BERLIN – Endlich Sonne, endlich Ferien – doch endlich auch fliegen? An den Flughäfen checken in diesen Tagen so viele Urlauber ein wie lange nicht. Aber so wie vor Corona ist es längst nicht.
Und es stellt sich die Frage, ob es jemals wieder so sein wird. Denn die Pandemie flaut zwar ab, doch die Klimakrise ist noch da. Das Wort Flugscham steht schon im Duden, Inlandsflüge überflüssig machen wollen nicht nur die Grünen.
Wenn es hoch kommt, werden in dieser Urlaubssaison halb so viele Deutsche fliegen wie vor Corona, heißt es in der Branche. In der Pandemie scheuen nach einer Studie der Uni Passau viele die Flugreise und nehmen lieber das Auto. Doch auf Dauer auf Flüge etwa nach Mallorca zu verzichten, das wollten die wenigsten, glaubt die Bundesregierung.
«Die Leute sind ein Stück weit ausgehungert von Reisen», sagte Luft- und Raumfahrtkoordinator Thomas Jarzombek. Die steile Wachstumskurve des Luftverkehrs, sie werde auch durch Corona nicht umgedreht, sondern nur eine Delle bekommen.
Industrie und Bundesregierung suchen nach Wegen zum «grünen Fliegen». Denn es steht viel auf dem Spiel: Die Luftfahrt sichert Zehntausende gut bezahlte Arbeitsplätze und Spitzenforschung, gilt als wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch der Weg zur Klimaneutralität ist sehr lang.
Zur Nationalen Luftfahrtkonferenz am Freitag erhöhte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Druck: Disruptive Neuerungen seien notwendig, «nicht irgendwann, sondern so schnell wie möglich». Aus Sicht der Kanzlerin müsse der Luftverkehr schleunigst auf erneuerbare Energiequellen umsteigen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte, wie teuer das sei. Merkel erklärte: In den 90ern habe sie auch nicht gedacht, dass Solarzellen einmal rentabel würden.
«Wir stehen für einen verantwortungsbewussten, nachhaltigen öklologischen Umbau der Branche», versichert der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie. Wie das gehen kann? Mit sparsameren Flugzeugen, der Beimischung von Biokraftstoffen wie beim Auto, dann mit synthetischen Kraftstoffen, später mit Wasserstoffantrieb.
Der Flugzeugbauer Airbus will bis 2035 einen ersten emissionsfreien Wasserstoffflieger auf den Markt bringen. Doch schon 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Auf der Kurzstrecke bis hin nach Mallorca werde das gelingen, meint Luftfahrtkoordinator Jarzombek. «Beim Interkontinentalverkehr ist es schwieriger.» Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe böten zwar eine Menge Potenzial, auch bessere Flugrouten und neue Motoren. Doch möglicherweise müssen die Airlines weiter Bäume pflanzen, um rechnerisch CO2-neutral zu werden.
Dass die Menschen weiterhin so viel fliegen sollten wie vor Corona sieht Tarek Al-Wazir nicht, der grüne Wirtschaftsminister von Hessen, wo in Frankfurt der größte deutsche Flughafen liegt. Um fürs Fliegen synthetische Kraftstoffe mit Hilfe von Strom herzustellen, ginge sonst 40 Prozent unseres gesamten Stromverbrauchs drauf.
Mehr Kurzstrecken durch Bahnfahrten zu ersetzen, die Forderung kann man inzwischen auch von Flughafenchefs hören. «Man kann relativ schnell 20 Prozent der innerdeutschen Flüge einsparen, indem man die Flughäfen besser an den Fernverkehr anbindet», meint auch Jarzombek. Besonders München habe Nachholbedarf.
Allein auf die Bahn will sich die Regierung aber nicht verlassen, weil Planung und Bau neuer Strecken ebenfalls viele Jahre dauern. «Ab etwa 2035 muss elektrisches Fliegen in Deutschland der Standard werden», sagte Jarzombek.
Aus Sicht der Luftfahrtbranche ist es eine «Herkulesaufgabe». Die Unternehmen setzen auf milliardenschwere staatliche Hilfe – auch damit sie dann noch bei den Ticketpreisen der Konkurrenten etwa vom Golf mithalten können, die beim Klima weniger ambitioniert sind.
Ein Luxusgut soll ein Flugticket auch aus Sicht der Regierung nicht werden. «Ich möchte, dass nicht nur der Chefarzt mit einer Familie in den Urlaub fliegen kann, sondern auch die Krankenschwester», sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). «Wir werden reisen, aber wir werden anders reisen.»
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- Nationale Luftfahrtkonferenz 2021: dpa