von THOMAS FLEHMER & DAVID LANGENBEIN
BERLIN – Geht das schon wieder los? Nach dem krachenden Fehlstart in die neue Saison ist die zarte Aufbruchstimmung bei Hertha BSC schon wieder passé, doch die Clubbosse schalten nicht in den Krisenmodus.
«Am ersten Spieltag einen Abgesang auf einen Verein zu machen, finde ich verfrüht», sagte Fredi Bobic im Fußball-Talk «Doppelpass» des TV-Senders Sport1. Der Geschäftsführer konnte und wollte das verdiente 1:3 zum Bundesliga-Auftakt im Stadtderby bei Union Berlin aber auch nicht schönreden: «Es war ernüchternd, das muss man klar sagen.»
Erst die peinliche Pokal-Niederlage bei Zweitliga-Aufsteiger Braunschweig, nun mal wieder chancenlos im Spiel um die Stadtmeisterschaft: Nach nur zwei Pflichtspielen ist von der Euphorie aus dem Sommer mit neuem Trainer und Präsidenten kaum noch etwas übrig. Dass der Stadtrivale aus Köpenick den nächsten Umbruch mal wieder zu meistern scheint, macht den Fehlstart für die Hertha doppelt bitter. Die versteinerte Miene des neuen Präsidenten und ehemaligen Ultras Kay Bernstein auf der Tribüne des Rivalen sprach Bände.
«Kann nicht alles von heute auf morgen funktionieren»
Bobic und Trainer Sandro Schwarz hatten stets betont, dass die Umstellung auf den neuen, aktiveren Fußball ihre Zeit brauchen werde. «Es ist auch klar, wenn du so neu zusammengestellt bist, kann nicht alles von heute auf morgen funktionieren», sagte Bobic.
Beim Auftritt in Köpenick waren kaum Fortschritte zur vergangenen Saison erkennbar: Hertha war offensiv größtenteils harmlos und defensiv zaghaft. Die Abwehrbemühungen sahen mehr nach Begleitschutz als Gegenwehr aus. Fünf Kilometer liefen die Charlottenburger weniger als die Eisernen. «Die Bereitschaft muss von innen heraus kommen», sagte Schwarz nach dem Training am Sonntag. Das Team habe unter anderem zu wenige Tempoläufe und Sprints gezeigt.
Schwarz bemängelt Bereitschaft
Für Bobic war die Niederlage selbst verschuldet, «weil wir diese Kompromisslosigkeit, die Union in den Zweikämpfen hatte, nicht mitgehen konnten». Schwarz bemängelte die Bereitschaft seiner Profis. Gerade wegen der Art und Weise «schmerzt es natürlich immer noch», sagte er, «wir sind verärgert darüber».
Trotzdem warnte auch er vor zu viel Pessimismus, und Parallelen zur unrühmlichen Vergangenheit wollte der Trainer auch keine ziehen: «Die Grundstimmung werden wir nicht davon abhängig machen, wie es vor einem oder zwei Jahren war.» Es gelte die richtigen Schlüsse zu ziehen. «Wir müssen daran arbeiten, auf dem Platz als Gruppe eine Energie auszustrahlen», forderte Schwarz.
Hertha mit schwierigem Startprogramm
Allerdings: Das Startprogramm der Blau-Weißen ist brutal. Am kommenden Samstag kommt der Europa-League-Sieger aus Frankfurt ins Olympiastadion, dann geht es zu Borussia Mönchengladbach, bevor Vizemeister Borussia Dortmund in Berlin gastiert. Die Krise kann sich schnell zuspitzen.
Angesichts dessen ist der Burgfrieden mit den Fans von immenser Bedeutung. Statt wie nach den vergangenen beiden Derby-Pleiten in teils demütigender Art zu protestieren, sprachen die enttäuschten Anhänger der Mannschaft Mut zu. «Was die Fans geboten haben, speziell auch nach dem Spiel im Umgang damit», schwärmte Schwarz, «war herausragend».
Ejuke und Kanga als Lichtblicke
Ein weiterer kleiner Lichtblick bei den Berlinern waren zudem die Leistungen von Chidera Ejuke und Wilfried Kanga, die nach ihren Einwechslungen das Spiel belebten. Auf prominente Verstärkungen dürfen die Fans wohl nicht mehr hoffen, «es werden nicht mehr viele kommen», verriet Bobic. Es gehe eher ums «abspecken, Geld machen und Personalkosten runterbekommen».
Ein kleinerer Kader mit günstigeren und zufriedeneren Spielern sorge für eine bessere Teamchemie, so die Hoffnung des Geschäftsführers. Gut möglich, dass der unzufriedene Ex-Kapitän Dedryck Boyata nach seiner Nicht-Nominierung gegen Union noch wechselt.
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- Sandro Schwarz: dpa