von MARTIN D. WIND
WÜRZBURG – Es war so ein Satz, der so nebenher fiel. „Die Hälfte meines Jobs sind inzwischen Seelsorgegespräche mit Menschen, die sich von der derzeitigen Situation belastet und bedrückt fühlen und die inzwischen Lossprechungsgebete erbitten“, erzählte mir ein katholischer Ordensmann. In den Tagen vorher hatte mir bereits ein anderer Freund von den seelischen Nöten seiner Kinder durch die Corona-Maßnahmen der Politik erzählt. Und da erinnerte ich mich auch wieder an einen Artikel in der“ Tagespost“.. Dort schrieb Stephan Baier im März:
„Die Donau-Universität Krems hat die psychische Belastung durch die Pandemie von Anfang an untersucht und festgestellt, dass Depressionen, Angstsymptome und Schlafstörungen sich durch Corona (durch die Pandemie wie durch die Regierungsmaßnahmen) vervielfacht haben und auch während der Lockerungen im Sommer nicht sanken.“
Da muss doch also etwas sein. Der Satz des Priesters, der Zeitungsartikel, Erfahrungen mit eruptiven Emotionsäußerungen im Bekanntenkreis, wenn das Gespräch auf „die Seuche“ kam und ein Gespräch mit einer Psychotherapeutin weckten mein Interesse.
Wie und wo zeigen sich die psychischen Belastungen, die seelischen Auswirkungen der politischen Maßnahmen in der Corona-Bekämpfung? Kann man diese Belastungen zahlenmäßig greifen?
Ja, das kann man, und Fachleute sprechen auch mit uns Journalisten, aber zu diesem Thema will sich niemand zitieren lassen. Interessant, oder? Aber gut, es ist ein „heikles Thema“, es geht um Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Menschenwürde. Da wollen wir mal nachsichtig sein.
Immerhin war Hans Strömsdörfer nicht nur bereit, sondern froh, dass er uns ein wenig Licht ins Dunkel bringen kann. Stromdörfer ist Pressesprecher der „Deutschen PsychotherapeutenVereinigung(DPtV), einer Organisation mit mehr als 16.000 Mitgliedern. 11.000 von ihnen hat man einen Fragebogen geschickt, und immerhin 4.693 fühlten den aus und schickten ihn zurück. Allein das ein Indiz, dass wir über ein drängendes Problem reden.
„Die Praxen unserer Mitglieder werden förmlich überrannt“, beschreibt Gebhard Hentschel, der Bundesvorsitzende der DPtV, die Lage. Und dann nennt er Zahlen. Der Bedarf an Therapieplätzen sei im Vergleich zum Vorjahr um sagenhafte 40 Prozent gestiegen. In den städtischen Ballungsräumen müssen 38 Prozent der Therapiebedürftigen länger als ein halbes Jahr auf professionelle Hilfe in ihrer seelischen und geistigen Bedrängnis warten. Das geht nicht immer gut aus. Und das belastet auch die Therapeuten, die sich ja auch nicht zerreißen können. Auf dem Land, wo es weit weniger Therapieangebote gibt, liegt die Zahl derjenigen, die länger als ein halbes Jahr warten müssen, noch höher.
In Praxen die nicht direkt mit den Krankenkassen abrechnen, sind die absoluten Zahlen der Anfragen sogar um 61 Prozent gestiegen. Hier könnte eine Entspannung der Versorgung durch eine weniger bürokratische und flexible Kostenerstattungsgewährung seitens der Kassen erreicht werden. Es wäre der Situation angemessen.
Besonders signifikant ist allerdings der Anstieg des Therapiebedarfs bei Kindern und Jugendlichen. Hier stieg die Anfragezahl nach Auswertung der Umfrageergebnisse um mehr als 60 Prozent. „Corona wird bei der heranwachsenden Generation Spuren hinterlassen. Schon jetzt sollten wir die Zeit nach der Pandemie planen und Geld für Hilfs- und Unterstützungsangebote bereitstellen. Wir brauchen ein Förderprogramm für psychische Gesundheit und soziales Miteinander“, fordert Hentschel im Gespräch mit TheGermanZ.
Gerade die Politik hat eine besondere Verantwortung angesichts solcher Zahlen. Nie wieder sollte ein Ministerpräsident einem Kind so antworten, wie das Markus Söder im Mai 2020 tat, als er Kinder in die Verantwortung nahm: „Und wir wollen auch die Großeltern und die Älteren schützen. Wenn wir einfach nur nebeneinander sitzen und die Regeln nicht beachten, dann stecken wir uns vielleicht untereinander an, und Kinder und junge Jugendliche haben selber weniger Symptome, aber das kann schon am Ende den Tod bedeuten. Im schlimmsten Fall für Eltern oder Großeltern oder auch Urgroßeltern.“
Wer einen solchen Satz hören muss und sich zu Herzen nimmt, der kann durchaus therapiebedürftig werden und Angststörungen entwickeln.
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