Die Intensität des hybriden Kriegs nimmt deutlich zu

uten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

am gestrigen Abend habe ich mir mal eine Viertelstunde lang TikTok-Videos angeschaut. Das ist schon irre, drei von fünf dieser Videos stammen ganz offensichtlich aus Russland. „Erklärstücke“, wie eine einzige russische Interkontinentalrakete ganz Deutschland in eine „Trümmerwüste“ verwandeln könnte. Putin in allen Lebenslagen, russische Kampfflugzeuge, die natürlich die allerbesten auf der Welt sind, und – nun wirklich lächerlich – Russland habe Atomraketen in Nicaragua stationiert, die innerhalb von drei Minuten – je nach Wetterlage – die US-Hauptstadt Washington vernichten könnten.

Und das Schlimmste: ausgerechnet in Deutschland ist die Zahl der Leute, die sonst immer dazu aufrufen, den Medien zu misstrauen, besonders hoch, die jeden Unfug für bare Münze nehmen, wenn er nur den eigenen Wünschen entspricht.

Dass die Trolle aus St. Petersburg ihr Fake News-Bombardement derart verstärkt haben, sagt uns aber auch etwas über die Stimmung in Moskau.

Man intensiviert die Maßnahmen der hybriden Kriegsführung. Entweder, weil es tatsächlich ernster wird, oder weil die erwarteten Entwicklungen gar nicht so gut sind, wie man es öffentlich darzustellen versucht.

Gestern hat es erstmals einen Angriff der Ukrainer mit amerikanischen ATACMS-Raketen auf ein Munitionslager in der russischen Grenzregion Brjansk gegeben. Mindestens zwölf Explosionen waren die Folge und lösten ein großes Feuer aus. Alles nicht so wild, teilte Moskau danach mit, fünf von sechs Raketen seien abgeschossen worden, es habe keine Opfer gegeben

Selbst wenn das stimmen sollte, und im Krieg darf man grundsätzlich erst einmal nichts glauben: Allein die Tatsache, dass die hochmodernen ATACMS inzwischen den ukrainischen Streitkräften zur Verfügung stehen, die eine große Reichweite haben und weit im russischen Hinterland Ziele zerstören können, dürfte die Nervosität bei der russischen Armeeführung erhöhen. Und neben den spürbar wachsenden wirtschaftlichen Problemen in der Russischen Föderation, neben Milliardenverlusten bei Gazprom erstmals seit 20 Jahren und einer Inflationsrate von 8,6 Prozent im Oktober, laufen die Vorbereitungen für eine Professionalisierung der ukrainischen Streitkräfte in mehreren EU-Staaten auf Hochtouren.

So werden in Ostfrankreich derzeit 2000 ukrainische Soldaten von der französischen Armee an westlichen HighTech-Waffen und in Kampftaktik ausgebildet. Ziel ist der Aufbau einer Brigade mit kombinierten Waffen für die umkämpfte Front. Unter anderem werden die ukrainischen Soldaten mit Haubitzen des Typs „Caesar“ und „Milan“-Lenkwaffensystemen zur Panzerabwehr ausgebildet.

Ein erster Güterzug mit einer Ladung von 100 gepanzerten Fahrzeugen für diese Brigade soll bereits in Richtung Ukraine unterwegs sein mit Caesar-Haubitzen, Kurzstrecken-Luftabwehrsystemen, Panzerabwehrraketenwerfern und andere Ausrüstungen. Anfang kommenden Jahres wird Frankreich Mirage 2000-Kampfjets und SCALP-Marschflugkörper an die Ukraine liefern.

Der Krieg um die Ukraine ist längst nicht gewonnen – weder für die eine noch für die andere Seite

Bundeskanzler Olaf Scholz fliegt derweil in der Welt herum und versucht, in der SPD Punkte zu machen, damit er wenigstens nochmal antreten darf für die Genossen im Bundestagswahlkampf. Zum Ukraine-Krieg fällt ihm weiter nichts ein, als „Taurus“-Lieferungen an die Ukraine zu verbieten.

Der große rosa Elefant im Raum heißt Donald Trump

Der wird am 20 Januar die Amtsgeschäfte im Weißen Haus übernehmen. Und er hat ja versprochen, er werde dann „innerhalb von 24 Stunden“ den Krieg in der Ukraine beenden. „I’ll fix it within 24 hours“, wie oft haben wir das bei seinen Kundgebungen gehört?

Mir fehlt heute die Phantasie, mir vorzustellen, wie das gelingen soll

Aus Russland kommen eisige Signale, der amtierende Präsident Joe Biden hat jetzt mit seiner Erlaubnis für Kiew, Ziele mit ATCMS in Russland anzugreifen, noch einmal Öl ins lodernde Kriegsfeuer gegossen. Aber wenn Trump in ein paar Wochen die Ukraine-Hilfen stoppt, war alles umsonst.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.