Tote und Verletzte – Russische Angriffe zielen weiter auf Wohngebiete

Bei erneuten russischen Angriffen sind in Kiew Zivilisten getötet worden. Hier ein durch Artillerieangriffe beschädigtes Wohnhaus in Hauptstadt. Foto: Daniel Ceng Shou-Yi/ZUMA Press Wire/dpa

KIEW – Die Ukraine hat über mehrere Tote und Verletzte bei erneuten russischen Angriffen berichtet. Im Ort Butscha nordwestlich der Hauptstadt Kiew seien gestern durch Beschuss sieben Zivilisten ums Leben gekommen, teilte die Polizei der Region Kiew mit.

In der ostukrainischen Region Donezk sprach die regionale Polizeibehörde von Dutzenden Toten und Verletzten ebenfalls bei Angriffen. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Es seien erneut Wohngebiete beschossen worden, hieß es von ukrainischer Seite. Kiew wirft Moskau immer wieder vor, in dem am 24. Februar begonnenen Krieg gezielt zivile Gebäude anzugreifen. Russland weist das zurück, auch wenn die Zerstörungen ziviler Infrastruktur augenfällig sind.

Klischko fordert weitere Waffenlieferungen

Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat die westlichen Verbündeten zu weiteren Waffenlieferungen für die Ukraine aufgerufen. «Bitte, unterstützen Sie uns», sagte der frühere Profiboxer im Interview der italienischen Tageszeitung «Corriere della Sera». Die europäischen Verbündeten und die Nato seien angehalten, benötigte Waffen für die Verteidigung des Luftraumes über Kiew zu schicken. «Wir sind in der Lage, unseren Luftraum selbst zu schließen», fuhr der 50-Jährige fort. «Aber wir müssen auf jeden Fall die richtigen Waffen bekommen.»

Klitschko zufolge verzeichnet Kiew mittlerweile mehr als 200 getötete Zivilisten. Ungefähr zwei Millionen Bewohner seien in der Stadt geblieben. «Vergesst nicht, dass wir unser Land verteidigen, aber gleichzeitig auch die fundamentalen Werte der europäischen Demokratie», sagte Klitschko. «Meine Botschaft ist klar: Bitte stellen Sie jegliche wirtschaftliche Beziehung mit Russland ein, weil Putin jeden Euro nutzt, um sein Militär zu verstärken, das auf uns zumarschiert», forderte er.

Selenskyj ruft zu «ehrlichen Gesprächen» auf

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland nachdrücklich zu ernsthaften und ehrlichen Gesprächen über eine Friedenslösung aufgerufen. «Sinnvolle Verhandlungen über Frieden und Sicherheit für die Ukraine, ehrliche Verhandlungen und ohne Verzögerungen, sind die einzige Chance für Russland, seinen Schaden durch eigene Fehler zu verringern», sagte Selenskyj am späten Freitagabend in einer Videoansprache. Sollte die territoriale Unversehrtheit der Ukraine nicht wiederhergestellt werden, so werde Russland «ernsthafte Verluste» erleiden. Selenskyj bekräftigte seine Forderung nach direkten Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Friedenslösung.

Schwere Kämpfe um Flughafen bei Cherson

Der Flughafen Tschornobajewka bei Cherson im Süden der Ukraine steht nach ukrainischer Darstellung weiterhin im Mittelpunkt erbitterter Kämpfe. «Wir haben sie dort schon wieder getroffen», schrieb am Samstag Olexij Arestowitsch, Berater des Büroleiters von Präsident Selenskyj, auf Facebook mit Blick auf die russischen Truppen. Die ukrainischen Streitkräfte hätten das russische Militär an diesem Flughafen bereits sechs Mal überfallen und dem Gegner dort schwere Verluste zugefügt. Dies ließ sich nicht unabhängig überprüfen.

Putin telefoniert mit Luxemburgs Premier

Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte mit Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel. Putin habe auf die «unaufhörlichen Raketenangriffe ukrainischer Kräfte auf Donezk und andere Städte in der Donezker Volksrepublik und der Luhansker Volksrepublik, die zu vielen zivilen Opfern führten» hingewiesen, hieß es in einer Mitteilung des Kreml. Bettel sagte nach einer Mitteilung des luxemburgischen Staatsministeriums, es sei ihm darum gegangen, zur Deeskalation beizutragen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte in einer Liveschalte nach Bern die Schweizer Regierung auf, die Konten aller russischen Oligarchen zu sperren. «Auch das ist ein Kampf gegen das Böse», sagte Selenskyj nach Angaben des Übersetzers vor tausenden Antikriegsdemonstranten, die vor dem Schweizer Parlament demonstrierten.

USA schicken Militärkontingent nach Bulgarien

Zur Stärkung der Nato-Ostflanke wollen die USA ein Truppenkontingent nach Bulgarien entsenden. Das sagte der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow nach Gesprächen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Samstag in Sofia. Dieses Kontingent soll unter dem Kommando des Nato-Oberbefehlshabers in Europa stehen.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte härtere Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland. Sein Land schlage eine Handelsblockade vor, die so schnell wie möglich in Kraft treten müsse, sagte er nach Angaben der Agentur PAP. Diese müsse sowohl ein Einfahrverbot russischer Schiffe mit russischen Waren in europäischen Seehäfen als auch ein Verbot des Handels auf dem Landweg umfassen.

Die beiden früheren britischen Premierminister Gordon Brown (Labour) und John Major (Konservative) sprachen sich für ein gesondertes Kriegsverbrechertribunal für die Ukraine aus. Hintergrund sei, dass eine Anklage gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen des Befehls zum Angriffskrieg gegen die Ukraine unwahrscheinlich sei, sagte Brown der BBC.

EU-Kommission warnt vor Hungersnot in der Ukraine

Angesichts der Kämpfe in der Ukraine warnt die EU-Kommission vor einer Hungersnot in dem Land. «Die Menschen in den belagerten Städten sind apokalyptischen Zuständen ausgesetzt – keine Nahrung, kein Wasser, keine medizinische Versorgung und kein Ausweg», sagte der für humanitäre Hilfe und Krisenschutz zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic der «Welt am Sonntag». Die humanitäre Krise in der Ukraine sei heute schon kritisch, könne aber noch schlimmer werden.

Der Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw, Andrij Sadowyj, hat den internationalen Hilfsorganisationen mangelnde Vorbereitung auf einen russischen Angriffskrieg vorgeworfen. «Nicht eine internationale Organisation war vorbereitet, obwohl seit einem halben Jahr alle von einem möglichen russischen Angriff geredet haben», sagte Sadowyj der «Süddeutschen Zeitung».

Mittlerwqeile sind mehr als 3000 Tonnen gespendete Lebensmittel aus Deutschland über eine Koordinierungsstelle des Bundesagrarministeriums in die Ukraine gebracht worden. Geliefert werden über Umschlagpunkte in Polen vor allem Grundnahrungsmittel, Wasser, Saft, Babynahrung und Konserven mit Fisch und Fleisch. Gespendet wurden die Produkte von mehreren deutschen Handels- und Lebensmittelunternehmen. Verteilt wurden Hilfslieferungen aus Deutschland den Angaben zufolge in Richtung Charkiw, Kiew, Saporischschja und Tschernihiw.

Bildquelle:

  • Artillerieangriffe: dpa

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