Ahrweiler: Inmitten der Verwüstungen schlägt der Amtsschimmel zu

dpatopbilder - Bilder der Zerstörung: Die Wassermassen haben im Großraum Ahrweiler in Rheinland-Pfalz nicht nur Autos erfasst. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

von MARTIN D. WIND

AHRWEILER – Im Landkreis Ahrweiler und in der Eifel stehen viele menschen nach der Flutkatastrophe vor dem Nichts. jetzt sind anpackende, praktische Hilfe und auch sensible Seelsorge hochwillkommen. Der Grat zwischen „gut gemacht“ und „gut gemeint“ ist jedoch schmal. Daran haben die Mitarbeiter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) wahrscheinlich nicht gedacht.

Viele Menschen haben Vater oder Mutter, Kinder und Geschwister, Verwandte, Freunde und Bekannte in den Wassern verloren. Zurzeit sind noch mehr Menschen verschollen, als man bereits aus Wohnungen und Häusern bergen konnte. Den Menschen wurden Häuser weggeschwemmt, Weidetiere sind von der Bildfläche verschwunden, in Ställen treiben Tierkadaver, und Haustiere werden vermisst. Wirtschaftsbetriebe sind verwüstet, Produktionsanlagen zerstört, Äcker wurden überschwemmt, Feldfrüchte weggespült. Weinberge sind Opfer der Erosion und von Erdrutschen, Flure und Wälder sind mit einem Ölfilm überzogen.

Tod, und Verderben, Verluste und Leid sind über die Menschen im Kreis Ahrweiler und in der Eifel gekommen. Und jetzt kommen die Behörden. Die Mitarbeiter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) haben einen Text verfasst, der auf eine Notwendigkeit hinweist. In „Friedenszeiten“ wäre ein solcher Hinweis durchaus noch als zwar recht trockener aber dennoch zumindest sinnvoller Servicebeitrag durchgegangen:

>> LANDWIRTSCHAFT/WEINBAU: FLÄCHENVERLUST NACH UNWETTERKATASTROPHE MELDEN
Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD) hat darauf hingewiesen, dass Flächenverluste, die auf das Extremwetterereignis der letzten Tage zurückzuführen sind und zu einer Änderung der im Agrarantrag 2021 gemeldeten Flächen führen, unverzüglich gemeldet werden müssen.

Landwirte und Winzer werden aufgefordert, sich mit den Ansprechpartnern der Kreisverwaltung Ahrweiler, Untere Landwirtschaftsbehörde, in Verbindung zu setzen.

Am 14. und 15. Juli waren die Sturzwasser der Ahr durch die Weiler, Dörfer und Städte im Ahrtal gerast, hatten mitgerissen, was nicht niet- und nagelfest war, hatten die Infrastruktur völlig zerstört und dann kommt eine Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion am 20. Juli mit einer solchen Ansage an die von der Naturkatastrophe betroffenen Landwirte und Winzer? Gehen die Behördenmitarbeiter davon aus, dass die Landwirte und Winzer im Ahrtal derzeit nichts Wichtigeres zu tun haben, als die vom Unwetter verursachten Flächennutzungsänderungen für den Agrarantrag 2021 zu melden?

Und selbst wenn dem so wäre, kann man in dieser „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion“ nicht mit einem Wort den Menschen mitteilen, dass sie in dieser schwierigen Situation Mitgefühl und Verständnis selbst von dieser Behördeneinrichtung entgegengebracht bekommen?

Nun zu dem, was das Erstaunen, das Unbehagen, die aufkeimende Wut ansatzweise zurückzudrängen: Die Unterstellung! Was kann man da unterstellen, um diese völlig überforderte Dienststelle zu entlasten? In diesem Fall ist es das „gute meinen“: Wenn man recherchiert, was es mit diesem „Agrarantrag“ auf sich hat, dann erkennt man, dass es um Geld geht. Es gibt in Deutschland kaum ein sensibleres Thema, als Geld. Die Obrigkeit wird recht schnell richtig fuchtig und penibel, wenn der Bürger nicht kuscht, wie man sich das in den Amtsstuben verstellt.

In diesem Fall geht es um „flächenbezogene EU-Agrarförderung“ und wenn die genutzte Fläche und die Art der Flächennutzung nicht mehr mit den gemachten Angaben übereinstimmen, dann wird es gefährlich. Landwirte und Winzer, die nicht mitbekommen, dass sie keine korrekten Angaben in ihren Förderanträgen stehen haben, dass sie Änderungen – und seien diese durch eine Katastrophe verursacht – nicht „umgehend“ gemeldet haben, werden schneller zur Zielscheibe von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug, als sie jemals die Gelder in der Vergangenheit ausbezahlt bekamen. Das hätten die Mitarbeiter der „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier“ kurz skizzieren können, um erkennbar zu machen, wie wohlwollend ihr „Beitrag“ gemeint ist.

Aber das kann man für die Zukunft ja mal üben. Ein Vorschlag von mir zur Güte:

>>Im gesamten Landkreis und darüber hinaus, sind viele Menschen von der jüngsten Hochwasserkatastrophe betroffen. Allen Geschädigten gilt unser Mitgefühl.
Wenn Sie Ihre erste Not überwunden haben, hoffentlich wieder eine Routine bei Ihnen einkehren kann, erlauben wir uns, Sie als Winzer und Landwirte daran zu erinnern, dass es notwendig ist, Flächenänderungen durch die Zerstörungen des Hochwassers für den Agrarantrag 2021 zu melden. Bitte kümmern Sie sich darum, wenn Ihnen das wieder möglich ist. Ansonsten könnte es passieren, dass gegen Sie wegen Subventions-Betrugsversuchs ermittelt wird. Das wollen wir unter allen Umständen vermeiden.

Bildquelle:

  • Unwetter-Folgen in Rheinland-Pfalz: dpa

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