von DR. STEFAN WINCKLER
AKKON – Die Rückeroberung Jerusalems durch muslimische Truppen im Jahre 1244 stellte einen Wendepunkt in der Geschichte der Kreuzfahrerstaaten dar. Mehr denn je standen die Kreuzfahrerstaaten in der Defensive. Das Angebot Kaiser Friedrichs II., einen Kreuzzug anzuführen, wenn der Papst seine Feindseligkeiten gegen ihn einstelle, lehnte der Herr des Kirchenstaates in seinem Hohenstaufen-Hass ab. Vielmehr richtete Papst Innozenz IV. eine Botschaft an den Sultan, dessen Vater einst mit Friedrich den Frieden von Jaffa abgeschlossen hatte: Dieser möge sich den Feinden Friedrichs in Europa, namentlich dem Gegenkönig Heinrich Raspe, anschließen. Der Muslimenfürst lehnte dieses alle andere als christlich gedachte Manöver ab, eingedenk der Freundschaft des „größten Friedrich“ mit Sultan al-Kamil.
Die Gesamtsituation im Heiligen Land
Der Verlust Jerusalems bedeutete jedoch (noch) nicht, das auch alle Festungen und Städte der Kreuzfahrer in muslimische Hand geraten wären. Ein Kreuzzug König Ludwigs des Heiligen 1270 änderte am Status quo wenig, denn er zielte auf Kairo, den Sitz des Kalifats ab. Angesichts des abnehmenden Interesses im Abendland an „Outremer“ bestand auf Dauer aber wenig Hoffnung, ein stabiles Königreich Jerusalem zu errichten. Das galt gerade auch für die Zitadelle von Akkon am Mittelmeer. Die Küstenstadt stand seit dem Dritten Kreuzzug 1189/91 unter christlicher Herrschaft, seit 1229 war der Johanniterorden hier bestimmend. Eigentlich funktionierte das Nebeneinander- oder Zusammenleben von Christen und Muslimen in Akkon mit seinen 30.000 bis 40.000 Einwohnern. Der renommierte Historiker Steven Runciman hob in seinem Standardwerk „Geschichte der Kreuzzüge“ hervor, „[der Sultan] mochte wohl ihre Burgen angreifen, die eine mögliche Gefahr für ihn darstellten. Er mochte auch den Ritterorden grollen, deren Geschäft es war, für den Glauben zu kämpfen, obwohl Mohammedaner und Christen gleicherweise die Tempelritter als Bankiers in Anspruch nahmen. Aber die Kaufleute und Ladenbesitzer in den Seehäfen wollten lediglich Frieden, und die dem Wohlleben hingegebenen Barone von Outremer hegten offenkundig keinerlei Wunsch nach den Ungelegenheiten eines Kreuzzugs. Akkon und seine Schwesternstädte waren sowohl für die Muselmanen als auch für die Christen eine wirtschaftliche Annehmlichkeit“.
Allerdings musste den Bewohnern Akkons die Eroberung von Tripolis im Libanon durch die Mamlucken als ein böses Omen erscheinen. Es war der Bürgermeister Tripolis‘, der nach politischen Erbstreitigkeiten die Mamlucken zu Hilfe gerufen hatte.
Was in der Stadt Akko passierte
Nach dem Fall von Tripolis waren nur wenige Kreuzfahrer dem päpstlichen Kreuzzugsaufruf gefolgt. Und die, die 1290 angekommen waren, waren keine tugendhaften Ritter, sondern einfache, an Beutegut und Kampf interessierte Abenteurer, zügellos und oft alkoholisiert. Sie verwechselten einen Kriegseinsatz mit Morden an beliebigen muslimischen Zivilisten: So massakrierten sie zum Entsetzen der Ordensritter viele arabische Händler in Akkon. Auch einige Juden und Christen waren unter den Opfern. Der Sultan von Kairo, Qalawun,verlangte die Auslieferung der Täter und eine außerordentlich hohe Entschädigung. Die Stadt Akkon entschuldigte sich, aber es war ihr nicht möglich, diese Forderung zu bedienen. Der Templergroßmeister wollte mit der Auslieferung christlicher Häftlinge an den Sultan den Konflikt entspannen, doch diesen Akt ließ die öffentliche Meinung in der Stadt nicht zu. Qalawun wollte jetzt keinen Christen in der Stadt mehr am Leben lassen, starb jedoch inmitten seiner Feldzugsvorbereitungen. Eine Gesandtschaft aus Akko, der auch ein Tempelritter angehörte, reiste zur Rettung des Friedens nach Kairo, wurde aber sofort gefangengenommen und ermordet.
Im darauf folgenden Jahr rückte sein Sohn, der neue Sultan al-Ashraf Chalil gegen Akkon vor, unterstützt von Kontigenten aus Syrien und dem Libanon.
Wieviel Mann waren an der Belagerung ab dem 6.4.1291 beteiligt?
Auf Seiten der Templer, Johanniter, Lazarus- und Deutschritter waren es ca. eintausend Berittene und 12.000 bis 14.000 Fußsoldaten. Auch Kontigente aus Zypern, England und Frankreich waren beteiligt. Die mamluckische Seite soll angeblich 60.000 Reiter und 150.000 Fußsoldaten aufgeboten haben – wahrscheinlich eine stark übertriebene Zahl, auch wenn an einer deutlichen muslimischen Übermacht nicht zu zweifeln ist.
Wenn die Stadt auch von der Landseite eingeschlossen war, so konnte sie von der See aus (Zypern) versorgt werden.
Wie verlief die Belagerung im Einzelnen?
Die Mamlucken katapultierten zunächst Steine und brennbares Material über die Stadtmauern, während sich die Verteidiger mit Pfeilbeschuss wehrten. Ausbrüche scheiterten, dagegen rückten die Angreifer am Abend des achten Tages direkt an die Mauern heran. Ab dem 8. Mai brachen einzelne Türme des äußeren Mauerrings ein. Ab dem 15. Mai waren die Ritterorden und ihre Verbündeten auf den inneren Stadtmauerring zurückgedrängt. Am 18. Mai verstarb der Großmeister des Tempelritterordens, Guillaume de Beaujeu, in der Stadt. Gleichzeitig gelang den Mamlucken ein entscheidender Durchbruch in den Stadtkern, dem heftige, schonungslose Straßenkämpfe folgten.
Während alle 25 Lazarusritter fielen, konnten sich die Templer in ihrem Hauptquartier, der Eisenburg, bis zum 28. Mai halten. Verhandlungen über eine geordnete Übergabe scheiterten, sieben Johanniter- und zehn Tempelritter konnten gerade noch fliehen. Es gelang dem späteren Templergroßmeister Tibald Gaudin, wenigstens den Templerschatz (vorläufig) nach Sidon zu evakuieren, während das Templer-Zentralarchiv wohl in Akkon verloren gegangen ist.
Für die Stadtbewohner war die Eroberung katastrophal: Die Sieger ermordeten den allergrößten Teil der Zivilisten, ungeachtet von Alter und Geschlecht.
Die Folgen
Mit dem Fall von Akkon im Mai 1291 endete das Kreuzrittertum im Orient, da auch Standorte wie Sidon und Tyros in jenen Jahren nicht mehr gehalten werden konnten.
Ohne rechte Aufgabe, ohne Territorium im Okzident, fiel der Tempelritterorden der besitz- und Machtgier des französischen Königs Philipp dem Schönen 1312 zum Opfer.
Seit der Restaurierung des vollständig begehbaren „Templertunnels“ (https://www.akko.org.il/de/Templer-Tunnel), durch den die Ordensritter in „letzter Minute“ aus der Stadt flohen, ist die alte Festungsstadt um eine touristische Attraktion reicher. Schon zuvor war die arabisch besiedelte Altstadt und die Zitadelle eine häufig besuchte Station auf Israel-Rundreisen.
Literatur: Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge. München 2003 (zuerst: Cambridge 1950-1954).
Dr. Stefan Winckler ist Ordenshistoriker des OMCT Tempelritterordens.
Bildquelle:
- Schlacht_Akkon_1291_2: dpa