Arme Helene, was haben die bloß gegen Dich?

Liebe Leserinnen und Leser,

warum hassen bloß so viele Menschen Helene Fischer (oder auch Heidi Klum)? Zugegeben, Hass ist ein großes Wort, sagen wir also: Was haben bloß so viele Menschen gegen andere erfolgreiche Menschen? Reiche, Schöne, was ist los mit diesem Land? Ich stieß am späten Abend auf Twitter auf den Hashtag #helene, der wieder total im Trend lag. Aber es handelte sich eben nicht um Huldigungen oder ihre geplante Tournee, sondern es war nur abfällig, nur Sexismus, und – stellen Sie sich das bloß vor! – sie habe sich noch nicht mal zum Ukraine-Krieg geäußert.

Helene Fischer ist nicht meine Musik. Ich habe es nicht so mit Schlagern, außer unter Einfluss von 3,5 Promille und dann eher als Solist mit „Griechischer Wein“ oder „Ich war noch niemals in New York“, und selbst das stimmt nicht, ich war da schon mindestens zehn Mal. Meine Zuneigung gehört eher dem, was man früher „schwarze Musik“ nennen durfte (Temptations, Jackson, Franklin) und ist seit Jahren ziemlich stabil bei Rap und HipHop (Snoop, Nellie, Fanta, Eminem) und natürlich Justin Timberlake, aus alter Verbundenheit, weil er der einzig legitime Nachfolger von Michael Jackson auf der Welt ist.

Aber Helene ist doch klasse. Sie ist extrem erfolgreich (ganz böse!), sie ist reich (böse-böse!) und sie sieht phantastisch aus (jetzt reicht’s aber, melden Sie mich bei der städtischen Gleichstellungsbeauftragten!) – wie kann man Abneigung gegen diese großartige Frau empfinden? Eine von uns, eine Deutsche, die das große Rad dreht. Die zusammen mit internationalen Stars auftritt und wie Dr. Google weiß, 250.000 Euro pro Auftritt verdient. Die wahrscheinlich auch Millionen Fans und Bewunderer hat, die „Atemlos durch die Nacht“ als Zugabe gibt. Während alte weiße Männer wie ich da eher nochmal bei Netflix reinschauen um die Uhrzeit.

Ich glaube, es hat was mit dieser Neidgesellschaft zu tun. Viele gönnen dem anderen nicht die Butter auf dem Brot. Das Versprechen der marktwirtschaftlichen Gesellschaft (ich nenne es immer noch Kapitalismus) ist ja nicht, dass alle S-Klasse fahren können, aber alle müssen die Chance haben, es zu einer eigenen S-Klasse zu bringen. Oder zu einem Eigenheim oder einer Wohnungseinrichtung, die nicht nur von poco stammt. Und das ist, wenn ich das nochmal erwähnen darf, das erfolgreichste Lebensmodell auf diesem Planeten.

Warum freuen wir uns nicht, wenn andere Erfolg haben? Warum gönnen wir es ihnen nicht von ganzem Herzen? Als ich das erste Mal in den USA war – vor über 30 Jahren – sprach ich mit einer Amerikanerin mittleren Alters über irgendwelche Belanglosigkeiten. Irgendwann sagte sie mir, sie fände die Sängerin Cher total blöde – aber sie bewundere sie, weil – hey! – sie ist eine von uns, sie hat Erfolg, Nummber One und so…

Und wir? Ich gehe gleich mal raus, den neuen Tesla vom Nachbarn mit meinem Hausschlüssel verkratzen…

Schönen Sonntag!

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.