Attacke vor Mitternacht: Hoeneß lobt Löw und watscht DFB ab

Uli Hoeneß (l) gab seine Premiere als Experte an der Seite von Moderator Florian König. Foto: Henning Kaiser/TVNOW/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits
Erst als die Sprache auf das Führungschaos beim DFB kam, erwachte die altbekannte Abteilung Attacke in Uli Hoeneß.

Sechs Minuten lang schimpfte der langjährige Patron des FC Bayern München in seiner neuen Rolle als TV-Experte für den Privatsender RTL über die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes und watschte den einen oder anderen prominenten Protagonisten mit deutlichen Worten ab. «Es kann nicht sein, dass das, was sich da im Moment abspielt, so weitergeht. Das ist ein Trauerspiel», polterte Hoeneß.

Der 3:0-Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Island zum Auftakt der WM-Qualifikation war da schon über eine halbe Stunde Geschichte. Geradezu sanftmütig hatte der 69-Jährige den ersten Auftritt der DFB-Elf seit dem 0:6 gegen Spanien analysiert und Bundestrainer Joachim Löw gepriesen. «So habe ich mir das vorgestellt. Ich bin total zufrieden, nicht nur vom Ergebnis her, sondern auch von der Art und Weise», flötete Hoeneß. Er lobte die Aktion der Mannschaft, die sich vor dem Anpfiff mit der Aufschrift «Human Rights» (Menschenrechte) präsentiert hatte, mit der sie auch auf die Arbeitsbedingungen im WM-Gastgeberland Katar abgezielt hatte.

«Wir wollen ja die mündigen Spieler haben und es ist völlig berechtigt, so etwas zu machen. Wenn sie darauf hinweisen, dass es dort Probleme gibt, kann es auch dazu führen, dass die Arbeitsbedingungen besser werden», kommentierte Hoeneß, der im dunkelblauen Anzug und offenem weißen Hemdkragen mit einem schlichten «Guten Abend» in seine neue Rolle als Fachkraft des übertragenden Senders RTL gestartet war. So pompös und pathetisch die Vorstellung im Vorspann geriet («Eine Fußball-Legende zurück auf der großen Bühne»), so entspannt und gelassen plauderte Hoeneß lange Zeit.

Zwar nannte er Bayern-Ersatztorwart Nübel kurz Andreas statt Alexander oder warnte vor den Isländern, die «von der physischen Stärke her sehr stark» seien. Aber er kommentierte unaufgeregt, diplomatisch, schnörkellos – bis zur Eruption vor Mitternacht.

Hoeneß wünschte dem nach der EM im Sommer aus dem Amt scheidenden Löw den Abschied, «den er verdient». Er referierte über «Reflexe in der Gesellschaft» nach Niederlagen, verteidigte das Hygienekonzept des DFB («Ich glaube, dass die Leute verstehen müssen, dass Fußball in dem Fall ein Beruf ist. Und wenn bei BMW oder bei Daimler-Benz ein Corona-Fall auftritt, geht auch nicht die ganze Belegschaft nach Hause.») und äußerte die Hoffnung, «dass wir eine gute EM spielen».

Doch beim Stichwort EM und angesprochen auf die Zwistigkeiten in der Verbandsspitze, fing dann doch der Hoeneßsche Oberkörper leicht an zu wippen und das rechte Knie dezent an zu zucken. Im Hintergrund blendete die Regie das Emblem des DFB ein, Hoeneß verzog keine Miene und schaute weiter ernst-konzentriert, die Hände hatte er neben einem Blatt Papier auf dem Stehtisch abgelegt. Die frühe Abschiedsankündigung von Löw müsse auch dazu führen, dass der DFB «seine derzeitige Führungsstruktur überdenken muss», sagte er dann.

Hoeneß nannte explizit das Verhältnis zwischen Generalsekretär Friedrich Curtius und Verbandschef Fritz Keller. Dieser sei als Präsident gewählt worden, im gleichen Atemzug habe «der Rest des Präsidiums die Kompetenzen eingeschränkt, damit sie weiterhin wurschteln können, wie sie wollen. Und das kann so nicht sein», führte Hoeneß weiter aus. Und damit es auch wirklich jeder versteht, formulierte er unzweideutig: «Ich bin überzeugt, dass hier personelle Konsequenzen getroffen werden müssen, und zwar Veränderungen.»

Keller und Curtius hatten sich zuletzt nach wochenlangen Streitigkeiten darauf verständigt, den Verband weiter gemeinsam zu führen. Für Kontroversen sorgte jüngst der Wikipedia-Eintrag von Curtius. Dabei war bekannt geworden, dass der DFB einen Dienstleister mit einer Überarbeitung bzw. Erweiterung des Eintrags beauftragt hatte. Was er von den Vertretern des DFB in den internationalen Gremien von Weltverband FIFA und europäischem Dachverband UEFA hält, tat Hoeneß dann auch noch gleich kund – indem er den als Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern ausscheidenden Karl-Heinz Rummenigge vorschlug und aktuell vorherrschende «Machtspiele», «Postenschacherei und Aufwandsentschädigungen» anprangerte.

Als Moderator Florian König Punkt Mitternacht zum Abschied «Es hat Spaß gemacht» sagte, lächelte Hoeneß kurz und sagte: «Mir auch.»

Bildquelle:

  • Fußball-Experte: dpa

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