Die Schwurbler von der Polizei: Wir haben ein Recht darauf, verunsichert zu werden

Ein Polizeifahrzeug verläss an Tor 5 das Werksgelände. Foto: Julian Rettig/dpa - ACHTUNG: Person(en) wurde(n) aus rechtlichen Gründen gepixelt

von KLAUS KELLE

SINDELFINGEN – Sie alle kennen das von vielen Fällen aus den vergangenen Jahren. Gewalt und Tod, begangen von „jungen Männern“, von denen man uns erst einmal nichts sagt. Damit wir erstmal denken, es müssten wohl Touristen aus Bayern oder eine Jugendgruppe aus Finnland gewesen sein. Und wenn nichts mehr hilft, dann war es wohl eine „psychische Störung“. Natürlich, jeder, der einen Menschen – aus welchen Gründen auch immer – tötet ist psychisch gestört. Was denn sonst?

Nach den tödlichen Schüssen gestern im Mercedes-Werk in Sindelfingen „ist vor allem das Motiv des mutmaßlichen Täters offen“, erfahren wir heute Morgen aus den Agenturmeldungen. «Zu den Hintergründen der Tat dauern die Ermittlungen an», teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstagabend mit. Was wir wissen: Ein 53-jähriger Türke hat am Donnerstagmorgen zwei Kollegen – allesamt Mitarbeiter der Logistikfirma Rhenus – erschossen. „Soll erschossen haben“, steht in der Agenturmeldung von dpa. Ja, hat er das denn gar nicht? Alles nur ein bedauerlicher Irrtum?

Ich meine, die Tat fand in einer Produktionshalle statt vor vielen Zeugen, diee alles gesehen haben. Dann kam die Polizei und hat den Schützen festgenommen. Und die Notärzte stellten den Tod der beiden Mitarbeter durch Einschüsse im Körper aus der Waffe des gerade verhafteten Schützen fest. Was heißt denn da ein Satz wie „soll erschossen haben“?

Ein Haftrichter beim Amtsgericht Stuttgart erließ inzwischen Haftbefehl wegen Totschlags in zwei Fällen gegen den Mann. Der kam in Untersuchungshaft. Bei den beiden Toten handelt es sich den Angaben zufolge um zwei 44 Jahre alte Männer.

Warum sagt uns die Polizei nicht, was sie weißt?

In sozialen Netzwerken gibt es einen Screenshot des türkischen Polit-Bloggers Tuğrul Selmanoğlu, der uns der Erklärung näherbringt. Danach soll der Auslöser des Streits und der tödlichen Schüsse ein politischer Streit gewesen sein. Selmanoğlu, dem 400.000 Menschen folgen, schreibt auf Twitter:

„In der Mercedes-Fabrik Sindelfingen wurden zwei unserer Kollegen von einem Dissidenten mit der Begründung beschossen, sie würden Recep Tayyip Erdoğan verteidigen.“ Und weiter: „Einer unserer Brüder starb, der andere wurde schwer verwundet. Die Identität des Schützen und der Erschossenen ist geklärt.“

Und Punkt!

Warum sind Polizei und Staatsanwaltschaft nicht in der Lage oder willens, der deutschen Öffentlichkeit diesen einfachen Sachverhalt zu präsentieren? Warum schwurbelt man herum? Warum sagt man, man müsse noch ermitteln, man könne nichts zum Motiv sagen, und überhaupt, man wisse nicht, ob Donnerstag oder Freitag ist?

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Sie alle erinnern sich noch an Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (CDU), der nach einam Terrornaschlag sagte, man könne nicht alles veröffentlichen, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Unsäglich, der Mann. Wir haben ein Recht darauf, verunsichert zu werden, wenn es Grund zur Beunruhigung ist. Und Gründe zur Beunruhigung gibt es ganz offensichtlich hierzulande.

Bildquelle:

  • Werksgelände von Mercedes-Benz: dpa

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Über den Autor

Klaus Kelle
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.