BERLIN – Die Augen der politisch an der AfD Interessierten richteten sich am Wochenende nicht nur auf Sachsen-Anhalt. Wahlparteitage in Berlin und Schleswig-Holstein brachten viel Klarheit über die personelle Neuaufstellung bei der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag.
In Schleswig-Holstein, das innerparteilich als „Battlefield-Ground“ gilt, ist die AfD seit Jahren total zerstritten. In einer Kampfabstimmung setzte sich am Sonntag der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt gegen den ebenfalls bisher Bundestagsabgeordneten Bruno Hollnagel mit 97 zu 72 Stimmen durch. Mit Spannung wurde auf die Bewerber für den Listenplatz 2 gewartet, hatte es doch in den Tagen vor der Wahlversammlung immer wieder Gerüchte gegeben, „die Doris“ könne sich hier bewerben. Gemeint damit ist Doris von Sayn-Wittgenstayn, eine hart am rechten Rand segelnde Flügelprotagonistin, die einst vom Bundesvorstand ausgeschlossen wurde und sich jüngst vor einem Zivilgericht wieder in die AfD einklagen konnte, anders als der Brandenburger Andreas Kalbitz, der wohl endgültig raus zu sein scheint.
Jedenfalls ließ „die Doris“ am Samstag mitteilen, dass sie sich nicht für den Bundestag bewerben werde, weil das die Partei endgültig zerreißen könnte an der Küste. Gewählt auf Platz 2 wurde dann der geflügelige Gereon Bollmann, der zuvor unter Beifall bedauerte, wie ungerecht man mit „unserer Doris“ umgegangen sei. Er setzte sich gegen den Bundes-Vize-Schatzmeister Christian Waldheim durch.
Am Samstag war es dem Landesparteitag zuvor nicht gelungen, einen neuen Vorstand zu wählen, weil kein Kandidat die notwendige Mehrheit organisieren konnte und ein Block von rund 30 bis 40 Personen alles blockierte. Im ersten Wahlgang um den Vorsitz und in einer Stichwahl verfehlten zunächst sowohl der 68 Jahre alte pensionierte Richter Gereon Bollmann als auch sein 43-jähriger Kontrahent David Jenniches, AfD-Fraktionschef in Lübeck, die notwendige Stimmenzahl. In der Stichwahl bekam Bollmann 89 Stimmen und Jenniches 73. Generell mit „Nein“ stimmten wohl 38 Mitglieder, weil sie keinen der beiden Kandidaten wollten und – wie gemunkelt wurde – doch noch auf ein Comeback „der Doris“ hofften.
In Berlin fand zeitgleich eine Wahlversammlung in Biesdorf (Marzahn-Hellersdorf) statt. 213 von 238 Delegierten nominierten die Landtagsabgeordnete Kristin Brinker (49) zur Spitzenkandidatin für die auch am 26. September stattfindende Abgeordnetenhauswahl. Es gab 23 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Brinker hatte sich zuletzt in einer Kampfabstimmung knapp gegen Beatrix von Storch durchgesetzt und die Nachfolge von Georg Pazderski (69) als Landeschef angetreten.
Pazderski ist bisher Vorsitzender der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, trat aber nicht mehr für ein Mandat an. Aus seinem Umfeld ist zu hören, er überlege, ob er sich für ein Bundestagsmandat im September bewerben solle. Die Entscheidung gilt als völlig offen. Die Haushaltsexpertin Brinker gilt wie Pazderski als eher gemäßigt, hatte aber bei ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden Unterstützung des rechten Flügel-Netzwerks in der AfD. Das persönliche Verhältnis zwischen Brinker und Pazderski gilt als angespannt.
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