Ritualisierter Parlamentarismus: So wie jetzt kann es nicht mehr weitergehen

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser, liebe Freunde des ernsthaften Journalismus!

„Im Bundestag kommt es heute zum Höhepunkt der Haushaltswoche: In der Generaldebatte befasst sich das Parlament vier Stunden lang mit der Regierungspolitik insgesamt.“

Das meldet heute die Deutsche Presse-Agentur (dpa), so als stünde uns eine Sternstunde der Demokratie bevor.

Doch das ist mitnichten so. Statt Höhepunkt und Sternstunde, wird es ein zeitlich begrenztes Ritual geben. Ohne Mut, ohne Erkenntnisgewinn für die Bürger.

Traditionell eröffnet der Vorsitzende der größten Oppositionsfraktion die Aussprache, also CDU-Chef Friedrich Merz. Dann redet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der mit der Augenklappe. Und dann so weiter. Hauptthema dürfe die wirtschaftliche Entwicklung sein, alle werden Inflation und Ukraine-Krieg beklagen und darauf beharren, dass sie schon immer ganz doll für Digitalisierung und KI waren, aber es leider nicht auf die Kette bekommen mit der Modernisierung unseres Landes im positiven Sinne.

Alice Weidel von der AfD (hoffentlich, weil die beste Rednerin ihrer Mannschaft), wird hoffentlich auch etwas zum Rosa Elefanten im Raum sagen, den alle anderen unbedingt ignorieren wollen – die Massenzuwanderung in unsere Sozialsysteme und in die polizeiliche Kriminalstatistik.

Alle anderen Parlamentarier werden dann demonstrativ auf ihre Handys schauen und für die Fernsehkameras mürrische Gesichter zeigen. Und dann weiter in der Tagesordnung.

Eine Generalaussprache, wo einige der wichtigsten Themen ausgeklammert werden, kann man sich sparen.

Als ich nach dem Abitur meine 18 Monate Wehrpflicht ableistete (für Feinschmecker: 5. Jbtl 451 und Pzbtl 213) nahm ich ein kleines Transistorradio mit in den Kaserne, wenn Generaldebatte im Bundestag war. In der „NATO-Pause“ holte ich mir einen Kaffee und ein Stück Bienenstich, setze mich auf unsere Stube und hörte die großen Wortschlachten mit Franz-Josef Strauß, Wehner, Brand und Kohl. Atemlos verfolgte ich, wie die sich die Meinung geigten und Klartext sprachen. Das waren Sternstunden des Parlamentarismus und bisweilen – Strauß/Wehner – sogar Entertainment auf höchstem Niveau.

Und heute?

Mit dem ritualisierten Parlamentarismus in Deutschland ist es wie mit dem Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Es hat keine Zukunft, es ist überflüssig – so, wie es gemacht wird.

Bevor irgendeine FAZ-Journalistin jetzt einen investigativen Enthüllungsartikel schreibt, nach dem Kelle die Demokratie für überflüssig hält, erkläre ich es kurz.

„Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, außer allen anderen“, hat einst der frühere britische Premier Winston Churchill gesagt. Natürlich kann man die Demokratie kritisieren, natürlich haben wir Bürger das Recht, an diesem oder jenem herumzumeckern – aber es ist alternativlos, dass die Bürger eines Staates ihre Regierung zum Teufel jagen können, wenn diese schlechte Arbeit macht.

Wenn wir also nun ein gutes System haben, aber gleichzeitig schlechte Akteure auf der großen Bühne, dann wird sich etwas ändern. Dann muss sich etwas ändern.

Ich sage Ihnen, denken Sie an meine Worte: Das deutsche Parteiensystem wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verändern. Bekannte Spieler am Rand, wie die Freien Wähler, werden an Bedeutung gewinnen. Neue Spieler werden den politischen Rasen betreten wie Sarah Wagenknecht und das Bündnis Deutschland. Die SPD wird in der Bedeutungslosigkeit versinken, ebenso wie die FDP. Die CDU wird sich um die 20 Prozent einpendeln, die CSU macht weiter wie immer. Vielleicht kommen noch ganz andere Spieler hinzu, von denen wir jetzt noch keine Vorstellung haben.

Nur eins ist sicher: So, wie jetzt, kann und wird es nicht weitergehen.

Mit herzlichen Grüßen,

Ihr Klaus Kelle

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.