausschied. Es dauerte über ein Jahr, bis der Manager-Novize Salihamidzic von Hoeneß und Rummenigge als (Not-)Lösung präsentiert wurde. «Da hatten wir eine ganze Weile auch keinen Sportdirektor oder Sportvorstand im Team. In der Zeit habe ich sehr intensiv mit Karl-Heinz Rummenigge das Transfergeschäft betrieben», sagte Dreesen nun. Die Uhr wird jetzt noch einmal zurückgedreht.
Erste Kandidaten für den Posten des Sportvorstands werden öffentlich gehandelt, etwa Hoeneß‘ ewige Wunschlösung Max Eberl (RB Leipzig) oder Markus Krösche (Eintracht Frankfurt). «Ich glaube, der FC Bayern sucht eine große und langfristige Lösung», sagte Michael Reschke der Deutschen Presse-Agentur. Der 65-Jährige war von 2014 bis 2017 Technischer Direktor. Eine Rückkehr nach München sei für ihn «aktuell kein Thema».
Vielleicht fällt Hoeneß‘ Wahl am Ende auch wieder auf einen prominenten Ex-Bayern-Profi. Doch das ist Zukunftsmusik. Jetzt geht’s um die Gegenwart. Die neue Saison und drängende Transferthemen wie ein neuer Mittelstürmer oder Verkäufe wechselwilliger Spieler wie etwa Benjamin Pavard müssen während der Sommerpause erledigt werden. «Wir haben neu im Team Karl-Heinz Rummenigge. Wir haben immer noch im Team Uli Hoeneß. Und wir haben vor allem auch im Team einen Thomas Tuchel», sagte Dreesen, der als CEO das gesamte operative Geschäft verantwortet, zur Herangehensweise.
Schlüsselrollen bei Rummenigge und Tuchel
Die Schlüsselrollen fallen Rummenigge und Tuchel zu. Rummenigge, der nach fast zwei Jahrzehnten 2021 vorzeitig den Chef-Posten für Kahn räumte, kehrt als Aufsichtsrat zum Rekordmeister zurück. Seine Aufnahme in das bislang mit acht Personen besetzte Gremium um Hoeneß auf der Sitzung am Dienstag galt vorab als Formsache. «Karl-Heinz hat einen unheimlich großen Fußball-Sachverstand. Den wollen wir auch wieder stärker nutzen», sagte Aufsichtsratschef Hainer. Rummenigge ist ein Transfer-Profi und international top vernetzt.
Und Rummenigge sollte mit Tuchel harmonieren, den er schon zu seiner Vorstandszeit gerne als Trainer nach München geholt hätte. Tuchel, der sich seine ersten Bayern-Monate nach dem Blitzeinstieg Ende März auch ganz anders ausgemalt hatte, will in der kommenden Spielzeit wieder Fußball und Siege liefern, denen das Gütesiegel «Bayern-like» anhaftet. «Wir werden versuchen, uns bestmöglich vorzubereiten in der Transferphase», kündigte Tuchel an: «I hate to lose!» Er will nicht mehr viel verlieren, sondern alles gewinnen. Darum müsse man nun «Gas geben, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen», wie er sagte.
«Im Sommer schieben wir das Ding nochmal richtig an», verkündete Tuchel während der Meisterfeier. Aus Sicht des neuen Oberbosses Dreesen bedeutet das für die Bundesliga: «Wir wollen auf Nummer eins stehen – und Dortmund soll auf Nummer zwei stehen.»
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- Thomas Tuchel: dpa