von FELIX HONEKAMP
„Die Straße zur Macht ist gepflastert mit Heuchelei und Gelegenheiten. Bereue nichts.“ – das ist wohl eines der prägnantesten Zitate des fiktiven Politikers und USA-Präsidenten Frank Underwood in der Serie „House of Cards“. Ausgestattet mit einem kaum zu stillenden Machthunger, den er unter Preisgabe moralischer oder politischer Grundsätze stillt. Wenn das persönliche Ziel die Macht oder der Machterhalt ist, dann sind einmal festgelegte Positionen nur hinderlich. Wichtig ist nur, dass man solche Positionswechsel mediengerecht und im Zusammenspiel mit politischen Gegnern wie Partnern vollführt. Heute dies zu sagen und morgen etwas anderes zu tun kommt sonst nicht gut an … aber mit ausreichend Zeit zwischen diesen Wechseln ist der Wähler schnell bereit, zu vergessen.
An Frank Underwood sollte denken, wer sich die Positionen der CDU vor Augen führt, die in den vergangenen Jahren geräumt wurden – maßgeblich befeuert durch deren Chefin und Langzeitbundeskanzlerin Angela Merkel, mal mit mal ohne große Unterstützung ihrer Partei, aber immer mit einem siegreichen Ausgang für sich selbst.
Nehmen wir das Thema Atomkraft: Im Jahr 2010 setzte Angela Merkel gegen den Widerstand der Opposition eine Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke durch. Vor dem Eindruck der Erdbeben- und Flut- (nicht Atom-!) Katastrophe von Fukushima räumte die Kanzlerin beinahe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion diese Position und verordnete den Atomausstieg. Kritische Vertreter der CDU knirschten dabei zwar mit den Zähnen, aber den Grünen war fortan ein Thema in Bundes- und Landespolitik abhandengekommen.
Beispiel Mindestlohn: Erneut hatte Merkel mit Widerstand zu kämpfen, denn dem Wirtschaftsflügel der Union konnte ein solcher Markteingriff nicht gefallen. Die SPD mag triumphiert haben, dass der Mindestlohn Eingang in den Koalitionsvertrag 2013/2014 gefunden hat und eingeführt wurde. Am Ende ist sie damit aber ein Herzensthema losgeworden, dessen zwar wirtschaftlich unsinnige aber durchaus populäre Umsetzung die Kanzlerin sich damit selbst gutschreiben konnte.
Legendär mittlerweile der Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik: Früher Vertreterin einer vergleichsweise harten Linie in der Asylpolitik, verbunden mit der Forderung nach einer kulturellen Integration und der konsequenten Ausweisung abgelehnter Asylbewerber, wird sie vor dem Hintergrund der Flüchtlings- und Migrationskrise 2015 / 2016 zu einer Verfechterin offener Grenzen und eines von vielen als „gutmenschlich“ bezeichneten Umgangs mit Migranten aus aller Welt. Die Basis der CDU schäumt, die Presse aber jubiliert und tatsächlich wird die Kanzlerin damit zur Mutter zwar nicht der Nation aber doch der Migranten und der Mainstreampresse. Grüne und linke Forderungen nach einer Lockerung der Flüchtlingspolitik laufen seither ins Leere. Erst aktuell – mit zunehmender kritischer Wahlrelevanz des Themas – schwenkt die Kanzlerin langsam wieder auf einen etwas härteren Kurs um – gemeinsam mit der SPD und auch Vertretern der FDP, die wieder nur die zweiten sind in diesem politischen Stellungsspiel.
Mit offene Mund hinterlässt einen – jüngstes Beispiel – noch immer der Umgang mit der Frage der „Ehe für alle“. Der Öffnung des Ehebegriffs für homosexuelle Partnerschaften und damit des besonderen Schutzes auch solcher Gemeinschaften durch das Grundgesetz hatten sich CDU und Kanzlerin immer wieder verweigert. In einer medial eigentlich irrelevanten Podiumsdiskussion verordnete sie dann den Kursschwenk, für dieses Thema keinen „Fraktionszwang“ zu verlangen. Vor dem Hintergrund der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse war damit klar, dass die „Ehe für alle“ kommen würde. Die SPD versuchte das Thema noch für sich zu reklamieren, indem sie eine entsprechende Entscheidung im Bundestag forcierte, aber im öffentlichen Bewusstsein hat nun ausgerechnet die Chefin der Partei mit dem C den Weg für diesen Wechsel fei gemacht. Und das auch wenn sie – Vollendung der Pirouette – bei der Abstimmung im Bundestag gegen die „Ehe für alle“ votierte, was möglicherweise das eine oder andere konservative Parteimitglied wieder milde stimmen mag.
Ähnliche Schwenks vollführte die Kanzlerin in Fragen zur Bundeswehr (Aussetzung der Wehpflicht), der Frauenquote oder in der Bildungspolitik (Aufgabe der Dreigliedrigkeit). Und das Ergebnis: Für die kommende Bundestagswahl ist kein Ausgang realistisch zu erwarten, aus dem Angela Merkel nicht als Bundeskanzlerin hervorgeht. Wer sich heute fragt, für welche politischen Positionen sie eigentlich steht, welche Positionen sie in den kommenden vier Jahren durchsetzen wird, der muss eine Antwort schuldig bleiben. Man kann diese Prinzipienlosigkeit verurteilen, aber am Ende – und moralisch neutral betrachtet – muss man zugeben: Frau Merkel, Respekt, alles richtig gemacht! Jedenfalls, wenn es darum geht, den eigenen demokratisch legitimierten Machterhalt zu sichern. Oder, um zum Schluss noch mal Frank Underwood zu zitieren: „Demokratie wird sowas von überschätzt!“