Nackte Brüste und Nijab in Berlin

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

am Abend war ich bei guten Freunden zum Grillen eingeladen. Es gab Wein, ich hatte ein paar der am Vortag in Sachsen erworbenen Flaschen Fiedler-Bockbier und zwei Havannas (Montecristo) mitgebracht. Meine Gastgeber sind konservativ wie ich und Katholiken, die ihren Glauben ernst nehmen. Nach einiger Zeit kamen wir auf Viktor Orban und sein neues Familiengesetz in Ungarn zu sprechen, das das Recht auf die Sexualerziehung der Kinder erst einmal in die Hände der Eltern legt. Themen wie Homosexualität sind dort im neuen Lehrplan für minderjährige Schüler nicht mehr vorgesehen, und unter uns entbrannte eine intensive durchaus freundliche, aber auch kontroverse Diskussion.

Ich verteidigte Orban und erzählte, dass ich als minderjähriger Schüler weder im Elternhaus noch in der Schule über Homosexualität aufgeklärt wurde, und dennoch ein ganz anständiger Mensch geworden bin, der homosexuelle Freunde hat, absolut tolerant gegenüber anderen Lebensstilen als meinem eigenen ist und als Schüler nicht vermisst hat, darüber informiert zu werden. Leben und leben lassen, nennt das der von mir gern zitierte imaginäre Kölner. Es ist mir egal, wen oder wie andere lieben, ich denke, es geht mich nichts an. Und ich finde, dass es viele wichtige Themen im Unterricht zu erörtern gäbe, über die kein Wort verloren wird. Etwa was Familie bedeutet und wie man Kinder erzieht. Oder wie man eine eigene Firma gründet. Aber das steht nicht auf dem Stundenplan, aber Homosexualität soll drauf, weil eine lautstarke Minderheit erfolgreich den Marsch durch die Institutionen, durch Politik und Medien absolviert hat.

Meine Gastgeber wandten zu recht ein, dass auch ungarische Pädagogen etwas Geistreiches erwidern müssen, wenn sich ein Schüler oder eine Schülerin meldet und fragt, was das eigentlich ist, diese Homosexualität. Klar, muss es da eine Antwort geben. Und die sollte nicht der persönlichen Meinung des Lehrers entsprechen, sondern der Haltung der – in diesem Fall – ungarischen Gesellschaft, den Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Haltung durch Wahlen zum Ausdruck bringen. Und die haben Orban gewählt, und – meine persönliche Prognose – werden ihn auch kommendes Jahr im Frühling erneut wählen. Orbans Agenda ist ganz klar: Ehe ist Mann und Frau, kommen Kinder hinzu, dann nennt man das Familie. That’s it!

Eben zurück am News Desk von TheGermanZ lese ich Agenturmeldungen von einer Radfahrer-Demo linksgrüner Feministinnen mit untermalenden Fotos dazu. Als Nachrichtenmedium haben wir es auf der Startseite platziert, und ich stelle mich für die Zeit der Morgenschicht nach dem ersten Kaffee auf zumindest ein Dutzend übler Beschimpfungen per Mail oder Chat von links ein, was ich für ein böser Sexist bin. Und von rechts werden sie mich geißeln, wie ich als scheinheiliger Katholik so schamlos sein könne und nackte Frauenbrüste auf die Titelseite unserer Zeitung heben.

Nun werden Sie mir nachsehen, dass ich Frauenbrüste nicht per se als etwas Schlechtes ansehen möchte, aber ich bin auch Journalist und muss das Leben abbilden, wie es sich in unserer Gesellschaft zu meinem Leidwesen entwickelt hat. Ich denke, dass es völlig o.k. ist, wenn sich FKK-Freunde in klar so bezeichneten Bereichen nackt in die Sonne legen. Aber die Parkwächter in Berlin hatten recht, eine halbnackte Französin darauf hinzuweisen, dass ein öffentlicher Park für Freikörperkultur nicht geschaffen ist. Weil sich – es gab auch immer wieder lautstarke Zusammenstöße am Isarufer in München zwischen Nackerten und Bekleideten – eben auch Menschen davon gestört fühlen, bei der Mittagspause im Park gar nicht zu wissen, wo sie hingucken sollen.

Eine Gesellschaft lebt von Toleranz und gegenseitigen Spielregeln für möglichst alle Bürger. Und wenn die alle einhalten, gibt es keine Probleme. Also: FKK-Gebiete wie am Strand meinetwegen auch in großen Parkanlagen mit Sichtschutz, aber keine Verpflichtung zur Fleischbeschau, die man nicht will. Mir ist es teilweise im Freibad schon zu viel, was da an Körperlichkeit präsentiert wird, und die sind nicht einmal ganz nackt, aber es reicht schon, zu packen und lieber in eine Eisdiele zu gehen, wo alle etwas anhaben. Ich war übrigens nach der Wende irgendwann 1992 von einer neuen Kollegin aus Ostberlin eingeladen, sie am Wochenende an die Ostsee zu begleiten. Als wir dort ankamen, schleppte sie mich mit an einen FKK-Strand und dann auch noch zu einer Ruderbootstour. Und damals habe ich festgestellt, dass Ossis und Wessis doch mentalitätsmäßig einige Unterschiede haben.

Also, jeder nach seiner Facon, Toleranz gegenüber allen Menschen, die es anders wollen als man selbst. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass die Damen, die gestern mit nackten Brüsten durch Berlin radelten, vermutlich die gleichen sind, die auch Frauen im Nijab verteidigen, die schamhaft ihre Körper vor unziemlichen Blicken böser Männer verbergen müssen. So ganz rund erscheint mir das nicht.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.