Liebe Leserinnen und Leser,
als ich – ungewohnt – die Überschrift vor dem Artikel getextet habe, dachte ich im gleichen Moment: Was für eine dämliche Frage, die ich mir da selbst gestellt und zum Thema gemacht habe. Ich glaube nicht, dass die Veranlagung, gut oder schlecht zu sein, etwas damit zu tun hat, ob man „zwischen den Beinen anders aussieht“, wie das der SPD-Politiker Friedhelm Farthmann vor Jahren mal auf einem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen formulierte und danach ein paar Wochen gar keine schöne Zeit hatte.
Es gab immer wieder herausragende Frauen in der Politik, die Machtbewusstsein und Skrupellosigkeit zu einer unwiderstehlichen Mischung zusammenrühren konnten. Lange vor Angela Merkel übrigens und unabhängig von der jeweiligen Agenda. Denken Sie an Golda Meir oder Margarte Thatcher! Oder vergleichen Sie einen Moment die britische Königin Elisabeth II und den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Wen hätten Sie gern als Staatsoberhaupt? Na, sehen Sie..
Ich glaube, wir sollen diese nutzlose Geschlechterdebatte beenden und uns stattdessen heute dem Thema Generationenwechsel beschäftigen.
In Finnland gibt es gerade große Aufregung um die junge Regierungschefin Sanna Mirella Marin (36), die in einem angesagten Club in Helsinki abgefeiert hat. Ausgeflippt auf der Tanzfläche, auf einem Video zu sehen, wie sie eng mit einem bekannten Sänger tanzt, der ihr dabei kurz etwas ins Ohr flüstert. Und – obwohl Journalist – ich glaube, ich möchte gar nicht wissen, was er sagte. Sie wissen, ich glaube persönlich an die Heiligkeit der Ehe. Und wenn es da ein Thema geben sollte, klären sie das bitte unter sich und nicht auf den Titelseiten.
Aber ich glaube an die Freiheit, und ich bin unbedingt dafür, dass wir Politiker zu unseren Anführern wählen, die noch ein echtes Leben haben und keine Polit-Zombies sind. Die auch mit ihren Kindern samstags auf dem Sportplatz stehen, bei aldi selbst einkaufen oder in einem Club „abhotten“ oder „zappeln“.
Sanna wuchs in einer sogenannten „Regenbogenfamilie“ auf und heiratete 2020 Markus Räikkönen, einen ehemaligen Fußballspieler der finnischen zweiten Liga. Das Paar hatte zuvor bereits 16 Jahre zusammen gelebt und hat eine 2018 geborene Tochter.
Ich habe die Frau bis vor einigen Wochen gar nicht wahrgenommen, kannte ihren Namen nicht. Bis sie mit beherzten Schritten, zusammen mit der schwedischen Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, ebenfalls Sozialdemokratin, ihr Finnland und das Nachbarland in die NATO führte. Und wo wir dann doch wieder bei Frauen und Sozis sind: Mette Frederiksen aus Dänemark gehört auch in diese Frauen-Reihe, denn Mette hat mit ihrer konsequenten Abschiebepolitik deutsche Sozis in Schnappatmung versetzte. Einfach mal machen, was das Volk will, und dafür auch persönliche Überzeugungen über Bord werfen. Revolutionär, diese Frau.
Die Zeiten ändern sich, und wir können diese Entwicklung nicht aufhalten. Mit ist eine attraktive Ministerpräsidentin, die in die Disko geht, aber ihren Job gut macht, lieber als Polit-Darsteller, die in einer schweren Krise nebenbei Masken-Deals für das eigene Sparschwein einfädeln.
Ich finde Sanna Marin ist eine beeindruckende junge Frau. Sicher macht sie Fehler an der Spitze eines Landes mit ihren 26 Jahren. Wer macht keine Fehler?
Ich kenne einige Frauen in meinem Bekanntenkreis, die am Wochenende gern in Clubs gehen, in Hamburg oder Berlin. Die sind natürlich älter als 36, sie sind 41, 46 oder auch 52 – und sie haben ein Leben. Sie arbeiten hart in ihrem Job, sie organisieren eine Familie mit Kindern, leiten ein Unternehmen oder halten Reden im Parlament. Aber sie haben sich einen Rest ihres vorherigen Lebens bewahrt. Und das ist gut so. Solche Politiker(innen) will ich.
Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Klaus Kelle
P.S. Ich danke allen von Ihnen, die bis zum Schluss durchgehalten haben, um herauszufinden, ob ich wohl wieder über die deutsche Außenministerin scheiben würde…