von FRIEDEMANN KOHLER
Moskau – Alexej Nawalny ist der umtriebigste russische Oppositionelle. Mit immer neuen Ideen greift der Rechtsanwalt, Blogger und Aktivist die Führung um Präsident Wladimir Putin an. Sein Fonds zur Bekämpfung der Korruption (FBK) prangert sorgfältig dokumentiert Fälle von Bereicherung in der russischen Elite an.
Doch dem ganz großen politischen Vorhaben Nawalnys, einer Kandidatur gegen Putin bei der Wahl 2018, hat die russische Justiz erstmal einen Riegel vorgeschoben. Im Februar wurde er in der Stadt Kirow in der Neuauflage eines umstrittenen Strafprozesses zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das disqualifiziert ihn vorerst für das Rennen um die Präsidentschaft.
Der 40-Jährige ist ein guter Redner, ein selbstbewusster Typ mit Witz und Zynismus. 2011 veralberte er die Kreml-Partei Geeintes Russland als «Partei der Gauner und Diebe». Der Slogan blieb im Volksbewusstsein haften. Zwar appellieren seine Sprüche oft an die nationalistische Seite der Russen. Zentralasiaten und Kaukasier will er aus Russland draußen halten.
Doch das macht es für die Staatsmacht schwieriger, ihn wie andere Kremlgegner als Landesverräter zu brandmarken und aus dem Verkehr zu ziehen. In der zersplitterten russischen Opposition kann Nawalny noch auf die größte Gefolgschaft zählen.
Er war ein Wortführer der Großdemonstrationen gegen Wahlfälschungen 2011, der bislang größten innenpolitischen Herausforderung für Putin. 2013 durfte Nawalny als Bürgermeisterkandidat in Moskau antreten, kam immerhin auf 27 Prozent der Stimmen und damit auf den zweiten Platz. Sollte er wider Erwarten für den Kreml kandidieren dürfen, hätte er bestenfalls Außenseiterchancen.
Neben der Politik war Nawalny auch immer geschäftlich tätig, und die russische Justiz hat diese schwache Seite für Angriffe genutzt. 2013 wurde Nawalny zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt, weil er eine staatliche Firma in der Stadt Kirow beim Bauholz-Handel angeblich um Einnahmen von 16 Millionen Rubel (derzeit umgerechnet 250 000 Euro) gebracht haben soll.
2015 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Prozess sei unfair gewesen. Das Oberste Gericht Russlands schlug den Fall aber nicht nieder, sondern ordnete die Neuauflage des Prozesses in Kirow an.
In dieses Verfahren ab Dezember 2016 hinein verkündete der Oppositionspolitiker seine Kandidatur. «2018 finden in unserem Land Präsidentenwahlen statt, und ich habe beschlossen, daran teilzunehmen», sagte er. «Putin ist schon 17 Jahre an der Macht, länger als (Sowjetführer Leonid) Breschnew.» Es sei Zeit für einen Wechsel. Russische Medien sprachen von einem geschickten Schachzug. Nawalny habe den Strafprozess zu einem politischen Prozess gemacht.
Nawalny, geboren in Butyn bei Moskau, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sein Bruder Oleg ist in einem anderen Prozess zu Haft verurteilt worden. Nawalny wirft dem Staat vor, den Bruder als Geisel genommen zu haben, um ihn selbst politisch unter Druck zu setzen. (dpa)
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- Nawalny-Anhörung: dpa