UN-Kongress zu Verbrechenskontrolle und Justiz in Japan: Des einen Straflager sind des anderen Ausbildungszentren

Kyoto Stadt

von M. SISWANDI, Kyoto/Japan

KYOTO -Nach pandemiebedingter, mehrmonatiger Verspätung findet derzeit in  Kyoto (Foto)  ein UN-Kongress zur Verbrechensbekämpfung statt. Bis zum 12. März diskutieren die Teilnehmer über die sigeannnte „Kyoto-Erklärung“ zu Verbrechensprävention, Strafrecht und Rechtsstaatlichkeit. Und das alles unter den Bedingungen einer hybriden Veranstaltung.

Das UN-Büro für Drogenkontrolle und Verbrechensbekämpfung (UNODC) mit Sitz in Wien hält alle fünf Jahre einen Kongress ab, bei dem es keineswegs nur um internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens geht. Vielmehr wird  umfassend über Strafrecht und Strafvollzug, Prävention und Rehabilitierung gesprochen. Dass dabei die Schwerpunkte nicht von allen beteiligten Staaten in gleicher Weise  gesetzt werden, versteht sich von selbst.  Des einen Straflager sind des anderen Ausbildungszentren; in manchen Ländern sind Drogen frei erhältlich, in anderen steht darauf die Todesstrafe. Dass der eigentlich 2020 fällige Kongress wegen Covid-19 auf März 2021 verschoben werden musste, erwies sich gerade deshalb als unerwarteter Vorteil – war doch die Vorbereitung der Konferenz so schwierig und hart umkämpft wie noch nie zuvor.

Für die westlichen Staaten und ihre „like-minded“ Verbündeten ging es darum, menschenrechtliche Standards zu setzen (und durchzusetzen), rechtsstaatliche Grundsätze in der Strafverfolgung  zu kodifizieren – jedenfalls in die traditionelle Schlusserklärung aufzunehmen. Deutschland und Südafrika betreiben gemeinsam die Annahme der sog. „Nelson-Mandela-Rules“, Regeln, die Mindeststandards für die Behandlung von Häftlingen definieren, vom Folterverbot über den Zugang zu Anwälten bis zu detaillierten Regeln für Haftbedingungen und Rehabilitierungsangeboten. Vieles in dem umfangreichen Regelkatalog versteht sich eigentlich von selbst, lässt sich aus den allgemeinen Menschenrechten ableiten, und manches war sogar schon in der berühmten Habeas Corpus Akte aus dem 17. Jahrhundert enthalten. Dennoch zeigt die traurige Wahrheit des weltweiten Strafvollzugs, dass es einer solchen ausdrücklichen Kodifizierung bedarf, um einen menschenrechtsgerechten Strafvollzug wenigstens ansatzweise zu gewährleisten. In jedem Fall ist die Annahme der Kyoto-Deklaration ein in der allgemeinen Öffentlichkeit wenig beachteter, aber nicht unbedeutender Erfolg; wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung.

Die menschenrechtlichen Aspekte waren im Vorfeld heiß umstritten. Staaten wie Iran, Venezuela, China und Russland verzögerten den Verhandlungsfortschritt mit immer neuen Querschüssen, Einwänden und prozeduralen Bremsmanövern. Dass es nach mehr als anderthalb Jahren zäher und frustrierender Verhandlungen am Ende doch zu einem Kompromiss über die „Kyoto-Erklärung“ kam, ist nach übereinstimmender Aussage mehrerer Beteiligter nicht zuletzt auf die geduldige und geschickte Verhandlungsführung des japanischen Vorsitzes zurückzuführen gewesen. Ein europäischer Teilnehmer, der unmittelbar am Verhandlungsprozess beteiligt gewesen war, qualifizierte die Strategie „bestimmter Länder“ als „bewusst destruktiv“ , mit einer Neigung zu ständigem Kassieren schon vereinbarter Verhandlungsfortschritte; deshalb sei die Einigung auf die Kyoto Declaration trotz aller Mängel „fast schon ein Wunder“.

Die Sicherheits- und Hygienemaßnahmen am Konferenzzentrum in der alten Kaiserstadt Kyoto sind umfangreich, obwohl ein Großteil der Konferenz im virtuellen Online-Format stattfindet. Die Covid-19-Infektionszahlen in Japan sind gering – die Inzidenzzahl am Konferenzort liegt im einstelligen Bereich. Umso größer ist aber die Sorge vieler Japaner  um ein weiteres Einschleppen von Viren. Das erklärt einen Teil der Skepsis gegen die Veranstaltung der Olympischen Spiele im Juli, betraf aber eben auch den UNODC-Kongress. Sicherheitshalber wurde am zweiten Tag der Konferenz das Element der begrenzten Präsenz-Veranstaltungen noch einmal drastisch reduziert – aus reiner Vorsorge, nicht wegen erfolgter Infektionen.

Zumindest ein Teilnehmer aber war sicher sehr zufrieden über die Möglichkeit zu einem fast normalen Konferenzauftritt: Der japanische Ministerpräsident Suga konnte mit seinem Grußwort zeigen, wie er sich die Rückkehr zur Normalität vorstellt – endlich wieder ein internationales Groß-Event im Land!

Der Kongress geht noch bis zum 12. März.

https://www.unodc.org/unodc/frontpage/2021/March/kyoto-crime-congress-agrees-declaration-to-tackle-growing-crime-threats-and-promote-inclusive-covid-19-recovery.html

Bildquelle:

  • Kyoto_Japan: dreamstim

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