„TheRepublic“ ist da: Dieses Mal klappt es. Ganz sicher. Echt mal…

Liebe Leserinnen und Leser,

endlich gibt es mal wieder eine neue liberal-konservative Initiative, so etwas ganz Neues, auf das noch niemand gekommen ist. Wolfgang Bosbach und seine Tochter Caroline sind dabei, Friedrich Merz und Carsten Linnemann werden medial clever genamedroppt, um dem Ganzen einen Hauch von Machtanspruch und Seriosität zu verleihen. Und in den bundesweiten Netzwerken der Konservativen rauscht es mächtig: Jetzt geht’s los. Aber wirklich! Dieses Mal echt! Man müsste mal eine Examensarbeit darüber erarbeiten, wie viele frustrierte Konservative in Deutschland bereit sind, auf Knopfdruck jeder neuen liberal-konservativen Initiative hinterherzulaufen. Ich bin sicher, Hunderttausende sind da grundsätzlich ansprechbar.

Das ist wie beim Karneval in Köln – 11.11. um 11.11 Uhr, „jetzt geht’s los, wir sind nicht mehr aufzuhalten…! Bei uns heißt es „neue liberal-konservative Initiative“ und dann holen wir die schwarz-rot-goldenen Fahnen vom Dachboden und warten auf die Revolution. Die natürlich nicht kommt. So wie Godot nie kommt in dem wunderbaren Theaterstück von Samuel Beckett. Ich habe es damals mal gesehen in Bochum mit Harald Schmidt in der Hauptrolle – phantastisch. Aber Godot kommt eben nicht.

Als ich vorgestern in der BILD las, dass da was Neues kommt, war ich kurz interessiert. Da wurde geschrieben von angeblich 500.000 Euro Startkapital für eine Initiative namens „TheRepublic“ – hätte man zum Beispiel auch „Die Republik“ nennen können. Oder ich als Rechtspopulist hätte es „Unsere Republik“ genannt. Aber was weiß ich schon?

Was in dem BILD-Artikel nicht erwähnt wurde war, woher die angeblichen 500.000 Euro denn stammen. Gestern mal ein wenig bei den üblichen Verdächtigen herumtelefoniert – von denen ist es keiner, versicherten sie mir glaubhaft. War es also Friedrich Merz selbst, der ja liquide sein soll? Möglich, aber das „Handelsblatt“ meldete am Nachmittag, dass Merz das Projekt zwar „mit Interesse verfolgt habe“ und auch unterstütze, aber – anders als BILD suggeriert – nicht zu den Gründern gehört. Und wenn er nicht dazu gehören will, wird er vermutlich auch keine halbe Million auf den Tisch gelegt haben. Eben lese ich im aktuellen „Münchner Merkur“, dass Dorothee Bär von der CSU auch dementiert hat, dabei zu sein. Wetten, dass in Kürze auch ein Dementi von Linnemann kommt?

Also, jedenfalls trägt die „liberal-konservative Kampagnen-Agentur“ den Namen „TheRepublic“ und das erste Treffen – so BILD – fand im „exklusiven Ambiente in der Leipziger ‚Niemeyer Sphere‘ statt“, und CDU-Politiker im exklusiven Ambiente, das ist sicher etwas, das die Kids von „Fridays for Future“ zum Umdenken bringen wird, oder?

Ich will gar nicht lästern, und von Merz, Linnemann, den Boßbachs und Christoph Ploß aus Hamburg halte ich wirklich viel, aber die Frage, die jetzt unweigerlich gestellt wird, lautet: Was haben Sie, was habt Ihr die vergangenen Jahre als CDU-Spitzenpolitiker gemacht, um die Zustände, wie sie jetzt in Deutschland herrschen, aufzuhalten, den Kurs zu verändern? Waren Sie im konservativen „Berliner Kreis“ dabei, der mit der Bundestagswahl 2021 einen wahren Tsunami erlebte. Vom Merkel-Laschet-Establishment mit üblen Listenplätzen versehen, fegte ein Wirbelsturm durch die Reihen der mutigen Konservativen in der CDU/CSU-Bundestagswahl: Pantel raus, Irmer raus, Bellmann raus, Ludwig raus… was für ein Gemetzel, gekillt von denen, die noch die Macht haben im Adenauerhaus, im Kanzleramt und in den Staatskanzlei in Düsseldorf. Die Wahlapokalypse der Union hat die guten Kandidaten in den Wahlkreisen reihenweise rausgekickt oder verhindert, dass exzellente Leute wie Maaßen (Schmalkalden), Pechstein (Treptow-Köpenick) oder Nienhaus (Hagen) reingekommen sind. Aber die alten Kader, die, die allein die Schuld am Niedergang der einstigen Volkspartei tragen, die sind wieder drin, gemütlich eingefahren über ihre ausgemauschelten sicheren Listenplätze. An manchen Tagen denke ich, es sollte ein Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien bei uns geben. Wo nur noch die reinkommen, die ihre Wähler persönlich überzeugen.

So ist Politik doch, werden Sie jetzt denken, und Sie haben Recht. Aber was folgt aus dieser Erkenntnis?

Brauchen wir eine neue Partei, zwischen CDU/CSU und AfD platziert? Hätte die genügend Potential, sich zu etablieren? So, wie die jetzigen Hintergrundgespräche laufen, sieht es schlecht aus. Und es gibt ja richtig gute liberal-konservative Netzwerke, die aktiv sind, die groß sind, die hervorragende Leute in ihren Reihen haben, richtige Idealisten, die noch an eine Zukunft für Deutschland denken und nicht an ihre Altersversorgung. Sie finden sie bei der WerteUnion, der Atlas Initiative und der Schwarmintelligenz. Die organisieren Veranstaltungen, verbreiten Videos und witzige Kacheln im Internet, die kämpfen um jeden Meter Geländegewinn. Aber da sitzen eben nicht Honoratioren im „exklusiven Ambiente in der Leipziger ‚Niemeyer Sphere'“ und denken, wenn sie Geld an eine Agentur überweisen, dann ändert sich irgendwas in Deutschland.

Es ist leicht, ein Feuerwerk zu zünden. Da brausen Raketen in den Himmel, es pfeift, es zischt, es glänzt – aber kurz danach ist es wieder genauso dunkel wie vorher. So wird es mit „TheRepublic“ auch sein, wetten?

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.