Nach Corona Turbulenzen: Airbus wieder an die Kette der Regierungen legen?

von KALLE DIRKSEN

HAMBURG – „Es geht um den Erhalt von Airbus.“ Drastischer hätte Airbus Chef Guillaume Faury sein Kosten- und Stellenabbauprogramm nicht begründen können. Mit Corona ist die Luftfahrt weltweit fast zum Stillstand gekommen, Airbus hat seine Produktion um über 40 Prozent reduziert. Nur sehr langsam kommt wieder Bewegung an den Himmel. Viele Airlines können sich die bestellten Maschinen nicht mehr leisten, tausende alte und fast neue Maschinen sind in der Wüste geparkt, etliche Airlines sind pleite. Neue Aufträge gibt es für Hersteller in dieser Lage nur in homöopathischen Dosen. Und die Erholung dauert. Guillaume Faury rechnet erst in fünf Jahren mit einer Rückkehr zu den Umsatz- und Orderzahlen von 2019.

Schon im nächsten Sommer sollen mehr als 15.000 der heute noch rund 135.000 Arbeitsplätze bei Airbus abgebaut sein.  5.100 Jobs in Deutschland, 5.000 in Frankreich, 1.700 in Großbritannien und 900 in Spanien, 1.300 entfallen an den übrigen Standorten weltweit. Zum Corona-Abbau kommt noch die bereits vor Monaten angekündigte Restrukturierung beim Teilezulieferer Premium Aerotec mit 900 Stellen. Im Februar hatte Airbus zudem beschlossen, mehr als 2000 Arbeitsplätze in der Raumfahrt- und im Rüstungsbereich abzubauen – Folge der Krise der europäischen Raumfahrt und fehlender Aufträge auch aus Berlin.

Was Airbus wegen Corona plant, ist juristisch Ankündigung und Auftakt für die jeweils nationalen Sozialplan-Verfahren mit den Betriebsräten.Sieben Punkte fallen daran besonders auf:

1) Enormer Zeitdruck

Erstmals in der Geschichte von Airbus soll ein Sozialplan schon in zwölf Monaten umgesetzt sein. Das unterstreicht den außergewöhnlichen Handlungsdruck. Normal läßt man sich in der Branche mindestens zwei oder sogar drei Jahre Zeit dafür.

2) Keine Staatshilfen

Airbus ruft nicht nach dem Staat. Schon zu Beginn der Krise hatte der Flugzeughersteller anders als Hauptkonkurrent Boeing keine Staatshilfen für sich, sondern nur für seine Kunden – die Fluggesellschaften – gefordert. Eine bemerkenswerte Zurückhaltung. Das Unternehmen kann es sich offenbar leisten.

3) Vorsorge zahlt sich in der Krise aus

Airbus hat in den letzten zehn Jahren gut gewirtschaftet, Reserven gebildet, Schulden getilgt und sich eine große Kreditlinie bei Banken gesichert. Die Unternehmensverfassung von 2012 mit dem von Staatseinflüssen befreitem, unabhängigem Verwaltungsrat hat sich ausgezahlt.

4) Sehnsucht nach mehr staatlicher Kontrolle und Einfluss 

Airbus will einen tiefen Schnitt, strebt nach einem großen Sozialplan. Die französische Regierung hält den Plan schon für „exzessiv“, wie Kreise um Wirtschaftsminister Le Maire der Presse sagten. Die spanische Regierung steht unter Schock und will sich jetzt eine größere Beteiligung und mehr Mitsprache sichern. Und auch in Berlin gibt es Stimmen, die für mehr Regierungseinfluss und mehr Regierungskontrolle werben. Die Gewerkschaften ließen an einem „von Renditzielen getriebenen“ Plan kein gutes Haar. Aber das dürfte Schlachtenlärm vor den Verhandlungen um den Sozialplan sein. Tatsächlich ist der Airbus-Abbau geringer als der von Boeing, obwohl Airbus bei weitem nicht über die Puffer verfügt, die großzügige Rüstungs- und Raumfahrtaufträge Boeing bieten. Auch beim Triebwerkshersteller Rolls-Royce stehen prozentual deutlich mehr Jobs zur Disposition. Wer CEO Faury und seine Führungsmannschaft kennt, der weiß, dass Kapitalistenschelte bei ihnen gänzlich unangebracht ist. Der Ruf nach mehr Staat ist verfehlt. Es ist noch kein Unternehmen durch Staatseinfluss erfolgreicher und wettbewerbsfähiger geworden. Im Gegenteil: Staatseinfluss macht Unternehmen unbeweglich, lahm und unattraktiv für alle.

5) Airbus und Boeing stehen in hartem Wettbewerb – und China holt auf

Wichtiger wäre, einen Blick auf die Konkurrenz zu werfen. Boeing ist heute stark geschwächt. Aber die Amerikaner werden jetzt alles auf ein fulminantes Comeback und neue Programme setzen. Und die Chinesen werden in ihren Anstrengungen, das Duopol von Airbus und Boeing aufzubrechen eher noch mehr Gas geben. Viele in Europa und Amerika unterschätzen die Chinesen bis es zu spät ist. Was anderen Branchen schon längst erlebt haben, können Airbus und Boeing nur durch massive Innovation und Wettbewerbsfähigkeit verhindern.

6) Betriebswirtschaftliche Erfordernisse

Airbus scheut sich nicht mehr, einen stärkeren Personalabbau in Deutschland als in Frankreich anzukündigen. Man sei hier strikt betriebswirtschaftlichen Erfordernissen gefolgt, sagt Faury. Das ist glaubwürdig, denn das Proporzdenken hatte schon der langjährige Airbus Chef Tom Enders seiner Mannschaft ausgetrieben. Faury geht hier sanfter, aber ebenso entschlossen vor. Trotzdem finden sich hier auch hausgemachte Probleme. So ist der Teilezulieferer Premium Aerotec mit seinen Standorten in Augsburg, Nordenham, Varel, Bremen und Hamburg seit vielen Jahren ein beliebter Sündenbock. Der Konzern behandelt die Ausgliederung strategisch unentschlossen. Raus aus dem Konzern, Verkauf oder Börsengang oder wieder ganz rein? Darüber wird seit zwölf Jahren diskutiert. So eine Zwischenexistenz ist für kein Unternehmen gesund.

7) Generationswechsel nötig für epochale Herausforderung: CO2 Reduktion und Klimaschutz

Seit Jahren hört man aus dem Unternehmen, dass es vor großen Pensionierungswellen steht. Bis Mitte der 20er Jahre steht für fast ein Drittel aller Beschäftigten der Ruhestand an. Vielleicht liegt hier die Chance für einen verträglichen Sozialplan. Überfällig ist nämlich ein Generationswechsel, der die Zukunftsfähigkeit des europäischen Flaggschiffs stärkt. Denn die Branche steht nach Corona vor einer noch viel größeren Herausforderung: Wie kann Luftfahrt wachsen ohne mit steigendem CO2 Ausstoß den Klimawandel zu beschleunigen und damit seine eigene Grundlage zu gefährden? Ob sich diese Aspekte im Sozialplan wiederfinden werden?

 

Bildquelle:

  • Lufthansa_4: pixabay

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