Auch die Generation Klum wird ihren Weg machen

von KLAUS KELLE

Während ich diesen ersten Satz schreibe, gehen bereits die ersten Postings und Mails von Lesern ein, die sich empören, dass wir die Siegerin der Casting-Show „Germany’s next Topmodel“ in unserer Zeitung melden. Wie kann sich ein intelligentes Medium für das Bürgertum mit derartigem Quatsch beschäftigen? Was für eine Zumutung, Leser, die konservativ und liberal ticken, sich für Politik, Wirtschaft und Glauben interessieren, mit so etwas zu behelligen?

Wir tun das, weil wir eine Tageszeitung sind, die sich mit Relevantem beschäftigt. Relevantem? Spinnt der Kelle jetzt völlig?

Millionen unserer Kinder gucken derartige Castingshows. Als vor vielen Jahren RTL zum ersten Mal und dann immer wieder Deutschlands  „Superstar“ suchte, der nie einer wurde, schaute bei uns die ganze Familie zu. Ich auch. Die Kinder riefen sogar beim „Voting“ immer wieder an, um ihre Favoriten nach vorn zu bringen und die Kassen beim Sender klingeln zu lassen.

Warum ist das schlimmer, dümmer, niveauloser als damals, als unsere Eltern bei „Einer wird gewinnen“ oder dem heute ESC genannten europäischen Schlagerwettbewerb mitfieberten? Für Abba oder Katja Ebstein anriefen? Klar, heute ist alles kommerzialisiert. Geschenkt, Kommerz treibt unsere Wirtschaft voran. Das Geld ist ja nicht weg, es hat nur jemand anders.

Aber ernsthaft: Warum muss man als Konservativer alles grundsätzlich doof finden, was neu ist? Nur, weil es neu ist? Unsere älteste Tochter sitzt jetzt gerade bei der mündlichen Abi-Prüfung ihren Lehrern gegenüber. Sie ist eine wirklich gute Schülerin, vor den Abi-Prüfungen (wahrscheinlich würde sie es Challenge nennen) mit 1,5 vorbenotet. Sie will ab Herbst studieren und schaut sich schon seit Monaten nach einer geeigneten Universität um, wo Leistung wichtig ist, Beziehungen zu anderen Universitäten weltweit gepflegt werden. Und einmal in der Woche übernimmt sie unser Wohnzimmer, sitzt mit ihren besten Freundinnen vor der Glotze, isst mit ihnen Nachos und Guacamole. und guckt Heidi Klum und ihren Hühnern bei der Arbeit zu. Na und? Was sagt uns das über sie aus?

Zeiten und Trends verändern sich, Vieles ist besser geworden. Früher war alles besser? Manches sicherlich, aber auch die Generation Heidi Klum wird ihren Weg machen. Daran habe ich keinen Zweifel.

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.