von MARTIN D. WIND
BERLIN – Für viele US-Amerikaner auf Europatour scheint es eine echte Mutprobe zu sein, „es“ zu essen. Sie drehen Videos von diesem Ereignis, das viel Überwindung zu erfordern scheint und stellen sie auf Youtube. Deutsche könnte man so aufgeregt filmen, wenn sie tausendjährige, chinesische Eier oder das berühmt-berüchtigte „Surströmming“ aus Schweden essen. Was versetzt diese Menschen so in Erregung? Es geht ums Mettbrötchen. Richtig: das schlichte, gute, einfache Mettbrötchen.
In den 80er Jahren gab es kaum eine Party auf der nicht im Laufe des Abends oder der weit vorgerückten Nacht, Mettbrötchen angeboten wurden. „Morgens halb zehn in Deutschland“ ist das Mettbrötchen in einigen Berufen so etwas wie der Pausensnack. Nicht umsonst nennen viele den fleischigen Brotaufstrich auch „Bauarbeitermarmelade“. In manchen Büros ist es Tradition, einmal in der Woche für alle „eine Runde Mettbrötchen“ auszugeben – immer reihum. Um das als Termin zu verankern, wird aus dem Mittwoch schlicht der „Mettwoch“. Der Tag darauf ist dann der „Dönerstag“ – aber das ist eine andere Geschichte.
Es ist aber auch ein Genuss, wenn man nach dem liebe- und kunstvollen Verteilen des Metts auf der Brötchenhälfte, dem leichten Salzen, dem Bestreuen mit frisch gemahlenem, schwarzem Pfeffer und Zwiebelringen oder -würfeln, den ersten Bissen durch die knackige Krume nimmt, sich das Fleisch im Mund verteilt, das Fett den Gaumen streichelt und die Geschmackspapillen auf der Zunge umschmeichelt. Dabei harmoniert die grobbröselige Textur des würzig-kühlen Aufstrichs mit der wärmeren, leicht süßlich-fluffigen Krume des Brötchens und gibt dem Ganzen ein weit gespreiztes Geschmacksspektrum, das von der Süße und dezenten Schärfe der Zwiebel wunderbar abgerundet wird. Es ist eine Gaumenfreude, die man „pur“ genießen kann. Ein kühles Bierchen dazu ist auch nicht falsch.
Warum machen zum Beispiel viele Amerikaner so ein Gewese um diese bei uns alltägliche Leckerei? In den USA (und in anderen Teilen der Welt) wird den Menschen eingebläut, dass rohes Schweinefleisch gefährlich sei. Selbstverständlich können sich am Gehackten Bakterien gut vermehren und klar, Trichinen sind nun mal Parasiten, die gefährlich werden können. In Deutschland vertrauen wir in der Regel der Fleischbeschau und den strengen Lebensmittel- sowie Hygienevorschriften. Die Regeln für Hackfleisch waren in Deutschland die schärfsten weltweit und wurden 2007 von der EU übernommen. Die Einzelregeln sind so detailliert, dass mit der Ausarbeitung viele Verwaltungsjuristen mehrere Jahreseinkommen erwirtschafteten.
Zurück zum Wichtigen: Schweinemett ist für die meisten nicht nur lecker, sondern – bei allen Bedenken – auch noch gesund: Es enthält wichtige Mineralien und B-Vitamine sowie erhebliche Mengen Vitamin B3 (Niacin). Es unterstützt Stoffwechselvorgänge und enthält ca. 270 kcal pro 100 g Fleisch. Der Fettanteil liegt bei 22,5 g bei 19 g Eiweißgehalt. Das sind die technischen Daten. Jetzt geht es ans Eingemachte.
Wie sollte es anders sein, als dass selbst bei so einem archaischen Gericht wie rohem, gehacktem Schweinefleisch „Traditionsschulen“ entstehen können, die sich um „das beste und/oder originalste Rezept“ streiten, wie die Kesselflicker: Ist es noch korrekt, das vorgesalzene und -gepfefferte „Thüringer Mett“ als „Gehacktes“ zu bezeichnen? Ist Hackepeter, mit feingehackten Zwiebeln, Salz und Pfeffer noch „Mett“? Müssen da frische Zwiebeln drauf? Sollen die Brötchen „fingerdick“ mit Mett eingedeckt werden oder ist das Zuviel? Butter oder keine Butter – das ist hier die Frage. Das treibt um!
Kommt dann noch etwas (geräucherter) Paprikastaub dazu oder gar Knoblauchgranulat, dann wird der Ton scharf und unbarmherzig. Bei Senf, Ketchup oder gar Maggisauce hört für viele der Spaß auf!
So vielfältig man mit dem Schweinehack umgehen kann, so vielfältig sind die regionalen Bezeichnungen: Mett – kennt beinahe jeder, Hackepeter, Thüringer Mett, Faschiertes und sogar Tatar, Gehacktes, Gewiegtes – es ist egal. Immerhin kennt man „Mett“ schon im Mittelhochdeutschen und der Wortstamm hat sich über das „Messer“ bis hin zum „Metzger“ erhalten. Im Englischen ist „meat“ zum Überbegriff für alles Fleischliche geworden. Selbst die Griechen (mattye) und Römer (mattea) kannten die Lautfolge, die allerdings noch recht allgemein für „Essen“ stand.
Am Ende bleibt eine wunderbare Speise, bei der Schweinefleisch grob vom Fett befreit und sehr frisch, entweder mit dem Wiegemesser „gehackt“ oder aber durch den Wolf gedreht wird. Gute Metzgereien bieten noch „warm“ zubereitetes Hack an: Das wird lebenswarm aus Partien des gerade gestochenen Schweines zubereitet und dann rasch auf die vorgeschriebenen zwei °C runtergekühlt. Der große Vorteil – so Ronny Spindler, der Meister der Metzgerei der Erzabtei St. Ottilien: „Das verhindert, dass im Fleisch der PH-Wert rasch absinkt. Das Fleisch bleibt viel aromatischer. Es ist geschmacksintensiver, auch ohne Sulfatzugabe.“ Gutes Handwerk! Guten Appetit.