„Apple auf Rädern“: Wie Tesla den deutschen Herstellern den Fehdehandschuh vor die Füße wirft

TESLA Touchscreen FOTO: Sjoerd van der Wal/Getty Images

von RAINER STENZENBERGER

GRÜNHEIDE – In wenigen Monaten ist es soweit: Der erste in Deutschland produzierte Tesla wird dann die Fabrik in Grünheide nahe Berlin verlassen. Das an der Börse astronomisch hoch gehandelte, amerikanische Unternehmen wirft Volkswagen, Mercedes und BMW den Fehdehandschuh im Heimatmarkt vor die Füße.

Im Gegensatz zu den deutschen Autobossen, die ihren Konkurrenten ausgesprochen ernst nehmen, haben große Teile der deutschen Öffentlichkeit noch wenig begriffen, was hier auf uns alle zukommt: Nicht nur ein Unternehmen, das unseren Platzhirschen Marktanteile abzunehmen droht, sondern ein digitales Schwergewicht aus der BigTech Welt, das eine gesamte Branche durchschütteln wird wie es auch Amazon, Google oder Apple getan haben. Was deren Geschäftsmodelle für etablierte Konzerne bedeuteten, wissen wir – manche sind komplett von der Bildfläche verschwunden, andere haben sich verschlankt, gelitten haben fast alle. Doch die Expansion für Tesla bedeutet nicht nur eine wirtschaftliche Gefahr, sie ermöglicht auch Chancen für die deutsche Industrie.

Um Tesla zu begreifen, muss man sich eines klar machen: Es handelt sich nicht um ein weiteres Automobilunternehmen, das einfach nur auf elektrischen Antrieb setzt. Tesla ist ein Digitalunternehmen, das zwar Autos baut, aber auch andere Produkte wie beispielsweise Speicherlösungen für das Eigenheim, PV-Anlagen für das Dach oder Wallboxen für die Garage anbietet. Das Bild „Apple auf Rädern“ erklärt Tesla am besten. Aber was macht das Unternehmen so erfolgreich und was bedeutet es für Grünheide?

Tesla agiert noch immer wie ein disruptives Start-Up

Angetrieben von Elon Musk wird bei Tesla rasend schnell entwickelt und der technologische Vorsprung ständig ausgebaut. Das verschlingt allerdings eine Menge Geld. Vergleichbar zu Amazon hat man in den ersten 10 bis 15 Jahren etliche Milliarden investiert, aber kaum Gewinne generiert, weil die Ziele viel Kapital benötigten: Expansion in die großen Märkte, Aufbau als Volumenhersteller, technologische Führerschaft. Geduldige Investoren haben Tesla zwar immer wieder den Rücken gestärkt, doch manchmal wurde die drohende Pleite nur knapp verhindert.

Partner oder Zulieferer, die mit Tesla arbeiten, zeigen sich insbesondere von der Geschwindigkeit beeindruckt, so beispielsweise auch das Bielefelder Spezialunternehmen Goldbeck, das die Halle baute: „Der Auftrag kam viel schneller als sonst. Solche Prozesse von der Idee bis zur Fertigstellung dauern hierzulande mit allen Genehmigungen sechs bis sieben Jahre. Aber dann hat man eine im Grunde veraltete Fabrik.“

Passend zur Start-Up Atmosphäre sucht man auch entsprechende Mitarbeiter, in Stellenausschreibungen für Grünheide liest man häufiger die Anforderung der „rock solid work ethic“, was weniger Dienst nach Vorschrift, sondern eher Hingabe und großes, persönliches Engagement bedeutet. Das hat gerade in den USA zu sehr guten Ergebnissen geführt – man fühlt sich als Teil einer Familie, die Neues und Großes erreichen möchte.

Hohe Geschwindigkeit in allen Prozessen ist Teslas Markenzeichen. Gegenbeispiel Volkswagen: Der deutsche Konzern will eine eigene, Trinity genannte Plattform anbieten, um Tesla Paroli zu bieten. Diese soll ab 2026 produziert werden – wenn Tesla vermutlich bereits den Pickup, Truck und Roadster auf den Markt gebracht hat.

Eine prall gefüllte Kriegskasse

Tesla verfügt nicht nur über geduldige und finanzstarke Investoren, sondern auch über eigene Mittel in erheblicher Höhe. An der Börse gilt Tesla als Shootingstar, erklimmt aufgrund der positiven Prognosen immer neue Höchststände und war zeitweilig das bei weitem wertvollstes Automobilunternehmen der Welt, mehr wert als alle anderen Automobilfirmen von Toyota bis VW zusammengenommen.
Auch wenn hier manche Übertreibung der Börse und extremer Optimismus eingepreist sein sollten – es zeigt das immense Vertrauen, das Anleger in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens haben. Und es versorgt Tesla mit geradezu unbegrenzten Möglichkeiten, das Kapital für Investitionen einzusetzen. Die ständig neuen Produktionsstätten (momentan im Aufbau: Austin/Texas und Grünheide) verschlingen jeweils mehrere Milliarden Investment. Notwendiges Kapital ist bei Tesla aktuell kein Engpassfaktor.

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Bildquelle:

  • 95th European Motor Show: Getty Images

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