von MICHAEL ROSSMANN, ULRIKE JOHN & FLORIAN LÜTTICKE
FRANKFURT/M. – Selbst als ZDF-Mitarbeiterin kann Martina Voss-Tecklenburg zur Frage nach den Übertragungen der Fußball-WM im Sommer kaum etwas sagen.
«Da bin ich auch nicht im Prozess so tief drin, dass ich das beantworten könnte», erklärte die Bundestrainerin der deutschen Frauen kürzlich, die nebenberuflich für den öffentlich-rechtlichen TV-Sender als Expertin arbeitet. «Gott sei Dank bin ich für die sportlichen Dinge verantwortlich und muss mich in den Prozess nicht auch noch einbringen. Für Medienrechte haben wir unsere Fachabteilung.»
Die Fachabteilung des Deutschen Fußball-Bundes ist aber ebenso ratlos bei der immer drängenderen Frage: Wer zeigt hierzulande im Fernsehen die Spiele der WM in Australien und Neuseeland, die in nicht einmal 100 Tagen am 20. Juli angepfiffen wird?
«Seitens des DFB wünschen wir uns eine große Reichweite und Sichtbarkeit – sowohl für das Turnier insgesamt, vor allem aber für die Spiele unserer Frauen-Nationalmannschaft im Sinne unserer Fans und Partner, um die großartige Entwicklung des Frauenfußballs der letzten Monate weiter zu fördern», sagte Holger Blask, Marketing-Chef beim DFB. «Deshalb gehen wir davon aus, dass die FIFA und die interessierten TV-Sender auch die wirtschaftlichen Potenziale der Frauen-WM angemessen und marktgerecht bewerten und gute Lösungen finden.»
Hoffnung auf Einigung
Nicht nur Ralf Kellermann, Direktor Frauenfußball beim deutschen Meister VfL Wolfsburg mit seinen vielen Nationalspielerinnen, findet es «wirklich außergewöhnlich und schade», dass die Übertragungsfrage immer noch nicht geklärt ist. Er verweist auf die ähnliche Problematik in anderen europäischen Ländern und sagte: «Meine große Hoffnung ist, dass die WM am Ende im Öffentlich-Rechtlichen zu sehen ist.»
Kann es sein, dass kein deutscher Fernsehsender die TV-Lieblinge des Vorjahres übertragen will? Die EM war doch ein Quoten-Hit: Die Live-Übertragung vom Finale zwischen Deutschland und England im Wembleystadion war mit 17,952 Millionen Zuschauern sogar die am meisten gesehene Fernsehsendung des gesamten Jahres.
Interesse besteht natürlich, auch wenn das niemand offiziell sagen will. ARD und ZDF schweigen dazu genauso wie die RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1. oder die zuletzt im Frauensport besonders aktiven Pay-Anbieter Sky und DAZN. Kurioserweise äußerte sich der Fußball-Weltverband FIFA in einem Verfahren, das sonst von größter Verschwiegenheit geprägt ist.
Es geht ums Geld
Das Ausschreibungsverfahren für die Übertragungsrechte «war bisher erfolglos, da es keine Angebote gab, die das größte Frauenfußballturnier der Welt in seinem wahren Wert anerkennen», hieß es auf Anfrage bei der FIFA. Mit anderen Worten: Der Weltverband will mehr Geld, als bisher aus Deutschland geboten wurde.
Die FIFA pokert und teilte weiter mit: «Wir können bestätigen, dass die Verhandlungen mit mehreren potenziellen Sendeanstalten für das Turnier fortgesetzt werden.» Zudem macht der Verband noch ein bisschen Werbung und verweist auf die «beispiellose Popularität» der WM 2019 in Frankreich «mit Rekordeinschaltquoten».
Mitte März hatte FIFA-Boss Gianni Infantino nach seiner Wiederwahl geklagt: «Die Rechteinhaber und Sponsoren müssen mehr tun.» Er verwies auf die teils massiv niedrigeren Angebote dieser Partner für den Frauenfußball und kündigte zugleich an, die WM-Erfolgsprämien bis 2027 an die der Männer angleichen zu wollen. Das sei der «schwierigste» Schritt auf dem Weg zum sogenannten «Equal Pay», also der gleichen Entlohnung.
WM-Spiele der DFB-Frauen am Morgen
Die öffentlichen Aussagen der FIFA zum Bieterprozess überraschen – der Zeitplan war von Beginn an sehr ungewöhnlich. Die Ausschreibung startete erst Mitte Januar, die Frist zur Abgabe von Angeboten endete am 14. Februar um 10.00 Uhr. Anders als bei den bisherigen Frauen-Weltmeisterschaften werden die TV-Rechte dieses Mal einzeln und nicht zusammen mit jenen der Männer-Turniere verkauft. Das Problem der FIFA scheint zu sein, dass außer ARD und ZDF niemand wirklich ernsthaft für den deutschen Markt mitgeboten hat.
Bezahlsender bevorzugen mehrjährige Rechte für Ligen. Und für Privatsender, die mit Werbeeinnahmen die Rechte bezahlen müssen, ist das Turnier durch die erwartet geringere Zuschauerzahl am Vormittag nicht sonderlich attraktiv. Wegen der Zeitverschiebung laufen die Übertragungen der deutschen Mannschaft in der Vorrunde gegen Marokko (10.30 Uhr), Kolumbien (11.30 Uhr) und Südkorea (12.00 Uhr) am Morgen – und andere Spiele noch viel früher.
Die Zeit ist knapp für den Sender, der am Ende doch überträgt: Hotels müssen bestellt, Flüge gebucht und Visa-Anträge gestellt werden. Die Sportredaktionen müssen ihr Programm mit dem Rest des Senders abstimmen und Einsätze planen. Und was passiert, wenn es in Deutschland keine Einigung mit einem TV-Partner gibt? Darauf gibt die FIFA keine Antwort.
Bildquelle:
- Frauenfußball-WM: dpa