VERDEN – Im Mordprozess um den gewaltsamen Tod einer gefesselten 19-Jährigen in der Weser hat die Staatsanwaltschaft am Montag lebenslange Haft für die drei Angeklagten gefordert.
Vor dem Landgericht Verden forderte die Staatsanwältin, die zwei Männer und die Frau unter anderem wegen versuchten Mordes durch Unterlassen und wegen Menschenhandels zu verurteilen.
Demnach konnte der Prozess nicht klären, wie die psychisch schwer kranke Frau starb. Sicher ist: Die Frau wurde im April 2020 nackt an einer Betonplatte festgebunden in die Weser geworfen. Knapp drei Wochen nach der Tat fand ein Binnenschiffer die Leiche im Bereich des Schleusenkanals in der Gemeinde Balge in Niedersachsen.
Verhalten der Angeklagten «menschenverachtend und grausam»
Es sei naheliegend, dass die 19-Jährige im April 2020 lebend versenkt wurde, sagte die Vertreterin der Anklage. Ihr zufolge kann aber nicht sicher bewiesen werden, dass sie ertrunken ist. Möglich ist demnach auch, dass die an einer paranoiden Schizophrenie erkrankte Frau auf dem Grundstück des heute 41-jährigen Angeklagten starb und ihre Leiche in die Weser geworfen wurde. Oder dass die Frau in bewusstlosem Zustand versenkt wurde. «Wir können es eben nicht ohne vernünftige Zweifel feststellen», so die Staatsanwältin, die das Verhalten der drei Angeklagten mehrfach als menschenverachtend und grausam bezeichnete.
Die Frau sei wie eine Ware für 2000 Euro und den Erlass von Drogenschulden «gekauft» worden, schilderte sie. Danach hätten der 41-Jährige und der 54 Jahre alte Angeklagte versucht, die Frau als Prostituierte zu vermarkten. Der Staatsanwältin zufolge nutzten sie die Zwangslage der Frau aus. Als sie merkten, dass ein Geschäft wegen des Gesundheitszustands der Frau nicht möglich war, wollten sie sie loswerden.
Was genau am Todestag der 19-Jährigen geschah, konnte der Prozess nicht klären. Aber: «Es gab keinen einzigen Hinweis auf einen natürlichen Tod», sagte die Staatsanwältin mit Verweis auf ein Gutachten. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft wurde die Frau in den Stunden vor ihrem Tod im Wohnhaus und später in der Garage des 41-Jährigen bewacht.
Viele Fragen bleiben offen
Dort habe sich ihr Zustand stark verschlechtert. Sie erbrach sich, hatte Luftnot und war nicht ansprechbar, so die Juristin. Demnach schwebte sie in Lebensgefahr – doch niemand holte Hilfe. Es sei möglich, dass die 19-Jährige in der Garage erwürgt wurde oder dass die Angeklagten sie dort liegen ließen, bis sie starb. Wer die junge Frau auf die Steinplatte fesselte und in den Fluss warf, konnte der Prozess auch nicht klären. Die Angeklagten äußerten sich nicht zu diesen Vorwürfen.
Der Staatsanwaltschaft zufolge haben die Männer und die Frau viel getan, um ihre Taten zu verdecken. So wurden die persönlichen Gegenstände der 19-Jährigen verbrannt, Daten gelöscht und der Transportwagen verschrottet. Als weiteres Mordmerkmal führte die Staatsanwältin niedrige Beweggründe an und bezeichnete das Verhalten der Angeklagten als abscheulich.
Die Nebenklage nannte die Taten brutal und grausam. Der Anwalt, der einen Bruder der Getöteten vertrat, sprach von einem qualvollen Tod und einer kaltblütigen Hinrichtung. Die Familie hätte sich gewünscht zu erfahren, was genau geschah. Über das Opfer sagte er: «Sie hatte kein gutes Leben. Sie hat keine Liebe erfahren. Sie wurde benutzt und weiterverkauft wie eine Sache.» Die 19-Jährige, die Drogenprobleme hatte und sich früher freiwillig prostituierte, hinterlässt zwei Kinder, die seit längerer Zeit bei Pflegeeltern leben.
Die Verteidigerin des 41-Jährigen forderte für ihren Mandanten eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unter fünf Jahren wegen Menschenhandels und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen. Auch sie verwies darauf, dass viele Fragen ungeklärt seien. «Wir wissen ja noch nicht einmal, wie sie ums Leben gekommen ist und wann der genaue Todeszeitpunkt war», so die Juristin.
Urteile werden Donnerstag erwartet
Der Anwalt des 54-Jährigen forderte eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Menschenhandel und wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen. Der Haftbefehl solle aufgehoben werden.
Die Anwältin der 40-jährigen angeklagten Frau forderte in ihrem Plädoyer für ihre Mandantin eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen und wegen unterlassener Hilfeleistung. Zudem solle der Haftbefehl aufgehoben werden.
In der Anklage hatte die Staatsanwaltschaft den drei Deutschen Mord vorgeworfen. Demnach soll das Trio die wehrlose, psychisch kranke 19-Jährige im April 2020 grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet haben, um andere Straftaten zu verdecken. Die Urteile werden am kommenden Donnerstag erwartet.
Bildquelle:
- Mordprozess um 19-Jährige: dpa